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Prof. Dr. Klaus Böhme, Berlin

Überlegungen vor dem 7. NL-Bodenforum

Bodennutzungskonflikte?1 in entwickelten Gesellschaften verlaufen auf verschiedenen Ebenen und sind häufig recht komplex in Ursache sowie Struktur. Sie erfordern deshalb auch gesamtheitliche Lösungen ebenso wie konkrete Teillösungen vor Ort. Lösungen sind nur unter Einbeziehung breiter Kreise der Gesellschaft zu erreichen. Gerade durch die Lösung von Konflikten wird die Entwicklung vorangetrieben.

Das Bodenforum der Neuen Landwirtschaft auf der Grünen Woche 2010 – bereits das 7. in Folge – wendet sich diesen Fragen zu, sicher ohne das alle Seiten beleuchtet und diskutiert werden können.

Zur Konfliktstruktur

Konflikte bei der Bodennutzung ergeben sich aus den verschiedenen gesellschaftlichen Funktionen des Bodens, den Eigentumsstrukturen und den Nutzungsansprüchen. Ohne die gesamte Komplexität der Konfliktstruktur behandeln zu können, wird hier auf folgende mehr oder weniger konfliktreiche Seiten der Bodennutzung hingewiesen:

  • Bodenfläche kann für verschiedene Zwecke genutzt werden.
  • Boden ist nicht 2 vermehrbar, die Ansprüche an ihn wachsen aber.
  • Eigentümer und Nutzer sind – in unterschiedlichem Maße – nicht identisch.

 Zweifellos besteht die wichtigste und entscheidende Qualität des Bodens darin, dass er Nährstoffe enthält, Mikroorganismen beheimatet und Standort für Pflanzen ist, die dem Menschen und seinen Nutztieren als Nahrung dienen. Die daraus erwachsende (landwirtschaftliche) Bodennutzung ist also essenziell für die Existenz der Menschen. Diese Tatsache muss immer wieder betont werden, weil sie im Zusammenhang mit der Begrenztheit des Bodens und dem wachsenden Nahrungsbedarf Prioritäten setzt.

Hinzu kommt die Tatsache, dass auf dem Boden wachsende Biomasse reproduzierbar ist und damit neben der Nahrung für die Ener­gieversorgung und den Klimaschutz eine besondere Rolle spielt. Boden ist aber auch eine entscheidende Grundlage für den Erholungswert einer Landschaft mit Wiesen, Feldern, Bäumen und Tieren.

Bodenverbrauch als Problem

Wenn die besondere Qualität des Bodens – in der Regel unwiederbringlich – vernichtet wird, dann sprechen wir von Flächen-, besser von Bodenverbrauch.

Große Bodenareale der Erde werden durch Wüstenbildung (Desertifikation) und Erosion – mit aber auch ohne Einwirkung des Menschen – verbraucht. Infolge des weiter voranschreitenden Klimawandels kann es auch zu Bodenverlusten durch einen höheren Meeresspiegel kommen.

In den entwickelten Ländern der gemäßigten Zone, wie Deutschland, spielen aktuell aber andere Faktoren die entscheidende Rolle: Hier wird vor allem für sich in die Fläche fressende Siedlungen, Verkehrswege und Industrieanlagen wertvoller Boden in großem Umfang verbraucht.

Die Situation ist seit Jahrzehnten unbefriedigend. Alle klagen über den "Flächenverbrauch", immer wieder wird erklärt, was man gegen diese Ressourcenvernichtung tun will3, aber es bewegt sich nur wenig. Obwohl die Nationale Nachhaltigkeitsstrategie die Verringerung der Inanspruchnahme neuer Siedlungs- und Verkehrsflächen auf täglich 30 ha im Jahr 2020 vorsah, nähert man sich diesem Ziel nur sehr langsam. Für 2008 meldete das Statistische Bundesamt den täglichen Anstieg dieser Flächen immer noch um 104 ha (siehe folgende Tabelle).4

Es gibt umfang- wie zahlreiche planerische und ordnungsrechtliche Instrumentarien mit denen der Flächenverbrauch reduziert werden soll, aber sie wirken kaum. Für den Vorstandsvorsitzenden des Bundesverbandes der Landgesellschaften (BLG), Dr. Willy Boß, ist der "Wille zur Minderung des Flächenverbrauches sowie die Fähigkeit zum Umgang mit dem vorhandenen Instrumentarium" entscheidend. Gerade daran hapere es nach seiner Meinung aber.5

Ein Punkt der Koalitionsvereinbarung

Die Koalition aus CDU/CSU und FDP hat es sich für ihre Regierungszeit auf die Fahne geschrieben, mehr gegen den Flächenverbrauch zu tun. Weiter verbessert werden sollen die schon mit dem Bundesnaturschutzgesetz erleichterten Vorschriften für die Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen. Künftig soll auch ein Ausgleich in Geld möglich sein, um so die Inanspruchnahme landwirtschaftlicher Nutzflächen zu verringern. Die Innenentwicklung soll in Siedlung und Verkehr Vorrang haben und die Nutzung bereits versiegelter Flächen steht im Mittelpunkt der Erschließung von Potenzialen für Infrastruktur sowie Siedlungs- und Produktionsbauten.6 Zu wünschen wäre, dass diese Vorhaben mehr Erfolg haben als die der Vorgängerregierung.

Folgen des Bodenverbrauchs

Die Folgen der Vernichtung von Boden durch Abtragung und Überbauung mit Verkehrs-, Siedlungs- und Produktionsanlagen in Deutschland – wie auch in anderen Staaten – reichen weit über die unmittelbaren und offensichtlichen Auswirkungen hinaus:

  • Die Basis für die Ernährung einer wachsenden Weltbevölkerung wird reduziert.
  • Die Flächenkonkurrenz zwischen Nahrungsmittel- und Energieproduktion wird verschärft ("Konkurrenz zwischen Teller und Tank"). Durch Solar- und Wind­energieerzeugung werden Flächen auch direkt beansprucht oder deren landwirtschaftliche Nutzung wird beeinträchtigt.
  • Die positive Klimawirkung des Bodens und des von ihm ernährten und getragenen Pflanzenaufwuchses wird eingeschränkt und durch Flächenversiegelungen – das trifft für die Hälfte der Siedlungs- und Verkehrsflächen zu – sogar in ihr Gegenteil verkehrt.
    Es kommt auch zu einer zunehmenden Isolation von Lebensräumen wildlebender Pflanzen und Tiere und so zu Verlust von Biodiversität.7
  • Die Konkurrenzsituation zwischen Landwirten wird durch Bodenentzüge und nicht zuletzt durch die damit verbundenen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen deutlich verschärft.
  • Es entsteht ein ökonomisches Ungleichgewicht zwischen landwirtschaftlichen und nichtlandwirtschaftlichen Konkurrenten einerseits und einheimischen und auswärtigen, ja zum Teil auch ausländischen Landwirten andererseits.

 Es mehren sich die Stimmen, die angesichts der globalen Entwicklung darauf verweisen, dass landwirtschaftlicher Boden im Zusammenhang mit Wasser als Ressource enorm an Bedeutung gewinnen wird. Das führt zu einer Wertsteigerung und kann im Zusammenhang mit einer Verknappung als Auswirkung von Bodenverbrauch zu einem weiteren Preisanstieg führen. Eine solche Entwicklung geht am Bodenmarkt nicht spurlos vorüber.

Konkurrenz der Nutzungsarten

Konflikte der Bodennutzung ergeben sich auch aus den miteinander konkurrierenden landwirtschaftlichen Nutzungsmöglichkeiten des Bodens. Es kommt darauf an, das Verhältnis der Nutzung des Bodens für die unmittelbare Nahrungsproduktion (Brotgetreide, Gemüse, Obst etc.), für die Futterproduktion (Mais, Grünfutter, Futtergetreide etc.), für die Produktion von Nahrungsmittelrohstoffen (Zuckerrüben, Raps, Hopfen etc.), für die Produktion von Energierohstoffen und auch für Industrierohstoffe (Plaste, Bau- und Dämmstoffe etc.) in einem Gleichgewicht zu halten. Das wird zwar überwiegend durch die Marktkräfte bewerkstelligt, aber Eingriffe wie durch das Erneuerbare-Energie-Gesetz (EEG) oder durch die Förderung der Extensivierung und anderer spezieller Produktionsverfahren können hier auch zu Fehlregulierungen führen. Ein Gutachten im Rahmen des Umweltforschungsplanes empfiehlt u. a. "flächenaufwendige Extensivierungsprogramme der Landwirtschaft zu hinterfragen. Vielmehr sollten verstärkt Anbauformen erforscht, entwickelt und gefördert werden, die hoch produktiv und umwelt- und landschaftsverträglich sind (z. B. Precision Farming; Niedrig-Energie-Treibhäuser, Intensivanbau gekoppelt mit Ausgleichsflächen und Randstreifen etc.)."8

Zu Fehlregulierungen der Bodennutzung führt auch die Förderung des ökologischen Landbaus. Die deutlich geringere Flächenproduktivität der Ökoproduktion sowohl im Ackerbau wie auch in der Tierproduktion fördert einerseits die Flächenverknappung und erhöht die Flächenkonkurrenz. Andererseits kommt es zu ökonomischen Gleichgewichtsstörungen der Bodennutzung durch direkte Förderung der Ökoproduktion und durch Förde­rung der Nachfrage nach Ökoprodukten.

Zu Nutzungskonflikten kommt es häufig auch bei Konkurrenz von Landwirtschaft und Naturschutz. Das tritt besonders dann ein, wenn der Naturschutz mit staatlichen oder Spendenmitteln am Bodenmarkt mit Landwirten in den Wettbewerb tritt.

Eigentum und Zugang zum Boden

Konfliktpotenzial liegt zweifellos auch in den Eigentumsverhältnissen am Boden selbst.

Während sich im Osten Deutschlands durch Käufe der ehemals volkseigenen Flächen und von privaten Bodeneigentümern der Anteil der Eigentumsflächen landwirtschaftlicher Betriebe von durchschnittlich 8,9 % im Jahr 1997 auf 21,1 % im Jahr 2007 erhöht hat, ist der Anteil im alten Bundesgebiet von 64 % im Jahr 1987 über 51,8 % 1997 auf 46,7 % im Jahr 2007 gesunken.9 

Damit wächst für die Landwirte im al­ten Bun­desgebiet der Aufwand für die Flächensicherung. Sie müssen sich häufiger Konflikten mit den Eigentümern stellen. Der Pachtmarkt und die Preisfestlegung und -entwicklung gewinnen an Bedeutung. Das bereitet allerdings angesichts höherer Volatilität auf den Agrarmärkten größere Schwierigkeiten. Verstärkt wird über Möglichkeiten der Pachtpreisanpassung diskutiert.

Zu den Konfliktfeldern gehört auch die Frage des Umfangs der Überwälzung von Beihilfen auf die Bodeneigentümer. Besonders mit dem neuen Charakter der Direktzahlungen als nicht produktionsgebundene Einkommensstützung für den Betriebsinhaber kochte zu dieser Frage die Diskussion hoch. Die Gerichte mussten deutlich machen, dass die Direktzahlungen rechtlich den Betriebsinhabern gehören.10 Über die tatsächliche Verteilung entschied die Kräfteverteilung am Pachtmarkt und das Angebot an Flächen und Zahlungsansprüchen in den einzelnen Regionen.

In den neuen Bundesländern stehen die Landwirtschaftsunternehmen in der Regel einer großen Zahl von kleinen Landeigentümern gegenüber, deren häufig direkte Bindung zum Pächter (als Gesellschafter/Mitglied oder Mitarbeiter) immer mehr schwindet und durch gute „Verpächterpflege“ weiter gesichert werden muss. Sowohl der Pachtpreisanstieg als auch das Verkaufsinteresse müssen in vertretbaren Grenzen gehalten werden. Trotzdem wächst die Zahl verkaufswilliger Bodeneigentümer häufig schneller als es für die Betriebe ökonomisch sinnvoll ist, die Flächen zu kaufen. Besonders dort, wo in größerem Umfang BVVG-Flächen bewirtschaftet werden, die zum Verkauf bzw. zur Weiterverpachtung anstehen, ist der ökonomische Druck oft hoch.

Besondere Konflikte entstehen, wenn die Landwirte, wie im Falle der BVVG, oder auch der Kirche, großen Landeigentümern gegenübertreten. Deren Agieren gegenüber Nutzern oder auch Käufern wird neben den ökonomischen auch durch eigentümerpolitische Vorgaben bestimmt.

So folgt die BVVG einem gemeinsam von Bund und neuen Bundesländern beschlossenen Privatisierungskonzept.11 Dessen Umsetzung ist von rasch steigenden Boden- und Pachtpreisen begleitet, was den kaufberechtigten Landwirten, aber auch den Agrarpolitikern der Bundesländer, natürlich nicht gefallen kann, während der Bund und die BVVG selbst an hohen Verkaufserlösen interessiert sind.

Die Kirche hält in der Regel an ihrem Bodeneigentum fest und verpachtet die Flächen entsprechend ihren ethischen Grundsätzen mit Auflagen (z.B. Verbot von gentechnisch verbesserten Pflanzen)12.

Fazit

Bodennutzung ist immer zugleich Konfliktlösung. Von der Konkurrenz zwischen den Funktionen und Nutzungsarten bis hin zu den Konflikten zwischen Eigentum und Bewirtschaftung sind komplexe politische, ökonomische und rechtliche Lösungen erforderlich. Diese werden durch den weiter anhaltenden Bodenverbrauch für außerlandwirtschaftliche Nutzungen erschwert.

 

 

 

Quellen:

  1. Hier wird bewusst nicht – wie sonst – von "Landnutzungskonflikten" gesprochen, weil es vor allem um die landwirtschaftlich nutzbaren Flächen gehen soll.
    Es geht nicht um die "Fläche" an sich, um das "Land" sondern um jene belebte Grenzzone zwischen der ­Lithosphäre und der Atmosphäre, die die Bioshpäre trägt, den Boden.
  2. Sieht man von künstlichen Flächen und einer "Ver­mehrung" durch Vertiefung der Krume u. ä. ab.
  3. So gibt es z. B. aus dem Jahr 2006 gemeinsame For­derungen aus Landwirtschaft und Umweltschutz (u. a. von BLG, DBV, BUND, NABU und Umwelt­bundesamt) zur Verringerung der Flächeninanspruchnahme.
    Siehe www.agrarrecht.de – Aktuelle Themen – Bodennutzung – 12.
  4. Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung Nr. 426 v. 11. 11. 2009. Vgl. auch U. Grabski-Kieron, M. Löwer, Landnutzungskonflikten vorbeugen … In: Landentwicklung aktuell 2009, S. 24; Bundesamt für Naturschutz, Stärkung der Instrumentarien zur Reduzierung der Flächeninanspruchnahme,
    NL-BzAR 2009, 109 ff.
  5. Landentwicklung aktuell. BLG, Ausgabe 2009: Land­nutzungskonflikte lösen. S. 3.
  6. Siehe P. Bleser, Wir helfen den Landwirten kurzfristig (Interview), dbk 11/2009, S.7.
  7. Unzerschnittene und verkehrsarme Räume von mindestens 100 km2 kommen nur noch auf 23 % der bundesdeutschen Landesfläche vor. Deutscher Bundestag, Drs. 16/9720
  8. Nachhaltige Flächennutzung und nachwachsende Rohstoffe. Umweltbundesamt, Texte 34/2009. Zusammenfassung und Auswertung des UBA, S. 16.
  9. Bodenmarkt 3, S.62.
  10. Siehe z. B. NL-BzAR 2007, 48 ff., 2008, 455.
  11. Siehe NL-BzAR 2007, 40 f.; 2009, 98 ff., 306 ff., 386 ff.
  12. Siehe H. Krögl, L. Fiedler, Kann die Kirchenpacht einen Beitrag zu einer nachhaltigen Landwirtschaft leisten? NL-BzAR 2008, 411 ff.