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RA Dr. Lothar Schramm, Berlin*

Das Urteil ist in diesem Heft auf den Seiten 81 ff. abgedruckt.

Anmerkung zum Urteil des BGH vom 27.11.2009 (BLw 4/09)

Nun ist auch höchstrichterlich festgestellt, dass ein Vertrag über die Veräußerung landwirtschaftlicher Grundstücke durch die BvS bzw. BVVG der Genehmigung nach §§ 1 und 2 GrdstVG in Verbindung mit der jeweiligen landesrechtlichen Regelung bedarf. Der BGH kommt in Anknüpfung an die herrschende Kommentarliteratur (vgl. nur Netz; Grundstücksverkehrsgesetz – Praxiskommentar, 4. Aufl.) zu dem Ergebnis, dass nach § 4 Nr. 1 GrdstVG genehmigungsbedürftige Grundstückskaufverträge nur dann genehmigungsfrei sind, wenn es sich um Handlungssubjekte im Rahmen der unmittelbaren Bundesverwaltung handelt. Demgegenüber sind hiernach Rechtsgeschäfte, an denen rechtsfähige Körperschaften, Anstalten, Stiftungen des öffentlichen Rechts im Rahmen der von ihnen ausgeübten mittelbaren Bundesverwaltung beteiligt sind, von der Genehmigungspflicht nicht befreit. Dies betreffe auch die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS) als rechtsfähige bundesunmittelbare Anstalt des öffentlichen Rechts. Diese Entscheidung geht m.E. weit über die vom BGH zu entscheidende Fallgestaltung hinaus. Hierzu im Einzelnen:

1.

Nach Auffassung des BGH führt auch das von dem Beschwerdeführer angeführte „Konzept für die weitere Privatisierung der landwirtschaftlichen Flächen der BVVG“ (Privatisierungskonzept) nicht zu einer Genehmigungsfreiheit derartiger Rechtsgeschäfte. Dies besonders zu erwähnen, ist aus mehreren Gründen bedeutsam.

Jeder, der mit dieser Materie befasst ist, konnte sich schon von der „Unsicherheit“ oder wenigstens „Unentschlossenheit“ eini­ger Genehmigungsbehörden überzeugen, wenn BVVG-Flächen außerhalb des EALG im freien Bieterverkehr veräußert wurden. Nicht selten beriefen sich diese Behörden im Widerspruch zu der auch vom BGH in seiner Entscheidung angeführten Kommentarliteratur, der Rechtsprechung (vgl. nur AG Mühlhausen, Beschl. v. 20. 6. 2005 bzw. AG Stendal Beschl. v. 29. 7. 2004, AG Oschatz und OLG Dresden = NL-BzAR 2008, 129 ff.) oder gleichlautende Auffassungen in der Rechtsliteratur (vgl. nur Schramm in NL-BzAR 2008, 2 ff.) aus welchen Gründen auch immer darauf, dass es sich um eine Beteiligung des Bundes handeln würde, die der Genehmigungsfreiheit nach § 4 Nr. 1 GrdstVG unterliege. Zum anderen wurde diese Auffassung mit dem sog. Privatisierungskonzept der BVVG und den darin verankerten Kompetenzen der BVVG begründet. Dass auch diese Auffassung an der Rechtslage vorbei geht, wurde durch diese Entscheidung des BGH eindeutig klargestellt. Dies ist insofern von Bedeutung, als einige Behörden sogar Verträge unter Hinweis darauf genehmigten, dass – wie in der vom BGH zu entscheiden­den Fallgestaltung – die Grundstücke an einen Nichtlandwirt veräußert werden sollten, obwohl am Ankauf interessierte und aufstockungsbedürftige Landwirte vorhanden waren. Spätestens jetzt sind in einer solchen Fallgestaltung die jeweiligen Behörden gehalten, die Genehmigung zu versagen. Denn nach ständiger Rechtsprechung (vgl. nur ­Beschl. d. BGH v. 28. 4. 2006 = AuR 2007, 55 ff.) stellt das Erwerbsinteresse eines aufstockungsbedürftigen Landwirts grundsätzlich einen Versagungsgrund wegen ungesun­der Verteilung des Grund und Bodens gegen den Erwerb eines landwirtschaftlichen Grundstücks durch einen Nichtlandwirt dar.

2.

Mit dieser Entscheidung des BGH ist m.E. zugleich klargestellt, dass der landwirtschaftliche Grundstücksverkehr mit BVVG-Beteili­gung auch künftig hin den rechtlichen Regelungen des Grundstücksverkehrsgesetzes (GrdstVG) und des Reichssiedlungsgesetzes (RSG) insgesamt unterworfen ist. Das muss zwangsläufig die BVVG zu einer Umkehr ihrer bisherigen Auffassung führen, weil die BVVG noch im letzten Jahr „die Sicherung der Agrarstrukturen in den Neuen Ländern als nicht wesentlich für die Verwertungspraxis“ angesehen hat (vgl. nur NL-BzAR 2008, 20). Dies steht eindeutig im Widerspruch zu den Vorgaben des Gesetzgebers und den Entscheidungen der Länder zur Beibehaltung des GrdstVG. Die Behörden haben daher auch die anderen Versagungsgründe nach § 9 Abs. 1 GrdstVG und hierbei namentlich die Genehmigungsversagung bei grobem Missverhältnis zwischen Wert und Gegenwert des Grundstücks nach § 9 Abs. 1 Ziff. 3 GrdstVG zu prüfen (vgl. hierzu Schramm, a.a.O. sowie Schramm, Wertermittlungsforum, 2009/1, 1 ff., 4/5). Da die damit verbundenen generellen rechtlichen Konsequenzen bereits an dieser Stelle umfassend vorgestellt wurden (vgl. Schramm in NL-BzAR 2008, 2 ff., OLG Dresden, NL-BzAR 2008, 129 ff., 131), sollen hier nur folgende Gesichtspunkte nochmals hervorgehoben werden:

  • Übersteigt der vereinbarte Kaufpreis den Verkehrswert um mehr als 50 %, so ist grundsätzlich von einem Missverhältnis im Sinne dieser Vorschrift auszugehen und die Genehmigung des Vertrages zu versagen (vgl. nur BGH, Beschl. v. 27. 4. 2001 = RdL 2001, 213, OLG Dresden, a.a.O., 129 ff., BGH – Beschl. v. 28. 4. 2006, a.a.O.).
  • Die Genehmigungsbehörde hat darauf zu achten, dass für Grundstücke, die auch künftig landwirtschaftlich genutzt werden, nicht Preise genehmigt werden, die in keinem Verhältnis mehr zu der vorgesehenen oder möglichen Nutzung des Grundstücks stehen; insoweit ist der Wert des Grundstück eine objektiv feststellbare Größe (vgl. BTDrucks. 2635 zu § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrdstVG sowie Netz, a.a.O., 546 ff.). Andernfalls führen genehmigte Überpreise zur Erhöhung des Mittelwertes als Richtschnur für den Verkehrswert, was nach der Rechtsprechung Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur zuwider­läuft und daher vom Schutzbereich des § 9 GrdstVG erfasst ist (vgl. wiederum Netz, a.a.O., 549 m.H.a. entsprechende Rechtsprechung).
  • Der Versagungsgrund des groben Missverhältnisses kommt nicht zur Anwendung, wenn nachteilige Auswirkungen auf die Agrarstruktur nicht zu befürchten sind (vgl. wiederum Netz, a.a.O., 557 m.?w.?N.). Darüber hinaus ist umstritten, ob § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrdstVG ein selbständiger Versagungsgrund ist (vgl. BGH, Beschl. v. 3. 6. 1976 = AgrarR 1977, 65, anderer Auffassung OLG Stuttgart, ­Beschl. v. 29. 11. 1983 = RdL 1984, 185). Nach vorgenannter Auffassung des OLG Stuttgart ist bei Veräußerung eines Grundstücks zu einem stark überhöhten Preis an einen hauptberuflichen Landwirt von einem Versagungsgrund aus § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrdstVG auszugehen, wenn ein ­anderer hauptberuflicher Landwirt sein Erwerbsinteresse zu einem üblichen innerlandwirtschaftlichen Verkehrswert bekundet (vgl. ebenda, Netz, a.a.O., 559; vgl. hierzu auch Seewald, Rechts­gutachten „Zur Frage der Verfassungsmäßigkeit eines Grundstücksverkehrsgesetzes für das Land Brandenburg“ für das (da­malige) MELF Brandenburg, 2009, S. 12 f.).
  • Mit Rücksicht auf den gesetzgeberischen Zweck kann der Preis, den ein hauptberuflicher Landwirt für ein landwirtschaftliches Grundstück zahlt, nur in Ausnahmefällen nach  9 Abs. 1 Nr. 3 GrdstVG beanstandet werden (vgl. wiederum Netz, a.a.O., 555). Allerdings sind nach der bisherigen Rechtsprechung in diesem Falle höhere Preise nur dann genehmigungsfähig, wenn diese auf besondere, zuvörderst beim Erwerber liegende Umstände, zurückzuführen sind (vgl. hierzu näher Netz, a.a.O., 555 f. sowie Schramm in Wert­ermittlungsforum, a.a.O., 5 Ziff. 5.). Derartige Ausnahmetatbestände erfordern stets eine einzelfallbezogene Prüfung (vgl. ebenda). Eine solche Ausnahme besteht m.E. – auch und vor allem unter Berücksichtigung der Agrarstruktur – dann nicht, wenn im Bieterverfahren Höchstpreise selbst durch andere (tatsächliche oder nur vorgeschobene) Landwirte gezahlt werden, die weit über dem Verkehrswert liegen und im Genehmigungsprozess zudem mit Hinweis darauf als „angemessen“ deklariert werden, dass die Privatisierungsstelle gehalten sei, Höchstpreise zu erzielen. Derartige Verkäufe, die über dem derzeitigen oder künftig gesetzlich vorgeschriebenen Limit liegen, stehen nach Seewald im Widerspruch zu den auch für den Bund selbst dann geltenden gesetzlichen Regelungen, wenn es sich um genehmigungsfreie Rechtsgeschäfte nach § 4 Abs. 1 GrdstVG handeln würde (vgl. Seewald, a.a.O., 67 f.). Eine derartige Gewinnerzielung sei dem Staat oder seinen Gliedern auch durch andere Vorschriften nicht erlaubt oder auferlegt. Das Bundesverfassungsgericht habe im Zusammenhang mit dem Erwerb forstwirtschaftliche Grundstücke durch den Fiskus unmissverständlich dahingehend entschieden, dass der Staat bei Veräußerungsgeschäften, die den Vorschriften des Grundstücksverkehrsrechts unterliegen, auch diesen Regelungen insgesamt und den darin enthaltenen Zielsetzungen unterliegt (vgl. wiederum Seewald m.H.a. BVerfG, 21, 306 und 309). Jedenfalls komme hiernach ein auch nur partieller Dispens von diesen Vorschriften im Sinne des Vorrangs der Interessen des Staates nicht in Betracht und der Bund und die für ihn handelnde BVVG dürfe sich auch nicht dem durch das GrdstVG konstituierten Solidaritätsgefüge entziehen. Hiergegen würden zudem abgabenrechtliche Bedenken bestehen (vgl. Seewald, a.a.O.).

3.

Insgesamt bleibt somit festzustellen:

a) Sämtliche Rechtsgeschäfte über landwirtschaftliche Grundstücke mit Beteiligung der BVVG sind bis auf Verkäufe nach dem EALG genehmigungspflichtig.

b) Die Genehmigung ist auch in diesen Fällen zu versagen, wenn ein grobes Missverhältnis im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrdstVG vorliegt und hierdurch andere am Ankauf interessierte und aufstockungsbedürftige Landwirte vom Erwerb abgehalten würden. Dies sollte auch dann gelten, wenn die Grundstücke durch einen anderen Landwirt erworben werden, nicht aber die für derartige Fallgestaltung von der Rechtsprechung entwickelten und detaillierten Ausnahmetatbestände vorliegen.

c) Die Genehmigung derartiger Rechtsgeschäfte kann weder damit begründet werden, dass beim Ankauf der Flächen durch einen anderen Landwirt der Versagungsgrund generell entfallen oder dass der BVVG eine Sonderstellung erwachsen würde, die eine solche Verfahrensweise rechtfertige. Auch hier gilt, dass § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrdstVG nur dann nicht anzuwenden ist, „wenn durch die Veräußerung ungünstige Auswirkungen auf die Agrarstruktur nicht zu erwarten sind.“ (BGH. Beschl. v. 3. 6. 1976 = AgrarR 1977, 65 f.).

    Im Anschluss an diese Einschätzung stellt aber der BGH klar, dass mit diesem Versagungsgrund unter dem Gesichtspunkt der Agrarstruktur gerade verhindert werden solle, dass „die auf den Betriebs­ertrag angewiesenen Berufslandwirte mit so hohen Anschaffungskosten belastet werden, dass der Bestand und die Wirtschaftlichkeit ihrer Betriebe bedroht erscheinen können. Der Erwerb des zur Verbesserung der Agrarstruktur dringend erforderlichen Landes durch interessierte Land- und Forstwirte würde außerordentlich erschwert, wenn überhöhte Preise gefordert werden könnten“ (vgl. wiederum BGH, a.a.O., m.H.a. BVerfG, RdL 1967, 36 sowie Seewald, a.a.O., 12).

d) Jede andere Vorgehensweise könnte dazu führen, dass entgegen der eigentlichen Zielstellung dieser Regelung nur jene Landwirte in den Genuss des Ankaufs der­artiger Flächen kommen könnten, die die hierfür erforderlichen Mittel nicht nur aus dem Betriebsertrag finanzieren, sondern – zumeist als vorgeschobene Landwirte – aus Mitteln der Landbevorratung und Kapitalanlage. Das wiederum wäre mit der Gefahr verbunden, „dass die Wirkungen der mit großen öffentlichen Mitteln finanzierten agrarstrukturellen Maßnahmen … durch derartige Nachteile auslösende Grundstücksgeschäfte durchkreuzt werden“ (vgl. Seewald, a.a.O., 48 f. m.H.a. BVerfGE, 26, 215, Rdnr. 27a, E = 226).