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Deutscher Bundestag, Antwort der Bundesregierung vom 14. 11. 2012, Drs. 17/11464
(nach der elektronischen Vorabfassung)

Kleine Anfrage der Abgeordneten Friedrich Ostendorff, Cornelia Behm, Harald Ebner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drs. 17/11256 –

Vorbemerkung der Fragesteller

Der Strukturwandel in der Landwirtschaft schreitet voran, es scheint kaum Instrumente zu geben, um den andauernden Verlust landwirtschaftlicher Betriebe und die daraus resultierenden Folgen für die ländlichen Räume zu bremsen. Zwischen 6.000 und 8.000 Bauernhöfe geben jedes Jahr auf, das entspricht einem jährlichen Rückgang von 2 bis 3 Prozent.

Neben dem immer noch dominierenden Prinzip des „Wachse oder Weiche“ spielt auch die ungeklärte oder nicht vorhandene Hofnachfolge eine entscheidende Rolle für die Aufgabe landwirtschaftlicher Betriebe.

Diesen Entwicklungen steht eine wachsende Zahl junger und gut ausgebildeter Menschen gegenüber, die in die Landwirtschaft einsteigen wollen, aber keinen Hof erben. Diesen Existenzgründern stellen sich zahlreiche Hindernisse.

Eine bessere Förderung von Existenz­gründungen in der Landwirtschaft und von außerfamiliärer Hofübergabe kann einen wichtigen Beitrag gegen das Höfesterben und damit gegen die Industrialisierung der Landwirtschaft leisten.

 

1. Wie viele landwirtschaftliche Betriebe in Deutschland haben nach Einschätzung der Bundesregierung ein Hofnachfolge-Problem?

Nach den Ergebnissen der Landwirtschaftszählung 2010 war die Hofnachfolge in 31 Prozent der landwirtschaftlichen Einzelunternehmen mit älterem Betriebsinhaber (45 Jahre und älter) gesichert. In Haupterwerbsbetrieben lag dieser Anteil bei 37 Prozent, und in Haupterwerbsbetrieben, in denen die Hofübergabe aus Altersgründen unmittelbar ansteht (Altersklasse 60 bis 64 Jahren), bei 45 Prozent. In den übrigen Betrieben war die Hofnachfolge noch nicht geregelt.

 

2. Wie beurteilt die Bundesregierung die Folgen der aufgrund fehlender Hofnachfolger zunehmenden Hofaufgabe für die Multifunktionalität der Landwirtschaft und die Entwicklung der ländlichen Räume?

Wirtschaftlich prosperierende Landwirtschaftsbetriebe sind ein wichtiger Faktor für attraktive ländliche Räume und deren Wirtschaftskraft.

Bislang sieht die Bundesregierung keine negativen Auswirkungen auf die Multifunktionalität der Landwirtschaft infolge von Betriebsaufgaben, da insbesondere die Flächen und häufig auch sonstige Produktionsfaktoren von benachbarten Betrieben strukturverbessernd weiter genutzt werden.

 

3. Welche Ansatzpunkte sieht die Bundesregierung, um Betriebe mit Problemen bei der Hofnachfolge zu unterstützen?

In erster Linie liegt es in der Eigenverantwortung des Betriebsinhabers, sich um eine Hofnachfolge zu kümmern und der landwirtschaftlichen Verbände bei der Hofnachfolge Hilfestellung zu geben und dabei auch innovative Wege zu beschreiten.

Grundsätzlich ist die Hofnachfolge vergleichbar mit einer Unternehmensnachfolge in der gewerblichen Wirtschaft oder in den Freien Berufen. Viele Betriebsinhaber unterschätzen jedoch den mit der Nachfolge verbundenen Aufwand und die erforder­liche Vorbereitungszeit, damit der Generationswechsel erfolgreich umgesetzt werden kann. Deshalb hat die Bundesregierung verschiedene Maßnahmen ergriffen, um die Betroffenen frühzeitig für eine Regelung der Nachfolge zu sensibilisieren.

Die Initiative „nexxt-Unternehmensnachfolge“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi) bildet in Kooperation mit Verbänden, Kammern und weiteren Akteuren eine bundesweite Plattform, die umfassende Informationen und Beratungsangebote zur Erleichterung der betrieblichen Nachfolge zur Verfügung stellt. Das Internetportal www.nexxt.org ist ein zentraler Treffpunkt für alle, die Betriebe übergeben oder übernehmen wollen und schließt dabei die Land- und Forstwirtschaft sowie Fischerei ein.

Speziell für die Landwirtschaft hat die Bundesregierung die 2006 veröffentlichte Studie „Förderung von Existenzgründungen in der Landwirtschaft“ mit Forschungsmitteln des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz gefördert. Die Studie enthält wertvolle Erkenntnisse über die komplexen Prozesse einer Hofnachfolge und erachtet Existenzgründungen außerhalb der Erbfolge für sinnvoll, um Arbeitsplätze zu erhalten und teilweise neue zu schaffen. Die Studie war Grundlage für einen 2008 von der Zukunftsstiftung Landwirtschaft in der GLS Treuhand e.V. in Bochum erstellten „Leitfaden für außerfamiliäre Hofübergaben und Existenzgründungen in der Landwirtschaft“, der eine erste praxisnahe Hilfestellung für alle, die sich näher über das Thema Hofabgabe oder -übernahme informieren möchten, bietet.

Entscheidend sind die individuelle Beratung der Beteiligten sowie die Identifizierung von Hemmnissen und deren Lösungsmöglichkeiten im Einzelfall. Dies kann nur vor Ort geleistet werden und liegt – sofern es um die Offizialberatung geht – auch aus verfassungsrechtlichen Gründen in der Zuständigkeit der Länder.

 

4. a) Geht die Bundesregierung davon aus, dass außerfamiliäre Hofnachfolgen eine Option darstellen?

b) Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass ausreichend Wissen über Potenziale und Umsetzung der außerfamiliären Hofnachfolge vorhanden ist, und wenn nein, was will sie daran ändern?

Durch den gesellschaftlichen und strukturellen Wandel stehen nicht für alle Betriebsübergaben qualifizierte Nachfolgerinnen und Nachfolger in der eigenen Familie bereit. Zwar wünschen sich nach wie vor viele Betriebsinhaber die Fortführung innerhalb der eigenen Familie. Wissenschaftliche Studien und Analysen weisen allerdings darauf hin, dass inzwischen weniger als die Hälfte der Unternehmensfolgen innerhalb der Unternehmerfamilien stattfinden.

Die Bundesregierung unterstützt darüber ­hinaus insbesondere mit der Initiative „nexxt“ die landwirtschaftlichen Betriebsinhaber in Bezug auf die verschiedenen Strategien im Hinblick auf eine erfolgreiche Unternehmensnachfolge.

Die in der Antwort zu Frage 3 benannte Studie lässt erkennen, dass der Bedarf an Existenzgründungen außerhalb der Erbfolge zunimmt und für sinnvoll erachtet wird. Als wesentliches Erfordernis wird die Zusammenführung der Akteure, der Übergebenden und der Übernehmenden, angesehen.

 

5. Was sind nach Ansicht der Bundes­regierung wichtige Faktoren, um die Anzahl außerfamiliärer Hofübergaben zu erhöhen?

Die Hofübergabe ist ein komplexer Prozess, der gründlich vorbereitet werden muss. Neben der fachlichen Qualifikation von geeigneten Hofnachfolgerinnen und Nachfolgern sind umfassende Transparenz und Informationen über die wirtschaftliche Situation der Betriebe, deren Rentabilität und vor allem ein realistischer Kaufpreis zentrale Voraussetzungen, um potenzielle Interessenten ansprechen und überzeugen zu können. Darüber hinaus sind das gemeinsame Wollen und gegenseitiges Vertrauen wichtige Schlüsselfaktoren.

 

6. a) Welche konkreten Möglichkeiten sieht die Bundesregierung zur Unterstützung außerfamiliärer Nachfolgen?

b) Welche Instrumente und Maßnahmen können aus dem Bereich der kleinen und mittleren Unternehmen adaptiert werden?

Die im Rahmen der „nexxt“-Initiative seit 2006 vom BMWi gemeinsam mit der KfW Bankengruppe und weiteren Kooperationspartnern eingerichtete Unternehmensnach­folgebörse www.nexxt-change.org steht auch für Nachfolger in der Land- und Forstwirtschaft zur Verfügung. Übergeber bzw. Übernehmer können sich über die entsprechenden Regionalpartner kostenlos mit einem Inserat in der Börse platzieren, wobei ihre Identität vertraulich behandelt wird. Interessenten können nach bestimmten Kriterien, z.?B. Region, Umsatz, Branche, in der Börse suchen. Interessensbekundungen werden durch die Regionalpartner daraufhin überprüft, ob sie zu den Anforderungen des Inserenten passen und ggf. an ihn weiter geleitet. Eine Kontaktaufnahme mit dem Inserenten kann dann direkt oder über den Regionalpartner erfolgen. Aktuell sind rd. 10.000 Inserate, u.a. auch aus der Land- und Forstwirtschaft, veröffentlicht.

Die Offizialberatung der Landwirtschafts­ämter und -kammern in den Ländern sowie die gemeinnützigen Landgesellschaften können hierbei wertvolle Unterstützung leisten. Ein gutes Beispiel sind in diesem Zusammenhang die Hofbörsen der Landgesellschaften.

 

7. Wie hoch ist nach Einschätzung der Bundesregierung das Potenzial an jungen Menschen mit landwirtschaftlicher Ausbildung, aber ohne Hof, die nach Möglichkeiten suchen, sich eine landwirtschaftliche Existenz aufzubauen?

Zu dieser Frage liegen der Bundesregierung keine Informationen vor.

 

8. Was sind nach Ansicht der Bundesregierung die größten Hindernisse, die einer landwirtschaftlichen Existenzgründung im Wege stehen, und welche Ansatzpunkte verfolgt die Bundesregierung, um landwirtschaftliche Existenzgründungen zu unterstützen?

Welche möglichen Unterstützungsmaßnahmen sieht die Bundesregierung im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“, welche außerhalb?

Es wird auf die Antworten zu den Fragen 5 und 6 verwiesen.

Im Rahmen der GAK besteht die Möglichkeit, die Beratung landwirtschaftlicher Unternehmen in Hofnachfolgefragen finanziell zu unterstützen. Die Umsetzung dieser Fördermöglichkeit liegt in der Zuständigkeit der Länder.

Zu den weiteren Unterstützungsmaßnahmen außerhalb der GAK wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen.

9. Wie will die Bundesregierung sicherstellen, dass landwirtschaftliche Existenzgründer ausreichend Zugang zu Zahlungsansprüchen erhalten?

Der Zugang landwirtschaftlicher Existenzgründer zu den Zahlungsansprüchen ist in einem engen Zusammenhang mit dem Zugang zu den landwirtschaftlichen Flächen zu sehen. Wenn ein Existenzgründer landwirtschaftliche Flächen kauft oder pachtet, kann er in der Regel auch entsprechend Zahlungsansprüche erhalten. Denn dem bisherigen Betriebsinhaber, der die Flächen an den Existenzgründer abgibt, bringen diese Zahlungsansprüche ansonsten keinen Nutzen mehr; vielmehr werden Zahlungsansprüche nach zweimaliger Nicht-Nutzung in die nationale Reserve eingezogen. Daher werden Flächen und Zahlungsansprüche oft zusammen übertragen. Wo dies nicht der Fall ist, besteht die Möglichkeit, Zahlungsansprüche auf dem freien Markt zu erwerben. Da Deutschland die Betriebsprämienregelung über ein Regionalmodell umgesetzt hat, wurden in Deutschland für nahezu alle landwirtschaftlichen Flächen Zahlungsansprüche zugewiesen. Infolge des Flächenverbrauchs entsteht tendenziell ein im Zeitablauf zunehmender Überschuss an Zahlungsansprüchen, was auch in einem relativ niedrigen Preis der gehandelten Zahlungsansprüche zum Ausdruck kommt. Insofern sieht die Bundesregierung den ausreichenden Zugang landwirtschaftlicher Existenzgründer zu Zahlungsansprüchen als sichergestellt an.

 

10. Wie will die Bundesregierung sicherstellen, dass landwirtschaftliche Existenzgründer ausreichend Zugang zu Land erhalten?

Der landwirtschaftliche Immobilienmarkt bietet nach Auffassung der Bundesregierung Existenzgründern ausreichend Möglichkeiten, sich landwirtschaftliche Flächen und Betriebsgebäude zu beschaffen. Insofern sieht die Bundesregierung keine speziellen Maßnahmen zum Landzugang für Existenzgründer vor. Es ist nicht die Aufgabe der Bundesregierung Existenzgründern die hierfür notwendigen Produktionsmittel zur Verfügung zu stellen und wäre auch aus Gleichbehandlungsgründen sowie beihilferechtlichen Aspekten nicht zu rechtfertigen.

11. Wie beurteilt die Bundesregierung die Vorschläge der Europäischen Kommission zur Junglandwirteförderung im Rahmen der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik?

Die Europäische Kommission begründet ihren Vorschlag für eine für die Mitgliedstaaten obligatorisch anzuwendende Junglandwirteförderung in der 1. Säule mit der Überalterung der landwirtschaftlichen Betriebsinhaber in der EU. In Deutschland werden die landwirtschaftlichen Betriebe entweder an Hofnachfolger übergeben oder aber die Flächen werden zur Bewirtschaftung an andere aufstockungswillige Betriebe übergeben. Insofern sieht die Bundesregierung keinen Handlungsbedarf für eine obligatorische Regelung auf EU-Ebene. Sie tritt ebenso wie der Bundesrat für eine für die Mitgliedstaaten fakultative Regelung ein. Bei der Anwendung einer Junglandwirteförderung in der 1. Säule müssten zudem die Direktzahlungen aller anderen Betriebsinhaber gekürzt werden. Eine pauschale Förderung im Rahmen der Direktzahlungen ohne Anforderungen an betriebliche Entwicklungsmaßnahmen würde zudem zu erheblichen Mitnahmeeffekten führen.

In der 2. Säule wird in Deutschland keine pauschale Existenzgründungsprämie (Junglandwirteprämie) gewährt. Die Entlastung bei der Versorgung der Altenteiler ist über die Alterssicherung für Landwirte geregelt. Eine Förderung ist in der Regel an Investitionen gebunden und liegt in der Verantwortung der Länder.