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OLG Naumburg, Beschluss vom 2. 11. 0211, 2 Ww 3/11 (Lw) – AG Stendal (30. 3. 2011 – 4 Lw 4/1)

Leitsätze

  1. Die Grundstückverkehrsgenehmigung darf versagt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen sich ergibt, dass die beabsichtigte Veräußerung eine ungesunde Verteilung von Grund und Boden bedeuten würde (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 GrdstVG). Dies ist regelmäßig der Fall, wenn ein landwirtschaftliches Grundstück an einen Nichtlandwirt veräußert wird, obwohl ein Landwirt die Fläche zur Aufstockung seines Betriebes benötigt und bereit und in der Lage ist, das Land zu den Bedingungen des Kaufvertrages zu erwerben.
  2. Landwirt i. S dieser Regelung ist nicht, wer in einem Angestelltenverhältnis ohne Berufsausbildung in der Landwirtschaft arbeitet und ca. 2,5 ha Grünland selbständig bearbeitet.
  3. Die Absicht, die Kauffläche in einen bestehenden Landwirtschaftsbetrieb eines Dritten einzubringen und dadurch selbst Gesellschafter zu werden, ist einer bereits ausgeübten Landwirtschaft nach dem Grundstücksverkehrsgesetz nur dann gleichzustellen, wenn der Nichtlandwirt über konkrete und in absehbarer Zeit zu verwirklichende Absichten zur Aufnahme einer leistungsfähigen landwirtschaftlichen Tätigkeit verfügt und bereits entsprechende Vorkehrungen getroffen hat.
  4. Die Vorschrift des § 471 BGB findet auf das gesetzliche Vorkaufsrecht nach dem Reichssiedlungsgesetz keine Anwendung.

Gründe

I.

1            Der Antragsteller begehrt die Erteilung der Genehmigung nach dem Grundstücksverkehrsgesetz für den Erwerb einer landwirtschaftlich genutzten Fläche von dem Beteiligten zu 2. (Rechtsanwalt K. als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Frau G.), und er wendet sich zugleich gegen die Ausübung des siedlungsrechtlichen Vorkaufsrechts durch die Antragsgegnerin (L. mbH).

2            Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 30. 7. 2009 verkaufte der Beklagte zu 2. an den Antragsteller ein der Insolvenzschuldnerin D. G. gehörendes, 5,9226 ha großes landwirtschaftliches Grundstück…. Der Kaufpreis betrug 23.690,40 €. Das Flurstück ist langfristig, bis zum 30. 9. 2019, an die H. & U. Sch. GbR (Gut G.) verpachtet, deren Gesellschafter Onkel und Vetter des Antragstellers sind.

3            Mit Schreiben vom 25. 8. 2009, eingegangen beim Landkreis S. am 31. 8. 2009, beantragte die beurkundende Notarin unter Vorlage einer Abschrift des Kaufvertrages die Erteilung der Genehmigung nach dem Grundstücksverkehrsgesetz. Der Landkreis verlängerte durch Zwischenbescheide vom 10. 9. und 14. 10. 2009, die jeweils der Notarin übersandt wurden, die Bearbeitungsfrist auf insgesamt drei Monate. Mit Bescheid vom 25. 11. 2009, dem Antragsteller zugestellt am 27. 11. 2009, teilte der Landkreis S. den Vertragsbeteiligten mit, dass die L. mbH als Siedlungsbehörde mit Schreiben vom 17. 11. 2009 die Erklärung über die Ausübung des von ihr in Anspruch genommenen Vorkaufsrechts abgegeben habe und dass damit für das Rechtsverhältnis zwischen dem Verkäufer und dem Vorkaufsberechtigten die Veräußerung als genehmigt gelte.

4            Bei der Ausübung des Vorkaufsrechts hat sich die Antragsgegnerin auf die Bereitschaft der Agrar GmbH „W. “, J. zum Erwerb des Grundstücks gestützt. Die Agrar GmbH hat mit notariell beurkundetem Vertrag vom 23. 11. 2009 das Grundstück von der Antragsgegnerin gekauft, wobei die Antragsgegnerin sich für den Fall, dass sie nicht innerhalb von fünf Jahren Eigentümerin geworden sein sollte, den Rücktritt vom Vertrag vorbehalten hat.

5            Im Hinblick auf die ihm am 27. 11. 2009 zugestellte Mitteilung über die Ausübung des Vorkaufsrechts hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 11. 12. 2009, der noch am selben Tage per Telefax beim Landkreis eingegangen ist, Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt.

6            Der Antragsteller hat vorgetragen, dass er seit 10 Jahren ausschließlich in der Landwirtschaft – und zwar in der Sch. & Sch. GbR – tätig sei. Von seinem Onkel U. Sch. habe er bereits eine insgesamt 2,5078 ha große Grünlandfläche geschenkt erhalten, die er nunmehr selbständig bewirtschafte. Er solle zukünftig als Gesellschafter in die Sch. & Sch. GbR aufgenommen werden und beabsichtige, die von dem Beteiligten zu 2. erworbenen Flächen in die GbR einzubringen. An der Bewirtschaftung der streitgegenständlichen Grundstücke durch einen Vollerwerbslandwirt, Herrn U. Sch., werde sich daher nichts ändern, so dass der Flächenerwerb auch nicht der Agrarstruktur widerspreche. Auf der anderen Seite werde der Gesetzeszweck – so hat der Antragsteller gemeint – durch die Ausübung des Vorkaufsrechts zugunsten einer Kapitalgesellschaft, der Agrar GmbH, geradezu konterkariert, denn die Schaffung des Grundstücksverkehrsgesetzes habe dem Schutz der bäuerlichen Landwirtschaft dienen sollen. Deshalb müsse mindestens 50 % des Arbeitseinkommens der Gesellschafter der Agrar GmbH aus der Bewirtschaftung des Betriebes der Gesellschaft gewonnen werden, und mindestens 50 % der Arbeitskraft der Gesellschafter müsse in den landwirtschaftlichen Betrieb der GmbH investiert werden. Dass diese Voraussetzungen vorliegend erfüllt seien, werde mit Nichtwissen bestritten.

7            Die Genehmigung des Rechtsgeschäfts habe – so der Antragsteller – nicht versagt, sondern allenfalls unter Auflagen gemäß § 10 GrdstVG erteilt werden dürfen. Als Auflagen seien die Verpachtung oder Veräußerung an einen Landwirt in Betracht gekommen. Die Versagung der Genehmigung sei im Vergleich zu deren Erteilung unter Auflagen nur als ultima ratio anzusehen, denn sie führe im Ergebnis zu einer Enteignung des Erwerbers und des Veräußerers der landwirtschaftlichen Fläche. In diesem Zusammenhang hat der Antragsteller einen notariellen Grundstückskaufvertrag mit Auflassung vom 9. 3. 2011 vorgelegt, mit dem er das streitgegenständliche Flurstück an seinen Vetter H. Sch., nach seinen Angaben ebenfalls ein Vollerwerbslandwirt, weiterverkauft hat.

8            Der Antragsteller hat beantragt, den Bescheid des Landkreises S. vom 25. 11. 2009 aufzuheben und die beantragte Grundstücksverkehrsgenehmigung zu dem Grundstückskaufvertrag der Notarin E. Pf. vom 30. 7. 2009 zu erteilen;

   hilfsweise die beantragte Grundstücksverkehrsgenehmigung unter der Auflage zu erteilen, dass der Erwerber, Herr N.?T., das erworbene Grundstück an einen Landwirt verpachtet;

   weiter hilfsweise die beantragte Grundstücksverkehrsgenehmigung unter der Auflage zu erteilen, dass Herr N. T. das erworbene Grundstück zu angemessenen Bedingungen, d.h. zu einem Kaufpreis von 23.690,40 € an einen Landwirt oder an ein von der Siedlungsbehörde zu bezeichnendes Siedlungsunternehmen nach seiner Wahl zu veräußern hat;

   weiterhin hilfsweise auszusprechen, dass die Ausübung des Vorkaufsrechts der L.   mbH in M. nicht wirksam geworden ist.

9            Die Antragsgegnerin und die Genehmigungsbehörde haben beantragt, die Anträge zurückzuweisen.

10           Der Landkreis S. als Genehmigungsbehörde hat den Standpunkt vertreten, dass der Antragsteller nicht einem leistungsfähigen Neben- oder Haupterwerbslandwirt gleichzustellen sei. Mit der von ihm angegebenen Bewirtschaftung einer Grünlandfläche von 2,5078 ha habe der Antragsteller nicht die im Jahre 2009 geltende Mindestgröße von 4 ha nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) erfüllt, so dass er nicht als landwirtschaftlicher Unternehmer anerkannt werden könne. Der Antragsteller habe auch keinen GbR-Vertrag vorgelegt, aus dem hervorgehe, dass er etwa im Zeitpunkt des hier in Rede stehenden Grundstückskaufvertrages als ordentlicher Gesellschafter aktiv im landwirtschaftlichen Betrieb des Gutes G. als Landwirt tätig gewesen sei. Hingegen handele es sich bei der Agrar GmbH „W.“ um einen landwirtschaftlichen Betrieb, der nach den Feststellungen des ALFF A. hinsichtlich seiner Eigentumsfläche aufstockungsbedürftig und aufstockungswillig sei. Die Gesellschaft betreibe sowohl Ackerbau als auch Viehzucht; mit 1.272 Großvieheinheiten habe sie einen für die Region vergleichsweise hohen Viehbesatz. Die im Betrieb tätigen Arbeitskräfte einschließlich des Geschäftsführers seien von Beruf ausgebildete Landwirte bzw. hätten den Abschluss als Agraringenieur. Da die GmbH selbst als Kaufinteressent auftrete, sei es unbeachtlich, ob die einzelnen Gesellschafter als Landwirte im Sinne des § 1 Abs. 2 ALG geführt würden. Der Zweck des Grundstücksverkehrsgesetzes, die Agrarstruktur zu fördern und selbständige, lebensfähige sowie leistungsfähige Agrarbetriebe – gleich welcher Rechtsform – zu sichern bzw. zu erhalten, werde mit der Ausübung des Vorkaufsrechts durch die Antragsgegnerin erreicht.

11           Das Landwirtschaftsgericht hat den Mitarbeiter des Amtes für Landwirtschaft, Flurneuordnung und Forsten (ALFF) A., Dr. W. S., zur Aufstockungsbedürftigkeit des landwirtschaftlichen Betriebes der Agrar GmbH „W.“ als Zeugen vernommen.

12           Im Anschluss an die Beweisaufnahme hat das Landwirtschaftsgericht die Anträge des Antragstellers durch Beschluss vom 6. 4. 2011 zurückgewiesen. Die beantragte Genehmigung für die Veräußerung des streitgegenständlichen Grundstücks an den Antragsteller wäre – so das Landwirtschaftsgericht in der Begründung seiner Entscheidung – nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrdstVG zu versagen gewesen. Eine ungesunde Bodenverteilung im Sinne dieser Vorschrift liege in der Regel dann vor, wenn landwirtschaftlich genutzter Boden an einen Nichtlandwirt veräußert werden solle und ein Landwirt das Grundstück zur Aufstockung seines Betriebes dringend benötige und zum Erwerb bereit und in der Lage sei, die Flächen zu den Bedingungen des Kaufvertrages zu erwerben. Die Voraussetzungen seien im vorliegenden Fall erfüllt. Der Antragsteller sei nämlich Nichtlandwirt. Wie seine Angaben in der mündlichen Verhandlung ergeben hätten, sei er bisher nicht unternehmerisch tätig, sondern arbeite als Angestellter im Betrieb seines Onkels, und er habe auch keine Vorkehrungen zur Errichtung einer Nebenerwerbslandwirtschaft in absehbarer Zeit ergriffen. Auf der anderen Seite bestehe für die Agrar GmbH nach den glaubhaften Angaben des Zeugen Dr. S. die gesteigerte Notwendigkeit des Zuerwerbs des konkreten Grundstücks, denn auf diese Weise werde der Eigenlandanteil – wenn auch nur geringfügig – erhöht. Auch soweit landwirtschaftliche Unternehmen in den neuen Bundesländern in Form einer GmbH, AG oder eingetragenen Genossenschaft organisiert seien, müsse ihnen angesichts der tatsächlichen Entwicklung in der Landwirtschaft die Eigenschaft als Haupterwerbslandwirt zugebilligt werden.

13           Gegen diesen ihm am 13. 4. 2011 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 27. 4. 2011, der noch am selben Tage beim Amtsgericht eingegangen ist, Beschwerde eingelegt und die Beschwerde mit weiterem Schriftsatz vom 17. 6. 2011 begründet. Aus seiner, des Antragstellers Sicht bestehe schon deshalb ein berechtigtes Interesse am Erwerb des betreffenden Grundstücks, weil beabsichtigt sei, ihn, einen seit etlichen Jahren in der Landwirtschaft abhängig Beschäftigen, im Falle des Flächenerwerbs in die Sch. & Sch. GbR aufzunehmen. Dadurch sei auch sichergestellt, dass die streitgegenständliche Fläche weiterhin landwirtschaftlich genutzt werde. Wenn der BGH in seinem Beschluss vom 26. 11. 2010 –  BLw 14/09 (NL-BzAR 2011, 115) – den Erwerb durch eine juristische Person, die selbst keine Landwirtschaft betreibe, ausreichen lasse, sofern nur eine sachliche und personelle Verflechtung mit Landwirten bestehe, müsse das auch für den vorliegenden Fall gelten. Auf der anderen Seite lasse sich der Entscheidung des BGH entnehmen, dass eine Kapitalgesellschaft nur dann als Erwerbsinteressent in Betracht komme, wenn in der Person ihrer Gesellschafter die Landwirtseigenschaft erfüllt sei. Den Bekundungen des erstinstanzlich vernommenen Zeugen Dr. S. mangele es insofern jedoch an jeglicher Substanz. Jedenfalls aber habe der Gesetzeszweck, selbständige lebensfähige landwirtschaftliche Betriebe zu erhalten, auch durch einen geringeren Grundrechtseingriff als die Ausübung des gesetzlichen Vorkaufsrechts, nämlich durch die Erteilung der Grundstücksverkehrsgenehmigung unter einer Verpachtungs- oder Veräußerungsauflage, erreicht werden können.

14           Der Antragsteller beantragt, unter Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichtes Stendal vom 6. 4. 2011 den Bescheid des Landkreises S. vom 25. 11. 2009 aufzuheben und die vom Antragsteller beantragte Grundstücksverkehrsgenehmigung zu dem Grundstückskaufvertrag der Notarin E. Pf.                 vom 30. 7. 2009 zu erteilen;

   hilfsweise unter Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichtes Stendal vom 6. 4. 2011 die beantragte Grundstücksverkehrsgenehmigung unter der Auflage zu erteilen, dass der Erwerber, der Antragsteller, das erworbene Grundstück an einen Landwirt verpachtet;

   weiter hilfsweise unter Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichtes Stendal vom 6. 4. 2011 die beantragte Grundstücksverkehrsgenehmigung unter der Auflage zu erteilen, dass der Antragsteller das erworbene Grundstück zu angemessenen Bedingungen, d.h. zu einem Kaufpreis von 23.690,40 EUR an einen Landwirt oder an ein von der Siedlungsbehörde zu bezeichnendes Siedlungsunternehmen nach seiner Wahl veräußert.

15           Die Antragsgegnerin und die Genehmigungsbehörde beantragen,  die sofortige Beschwerde des Antragstellers zurückzuweisen.

16           Die Antragsgegnerin und die Genehmigungsbehörde verteidigen die angefochtene Entscheidung des Landwirtschaftsgerichts.

17           Das Landwirtschaftsgericht hat in seinem Beschluss vom 28. 6. 2011 der Beschwerde des Antragstellers nicht abgeholfen und das Rechtsmittel dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

 

II.

18           Die sofortige Beschwerde des Antragstellers ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.

19           Die Einwendungen des Antragstellers gegen die Ausübung des siedlungsrechtlichen Vorkaufsrechts durch die Landgesellschaft sind unbegründet. Der Bescheid vom 25. 11. 2009 über die Mitteilung der Ausübung des siedlungsrechtlichen Vorkaufsrechts ist zu Recht ergangen. Der hierdurch zwischen der Landgesellschaft und Rechtsanwalt K. als Insolvenzverwalter zustande gekommene Kaufvertrag über das Grundstück gilt damit als genehmigt, § 8 Abs. 1 S. 3 RSG. Die Genehmigung der Grundstücksveräußerung an den Antragsteller wäre zu versagen gewesen, weil sie eine ungesunde Verteilung des Grund und Bodens bedeutet hätte (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 GrdstVG).

20           1. Der notarielle Vertrag, der zwischen dem Antragsteller und dem Beteiligten zu 2. (RA K.) über die Veräußerung des landwirtschaftlichen Grundstücks abgeschlossen worden ist, bedurfte der Genehmigung nach dem Grundstücksverkehrsgesetz. Das 5,9226 ha große Grundstück ist insbesondere auch nicht nach § 2 Abs. 3 Nr. 2 GrdstVG von der Genehmigungspflicht ausgenommen; denn nach der vom Land Sachsen-Anhalt in Wahrnehmung der Ermächtigung gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 2 GrdstVG erlassenen Verordnung vom 25. 10. 1995 (GVBl. S. 302) sind lediglich unbebaute Grundstücke, die kleiner als 2 ha sind, von dem Genehmigungserfordernis nach dem Grundstücksverkehrsgesetz befreit.

21           2. Der Landgesellschaft stand als Siedlungsunternehmen im Sinne des § 1 Abs. 1 RSG das ausgeübte Vorkaufsrecht gemäß § 4 Abs. 1 RSG zu, weil das verkaufte landwirtschaftliche Grundstück größer als zwei Hektar ist und die von den Kaufvertragsparteien beantragte Genehmigung nach § 9 GrdstVG zu versagen gewesen wäre.

22           a) Nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrdstVG darf die Grundstücksverkehrsgenehmigung unter anderem nur versagt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen sich ergibt, dass die Veräußerung eine ungesunde Verteilung des Grund und Bodens bedeuten würde. Nach Absatz 2 der Vorschrift liegt eine ungesunde Bodenverteilung dann vor, wenn die Veräußerung Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur widerspricht.

23           Diese Maßnahmen zielen in erster Linie auf die Schaffung und die Erhaltung selbständiger und lebensfähiger landwirtschaftlicher Betriebe ab. Da Grund und Boden in der Land- und Forstwirtschaft der maßgebende Produktionsfaktor ist, aber nicht in unbeschränktem Umfang zur Verfügung steht, soll der vorhandene landwirtschaftliche Grundbesitz in erster Linie den Landwirten zugute kommen und vorbehalten bleiben, die ihn selbst bewirtschaften. Dementsprechend liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes eine ungesunde Bodenverteilung in der Regel dann vor, wenn ein landwirtschaftliches Grundstück an einen Nichtlandwirt ver­äußert wird, obwohl ein Landwirt die Fläche zur Aufstockung seines Betriebes benötigt und bereit und in der Lage ist, das Land zu den Bedingungen des Kaufvertrages zu erwerben (BGH, Beschl. v. 26. 11. 2010 – BLw 14/09, Rdnr. 10, NL-BzAR 2011, 115, 116; BGH, Beschl. v. 24. 11. 2006 – BLw 11/06, Rdnr. 11, NL-BzAR 2007, 98, 99; BGH, Beschl. v. 28. 4. 2006 – BLw 32/05, Rdnr. 18 f., NL-BzAR 2006, 329, 331, jeweils m.?w.?N.). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben.

24           b) Der Antragsteller ist Nichtlandwirt. Er betreibt kein landwirtschaftliches Unternehmen im Sinne der Begriffsbestimmung in § 1 Abs. 2 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG).

25           aa) Um Landwirt zu sein, bedarf es der Ausübung einer unternehmerischen Tätigkeit, die eine auf Bodenbewirtschaftung beruhende planmäßige Aufzucht von Pflanzen oder eine damit verbundene Tierhaltung zum Gegenstand hat.

26           bb) Der Antragsteller arbeitete – und arbeitet – in dem landwirtschaftlichen Betrieb der Sch. & Sch. GbR mit, wo er jedoch keine unternehmerische Tätigkeit als selbständiger, weisungsunabhängiger Landwirt im Sinne des § 1 Abs. 2 ALG ausübt. Zu diesem Ergebnis ist das Landwirtschaftsgericht zu Recht aufgrund der eigenen Angaben des Antragstellers in der mündlichen Verhandlung vom 16. 3. 2011 gelangt:

   „Ich habe den Beruf des Tischlers gelernt. Nach der Lehre bin ich in die Landwirtschaft bei meinem Onkel gegangen. Ich habe dort eine Tätigkeit als Angestellter ausgeübt. Dort verdiene ich rund 1.100 € netto.

   Ich kümmere mich um die Pflege der Kühe. Was zu füttern ist, spreche ich mit dem Chef ab. Ich arbeite auch auf dem Feld und seit letztem Jahr kümmere ich mich auch mit um die Biogasanlage (Befüllen etc.).

   Qualifizierungsmaßnahmen habe ich noch nicht weiter gemacht, mit Ausnahme eines Spritzenlehrganges. Dieser dauert in der Regel 5 Tage.“

27           cc) Auch der Umstand, dass der Antrag­steller 2,5078 ha Grünland zunächst für einen Pachtzins von 250,– € gepachtet und inzwischen von seinem Onkel erworben hat und diese Flächen seinen Angaben zufolge mit eigenem Gerät bewirtschaftet, recht­fertigt nicht die Annahme einer selbständigen unternehmerischen Tätigkeit. Denn diese Fläche unterschreitet die Mindestgröße für landwirtschaftliche Untenehmen im Sinne des § 1 Abs. 2 u. 5 ALG, die im Zeitpunkt der Ausübung des Vorkaufsrechts bei 4,00 ha lag (vgl. Steding, NL-BzAR 2010, 347, 348, FN 3).

28           dd) Schließlich rechtfertigt auch die vom Antragsteller bekundete Absicht, die streitgegenständliche Kauffläche in die Sch.?&?Sch. GbR einzubringen und selbst Gesellschafter der GbR zu werden, keine andere Beurteilung.

29           Solche Vorstellungen des Käufers sind in den Verfahren über die Erteilung der Genehmigung nach dem Grundstücksverkehrsgesetz nur dann einer bereits ausgeübten Landwirtschaft gleichzustellen, wenn der Nichtlandwirt über konkrete und in absehbarer Zeit zu verwirklichende Absichten zur Aufnahme einer leistungsfähigen landwirtschaftlichen Tätigkeit verfügt und bereits entsprechende Vorkehrungen getroffen hat. Unklare oder unverbindliche Absichtserklärungen reichen nicht aus. Ein strenger Prüfungsmaßstab ist schon deshalb angezeigt, um die Erteilung einer Genehmigung auf Grund eines nur vorgeschobenen Erwerbszwecks für eine Maßnahme zur Verbesserung der Agrarstruktur auszuschließen. Eine Gleichstellung des Antragstellers mit einem Käufer, der bereits als Landwirt tätig ist, kommt danach nicht in Betracht.

30           Im Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheides lag weder ein geänderter Gesellschaftsvertrag der Sch. & Sch. GbR noch ein entsprechender Entwurf vor, der die Erweiterung des Kreises der Gesellschafter um den Antragsteller vorbereitet hätte; eine solche vertragliche Vereinbarung oder ein Entwurf existieren bis heute nicht. Auch ein verbindliches Angebot der bisherigen Gesellschafter oder jedenfalls eine verbindliche Absichtserklärung hat der Antragsteller im Laufe des Verfahrens nicht vorzulegen vermocht. Der Genehmigungsbehörde wurde lediglich ein von U. Sch. für den Antragsteller verfasstes, nichtssagendes Schreiben vom 4. 9. 2009 übersandt, von dem noch nicht einmal eindeutig festgestellt werden kann, ob es sich – auch – auf den verfahrensgegenständlichen Kaufvertrag oder nur auf den Kaufvertrag beziehen sollte („Die beteiligten Sch. und T., haben gemäß der abgesprochenen Eintrittspflicht des Pachtvertrages G. /Sch., Ihre Flächen die Landw. genutzt werden, in den Betrieb Gut G., U. Sch. eingelegt“). Eine solche Äußerung ist ebenso wenig wie die einseitigen Erklärungen des Antragstellers im jetzigen gerichtlichen Verfahren geeignet, die Ernsthaftigkeit der Absichten des Grundstückserwerbers zu belegen.

31           Infolgedessen steht auch nicht fest, welche Stellung der Antragsteller in der GbR überhaupt einnehmen soll, wenn er mit der Einbringung der streitgegenständlichen Fläche deren Gesellschafter würde. Die Beteiligung an der Gesellschaft bedeutete nicht notwendigerweise, dass der Antragsteller seine landwirtschaftliche Tätigkeit zukünftig selbständig (vgl. § 1 Abs. 2 S. 2 ALG) ausüben würde. Ebenso wäre es auch denkbar, dass der Antragsteller in diesem Fall von der Geschäftsführung ausgeschlossen und auf eine bloße Kapitalbeteiligung beschränkt würde. Angesichts seiner geringen Qualifikation und der bisherigen Übertragung lediglich untergeordneter Aufgaben in der GbR erscheint dies vielmehr als eine naheliegende Möglichkeit, die sich jedoch mangels Vorlage eines ausformulierten Gesellschaftsvertrages ebenfalls nicht klären lässt.

32           c) Dem Antragsteller steht in Gestalt der Agrar GmbH „W.“ ein Vollerwerbslandwirt gegenüber, der erwerbsbereit und aufstockungsbedürftig ist. Diese Voraussetzung für eine Versagung der Genehmigung des Kaufvertrages ist zur Wahrung der schützenswerten Interessen des Nichtlandwirts am Erwerb landwirtschaftlicher Grundstücke auch bei der Ausübung des gesetzlichen Vorkaufsrechts durch das staatliche Siedlungsunternehmen aufzuzeigen.

33           aa) Nach der Rechtsprechung dient der Zuerwerb bei einem groben Missverhältnis zwischen Eigenland und Pachtland auch dann der Verbesserung der Agrarstruktur, wenn dadurch der Eigenlandanteil prozentual nur in geringem Maße erhöht wird. Danach ist im vorliegenden Fall die Aufstockungsbedürftigkeit der Agrar GmbH zu bejahen. Denn nach den unbestrittenen Feststellungen des Amtes für Landwirtschaft, Flurneuordnung und Forsten A., die ihren Niederschlag sowohl in der Stellungnahme des ALFF vom 5. 10. 2009 als auch in den Angaben des Zeugen Dr. S. vor dem Landwirtschaftsgericht gefunden haben, hat die Agrar GmbH eine landwirtschaftliche Acker- und Grünlandfläche von 1169,24 ha (842,74 ha Ackerland, 326,50 ha Grünland), von denen 201,42 ha (122,55 ha Acker, 78,87 ha Grünland) im Eigentum der Gesellschaft stehen; das macht einen Eigentumsanteil von 17,2266 % aus. Dieser Eigentumsanteil wird durch den Erwerb der 5,9226 ha – wenn auch nur geringfügig – auf 17,7331 % erhöht. Die Flächen werden für die Versorgung des Vieh­besatzes von 1.272 Stück, davon 414 Rinder und 858 Milchkühe, benötigt.

34           bb) Aufgrund der veränderten Verhältnisse, vor allem in den neuen Ländern, ist auch die Aufstockung des Eigenlandanteils der die Landwirtschaft in der Rechtsform juristischer Personen (in der Regel als Kapitalgesellschaften) betreibenden Unternehmen als eine Maßnahme zur Verbesserung der Agrarstruktur anzuerkennen.

35           Auch die Agrar GmbH „W.“ ist daher aufstockungswürdig. Entgegen der Annahme des Antragstellers kommt es nur darauf an, dass die GmbH als solche Landwirtschaft betreibt, was hier unstreitig der Fall ist; die berufliche Tätigkeit der Gesellschafter ist hingegen nicht entscheidungserheblich. Das ergibt sich bereits aus der Rechtsnatur der GmbH als einer juristischen Person. Sie ist rechtsfähig und als Träger eigener Rechte und Pflichten – also auch der Rechte aus dem Grundstückskaufvertrag – gegenüber ihren Gesellschaftern, die jederzeit wechseln können, verselbständigt. Wenn sich die Aufstockung des Eigenlandanteils des die Landwirtschaft in der Rechtsform einer juristischen Person betreibenden Unternehmens als eine Maßnahme zur Verbesserung der Agrarstruktur darstellt, wie der BGH  annimmt, liegen die günstigen Wirkungen für die Agrarstruktur in der Förderung der landwirtschaftlichen Betätigung dieses Unternehmens und nicht in derjenigen seiner Unternehmensträger. Der Versagungstatbestand des § 9 Abs. 1 Nr. 1 u. Abs. 2 GrdstVG erweist sich als offen; er dient heute nicht mehr nur der Verbesserung der Existenzgrundlage der bäuerlichen Familienbetriebe, so dass es auch unter diesem Gesichtspunkt keines Rückgriffs auf die hinter der Kapitalgesellschaft stehenden Anteilsinhaber bedarf.

36           Der Antragsteller kann auch im Übrigen nichts für seine Auffassung aus dem Beschluss des BGH vom 26. 11. 2010  herleiten. In der dortigen Entscheidung ging es um den – vom BGH selbst als solchen bezeichneten – Ausnahmefall der Betriebsaufspaltung in eine Besitz- sowie eine Betriebsgesellschaft und um die Frage, ob – und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen – die Besitzgesellschaft, die selbst keine Landwirtschaft betreibt, dennoch landwirtschaftliche Grundstücke im Hinblick auf § 9 Abs. 1 GrdstVG erwerben kann. Die Aufstockungsbedürftigkeit der Agrar GmbH im vorliegenden Fall wird davon nicht berührt.

37           d) Durch die Abgabe eines Kaufangebots und den anschließenden Abschluss eines notariellen Kaufvertrages über das streitgegenständliche Grundstück hat die Agrar GmbH „W.“ ihre Bereitschaft zum Flächenerwerb hinreichend eindeutig und sicher zum Ausdruck gebracht.

38           3. Einer Ausübung des Vorkaufsrechts durch die Antragsgegnerin steht schließlich auch nicht, wie der Antragstellervertreter in der mündlichen Verhandlung gemeint hat, § 471 BGB n.?F. entgegen. Nach dieser Vorschrift ist das Vorkaufsrecht allerdings ausgeschlossen, wenn der Verkauf im Wege der Zwangsvollstreckung oder aus einer Insolvenzmasse – wie im vorliegenden Fall – erfolgt. § 471 BGB n.?F. findet aber auf das gesetzliche Vorkaufsrecht nach dem Reichssiedlungsgesetz (RSG) keine Anwendung. Denn gemäß § 8 Abs. 1 S. 1 RSG sind auf das gesetzliche Vorkaufsrecht – nur – § 505 Abs. 2 und die §§ 506 bis 509 BGB a.F. sinngemäß anzuwenden. § 505 Abs. 2 und die §§ 506 bis 509 BGB a.?F. entsprechen nach der Neufassung des Bürgerlichen Gesetzbuchs dem § 464 Abs. 2 und den §§ 465 bis 468 BGB n.?F. (s. Netz, GrdstVG, 5. Aufl., S. 951, Abschn. 10.8.1). Eine Verweisung auf § 512 BGB a.?F., der wörtlich mit dem heutigen § 471 BGB n.?F. übereinstimmt, enthält das Reichssiedlungsgesetz hingegen nicht.

39           4. Der Landkreis hätte die Genehmigung auch nicht – als milderes Mittel gegenüber der Ausübung des Vorkaufsrechts – unter der Auflage erteilen müssen, dass das erworbene Grundstück an einen Landwirt zu verpachten (1. Hilfsantrag) oder zu angemessenen Bedingungen an einen Landwirt zu veräußern (2. Hilfsantrag) sei. Zwar ist die Möglichkeit, derartige Auflagen zu erteilen, in § 10 Abs. 1 Nr. 1 u. 2 GrdstVG ausdrücklich vorgesehen. Mit der Erteilung einer der genannten Auflagen hätte hier jedoch der Versagungsgrund des § 9 Abs. 1 GrdstVG nicht ausgeräumt werden können.

40           a) Die Genehmigungspflicht der Veräußerungs- und der diesen gleichgestellten Geschäfte nach § 2 Abs. 1 u. 2 GrdstVG soll den Eigentumserwerb durch die Betriebe sichern, deren Existenz sich auf die Landwirtschaft gründet. Gemessen daran stellt der Erwerb eines landwirtschaftlichen Grundstücks durch einen Nichtlandwirt selbst dann eine ungesunde Verteilung von Grund und Boden dar, wenn der Erwerber zu einer langfristigen Verpachtung an einen Landwirt bereit ist. Eine Pachtlanderweiterung gibt dem Landwirt keine dem Eigentumserwerb an den bewirtschafteten Flächen vergleichbar sichere Grundlage für langfristige Betriebsdispositionen. Eine Akkumulation landwirtschaftlicher Grundstücke im Eigentum solcher Unternehmen, die nicht selbst Landwirtschaft betreiben, sondern aus der Verpachtung der Flächen an andere Landwirte Gewinn erwirtschaften, liefe den Zielen des Grundstücksverkehrsgesetzes zuwider.

41           b) Nichts anderes gilt auch für die Auflage, das Grundstück an einen anderen Landwirt zu veräußern.

42        Die Veräußerungsauflage ist nicht dazu bestimmt, jeden unerwünschten Erwerb land- oder forstwirtschaftlicher Grundstücke zu ermöglichen. Sonst müsste jede Grundstücksveräußerung, der ein Versagungsgrund entgegensteht, stets unter einer Auflage genehmigt werden. Die Veräußerungsauflage ist vielmehr vorgesehen für Fälle, in denen ein land- oder forstwirtschaftliches Grundstück nicht dauernd beim Erwerber bleiben soll. Gründe dafür, dass der Antragsteller als Käufer hier zumindest vorübergehend Eigentümer des Grundstücks wird, sind jedoch weder von ihm vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.