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Dr. Willy Boß,
Vorsitzender des Vorstandes des BLG*

Die Instrumente, mit denen wir in der klassischen ländlichen Siedlung gearbeitet haben und die wir in der Flächenaufstockung und Flurneuordnung nach wie vor benutzen, sind aus gutem Grund auf die Sicherung und Schaffung von Eigentum an Grund und Boden in den Händen von Landwirten ausgerichtet.

Diese Form der Agrarstrukturentwicklung wird flankiert vom Ordnungsrecht wie dem Grundstückverkehrs- und Flurbereinigungsgesetz.

Die bestehenden Gesetze – wenn sie qualifiziert und konsequent angewendet werden?–  erfüllen den ihnen zugedachten Zweck im Großen und Ganzen. Die Betonung liegt auf Erfüllung des „zugedachten“ Zwecks.

Der Strukturwandel in der Landwirtschaft, insbesondere nach der Wiedervereinigung Deutschlands, hat aber vor allem in Ostdeutschland zu Rechts- und Eigentumsformen bei landwirtschaftlichen Betrieben und damit mittelbar an Grund und Boden geführt, für die das landwirtschaftliche
Grundstücksrecht nicht gemacht ist.

Beim Vollzug des Bodenrechts in den Genehmigungsinstanzen und gegebenenfalls später bei der rechtlichen Überprüfung der Versagung eines Grundstückkaufs oder der Ausübung des Vorkaufsrechts durch die Gerichte, orientieren sich Behörden und Richter an agrarstrukturpolitischen Aussagen, insbesondere in den Agrarberichten des Bundes.

Vor diesem Hintergrund haben wir mit großem Interesse zur Kenntnis genommen, dass alle Parteien, die hier heute vertreten sind, in ihren Wahlprogrammen wieder etwas ausführlichere Aussagen zu der von ihnen gewünschten Agrarstruktur getroffen haben.

Man kann hoffen, dass in der Folge in den Agrarberichten des Bundes und der Länder wieder intensiver und ausführlicher auf das Thema eingegangen wird, nicht zuletzt, damit die deutschen Gerichte wieder mehr Anhaltspunkte bekommen, an denen sie sich bei der Rechtsprechung orientie­ren können.

Wir hoffen auf eine fruchtbare politische Diskussion über die Fragen der Agrarstrukturentwicklung, gerade auch zu den sensiblen Themen

  • Wem sollen die Agrarflächen gehören (dürfen)?
  • Wieviel Bauernland gehört in Bauernhand?
  • Wie halten wir es mit der Eigentumsstreuung?

 

Dem Vollzug wie auch der Weiterentwicklung des bodenpolitischen Ordnungsrahmens würde man mit einer Zieldiskussion sicherlich wichtige Anstöße geben.

Zur Ausgestaltung des aktuellen Rechtsrahmens haben die Landgesellschaften auf Grundlage eines Gutachtens eine Reihe von Vorschlägen gemacht und in die Öffentlichkeit getragen.

Gemeinnützige Landgesellschaften kaufen, bevorraten und verkaufen Agrarflächen in relativ konstantem jährlichen Umfang. Für unsere revolvierenden Bodenfonds ist Preisstabilität in einem gewissen Rahmen deshalb ein hohes Gut.

Die für uns tätigen Gutachter haben in der Analyse der insbesondere seit 2007 deutlich zu Tage tretenden regional doch sehr unterschiedlichen Pacht- und Bodenpreissteigerungen auch wesentliche „hausgemachte“ Ursachen identifiziert. So etwa die „Anreizwirkungen“ des EEG, die Privatisierungsstrategie für die BVVG-Flächen in den ostdeutschen Bundesländern und die hohe außerlandwirtschaftliche Flächeninanspruchnahme. 

Auch dazu haben wir in allen Parteiprogrammen und in der Koalitionsvereinbarung Aussagen gefunden und hoffen nun auf Ergebnisse in dieser Legislaturperiode.

Zur Reduzierung der außerlandwirtschaftlichen Flächeninanspruchnahme bieten die Landgesellschaften, sei es bei der Innenentwicklung der Gemeinden oder mit innovativen Kompensationsmaßnahmen, brauchbare Lösungen.

Wir haben im vergangenen Jahr eine Reihe von Beispielen und Erfahrungen in die von Staatssekretär Bleser initiierte Plattform „Schutz der natürlichen Ressource Boden – rechtliche Regelungen und Flächenmanagement“ eingebracht. Die Ergebnisse sind in die Novelle des BauGB und in den Entwurf der Bundeskompensationsverordnung eingeflossen. Wir würden es begrüßen, wenn dieser Expertendialog in der nächsten Legislaturperiode fortgesetzt würde und stehen als Gesprächspartner gern zur Verfügung.

Ein weiteres Thema ist die Nutztierhaltung. Bau- und Erweiterung von Ställen stehen im Agrarstrukturwandel synonym für wachsende Spannungen zwischen den unter hohem wirtschaftlichen Druck stehenden Landwirten und der sie umgebenden, sich immer weiter von der Landwirtschaft entfernenden Bevölkerung. Der Konflikt findet seinen Niederschlag auch in der Änderung der Förderung der Landwirtschaft und ländlichen Räumen sowohl auf euro­päischer als auch nationaler Ebene. So haben die Agrarminister von Bund und Ländern im vergangenen Dezember im Planungsausschuss für den Rahmenplan der Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes für die Zeit ab 2014 eine Neuordnung bzw. Priorisierung der Agrarstrukturförderung beschlossen. Damit wurden auch wesentliche Grundlagen für die Schwerpunkte der Förderung in der nächsten EUFörderperiode von 2014 bis 2020 gelegt. Der Klima- und Ressourcenschutz und besonders tierartgerechte Haltungsverfahren bekommen bei der Agrarinvestitionsförderung einen bedeutend höheren Stellenwert. Zu der Frage, ob die Anforderungen mit dem Stand der Forschung, einem belegten Mehrwert für das Tierwohl, der verfügbaren Technik, Akzeptanz, Praxistauglichkeit und Wirtschaftlichkeit in Einklang zu bringen sind, werden wir heute Nachmittag noch hören.

Die Aufzählung der Agrarstrukturentwicklungsmaßnahmen wäre nicht vollständig ohne die Flurneuordnung.

Mit den verschiedenen Verfahrensarten des Flurbereinigungs- und Landwirtschafts­anpassungsgesetzes lassen sich Mehrwerte für die äußere und innere Verkehrslage landwirtschaftlicher Betriebe aber auch für die Gemeinden und den Naturschutz erzielen. Ebenso gilt dies für den ländlichen Wegebau mit seiner längst multifunktionalen Ausrichtung. Dies immer wieder in Erinnerung zu rufen ist u.?a. deshalb wichtig, weil bei steigendem Pachtanteil auch der Anteil an Nichtlandwirten als Grundeigentümer mit eigener Interessenslage steigt.

Wir möchten EU, Bund und Länder mit Nachdruck darin bestärken, weiterhin die Agrarstrukturentwicklung zu fördern. Wichtig ist uns, dass nicht nur ELER- und Mittel der Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes (GAK) in ländliche Räume und damit zur Flankierung des Agrarstrukturwandels fließen. Auch der Europäische Regionalfonds, die Regionale Wirtschaftsförderung, der Sozialfonds und die Bund-Länder-Programme der Städtebauförderung müssen für ländliche Räume angemessene Angebote machen.

Der rund 180 Seiten starke deutsche Entwurf der von der EU geforderten fondsübergreifenden Partnerschaftsvereinbarung überzeugt uns da in Teilen gar nicht. Zu einem integrierten fondsübergreifenden Ansatz passt nicht, dass der Europäische Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) die Breitbandförderung und den ländlichen Wegbau völlig übersieht.

Ich denke, damit ist für die Politikerrunde der Aufschlag zum Punkt GAK-Erweiterung, Kompatibilität mit der GRW und Finanzausstattung und Angebote der Städtebauförderung / Daseinsvorsorge / Demografie für den ländlichen Raum gemacht.

Ländliche Entwicklung verträgt keine (längeren) Auszeiten. Deshalb bereitet sicherlich nicht nur uns Landgesellschaften der Zeitplan der weiteren Umsetzung bis zur Genehmigung der operationellen Programme erhebliche Sorgen. Wir hoffen – hoffentlich nicht vergeblich –, dass die Zeitspanne zwischen Programmgenehmigung, Richtlinien-in-Kraft-treten und Förderstart kurz ist. Übergangsregelungen belassen das Risiko bei den Ländern, die sind deswegen bei Maßnahmenbewilligungen zurückhaltend oder ablehnend. Die Motivation von Akteuren und die Maßnahmenumsetzung befördert dies nicht.

 

Eröffnungsrede zum Fachgespräch des Bundesverbandes der gemeinnützigen Landgesellschaften (BLG) am 11. 12. 2013 in Berlin.