* Fachanwalt für Agrarrecht, Fachanwalt für Arbeitsrecht
auf der Internationalen Grünen Woche 2017 in Berlin
Thema: Bodenkauf trotz Agrarpreiskrise!?
Termin: 24. 1. 2017, 11.00 – 14.00 Uhr
Ort: Messe Berlin, Großer Stern, Raum Hong Kong
Veranstalter: Redaktion agrarmanager und Briefe zum Agrarrecht, dlv Deutscher Landwirtschaftsverlag, www.agrarmanager.com
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RA Guido Dammholz*,
Lüchow/Hansestadt Salzwedel
Nach Abschluss des begünstigten Erwerbs von Flächen der Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH (BVVG) gemäß § 3 Ausgleichsleistungsgesetz (AusglLeistG) bilden aktuell die Direktverkäufe zum Verkehrswert einen Schwerpunkt der Tätigkeit der BVVG. Es handelt sich um den sogenannten Pächter-Direkterwerb gemäß Ziff. 2.2.3 des Privatisierungskonzeptes vom 28. 1. 2010. In diesem Zusammenhang existiert eine Vielzahl juristischer Auseinandersetzungen, die den Inhalt der abzuschließenden Kaufverträge zum Inhalt haben. Die Rechtsprechung hat sich bisher noch nicht explizit mit dem hier besprochenen Problem befasst. Der Aufsatz arbeitet die tatsächlichen und rechtlichen Aspekte der Auseinandersetzungen heraus und stellt die Rechtslage unter Zugrundelegung der Auffassung des Verfassers dar.
Kristallisationspunkt des Konflikts in der Beratungspraxis sind Bestrebungen der BVVG, am wirtschaftlichen Wert zukünftiger Nutzungsänderungen betreffend den Kaufgegenstand zu partizipieren. Dies geschieht, indem die Verträge Klauseln zur Mehrerlösabführung und Rücktrittsrechte vorsehen. Ein Zielkonflikt ist hier vorprogrammiert, weil diese Klauseln vorwiegend zum tragen kommen, wenn der Landwirt die erworbenen Flächen z. B. im Bereich der Erneuerbaren Energien zur Einkommensdiversifizierung nutzen möchte. Zur Veranschaulichung soll folgende Klausel aus der Beratungspraxis dienen:
Errichtung von Anlagen
Werden innerhalb von 10 Jahren nach Abschluss dieses Kaufvertrages (Verpflichtungszeitraum) kaufgegenständliche Flächen ganz oder teilweise als Standort- und/oder Abstandsflächen für die Errichtung von Anlagen für erneuerbare Energien i.S.d § 11 Abs. 2 Baunutzungsverordnung, insbesondere für Windenergieanlagen oder für die Errichtung von Funk-, Sende- oder vergleichbaren Anlagen genutzt oder zur Verfügung gestellt, gilt Folgendes:
Der Käufer verpflichtet sich, an die Verkäuferin einen Betrag i.H.v. 50 % des auf den verbleibenden Verpflichtungszeitraum kapitalisierten Entschädigungsbetrages für die Anlage (ohne Bewirtschafter-/Pächterentschädigungsanteil) zu zahlen, der auf die kaufgegenständlichen Flächen entfällt, mindestens aber 50 % des marktüblichen Entschädigungsbetrages, also des Betrages, der üblicherweise für das Recht zur Errichtung einer vergleichbaren Anlage an vergleichbaren Standorten für einen vergleichbaren Zeitraum errichtet wird.
Gleiches gilt, sofern während des in Abs. 1 genannten Zeitraumes weitere oder leistungsstärkere Anlagen errichtet werden, insbesondere auch an oder auf Baulichkeiten, oder die ursprünglich vorgesehene Nutzungsdauer von Anlagen verlängert wird und daraus eine Erhöhung des ursprünglich ermittelten Entschädigungsbetrages resultiert.
Die Parteien sind sich darüber einig, dass nach der üblichen Entschädigungspraxis dem Bewirtschafter/Pächter der Flächen ein Anteil am Gesamtentschädigungsbetrag zugestanden wird. Dieser Bewirtschafter-/Pächteranteil ist von dem ermittelten Gesamtentschädigungsbetrag abzuziehen. Der danach verbleibende Entschädigungsbetrag ist in dem o.?g. Verhältnis zwischen der Verkäuferin und dem Käufer aufzuteilen. Soweit Flächen für Windenergieanlagen genutzt werden, beträgt der in Abzug zu bringende Bewirtschafter-/Pächteranteil 15 % des Gesamtentschädigungsbetrages.
Der Käufer verpflichtet sich des Weiteren, die Verkäuferin bereits im Vorfeld von derartigen Vorhaben zu unterrichten und ihr unverzüglich die Unterlagen zur Verfügung zu stellen, die für die Feststellung des ihr zustehenden Betrages erforderlich und zweckdienlich sind. Legt der Käufer die Unterlagen nicht vor oder einigen sich die Parteien nicht auf den der Verkäuferin zustehenden Betrag, so ist dieser durch einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen zu bestimmen. Der Sachverständige, der als Schiedsgutachter tätig wird, wird auf Antrag der Verkäuferin durch den Präsidenten der Industrie- und Handelskammer des Belegenheitsortes des Kaufgegenstandes bestimmt. Die Kosten eines solchen Gutachtens tragen die Parteien je zur Hälfte.
Der an die Verkäuferin zu entrichtende Betrag wird einen Monat nach Abschluss des entsprechenden (Nutzungs-?/?Überlassungs-?/?Einbringungsvertrages fällig, spätestens jedoch zum Ende des Monats, in dem mit der Errichtung der Anlage begonnen wird.
Nachbewertung infolge Nutzungsänderung
Die Parteien schließen diesen Vertrag in der gemeinsamen Annahme, dass der Kaufgegenstand binnen eines Zeitraumes von 10 Jahren, beginnend mit der Beurkundung dieses Vertrages, zu landwirtschaftlichen Zwecken genutzt wird.
Wird der Kaufgegenstand innerhalb des in Abs. 1 genannten Zeitraumes ganz oder teilweise einer anderen Nutzung zugeführt, so ist die Verkäuferin berechtigt, insoweit von diesem Vertrag zurückzutreten. Die Verkäuferin ist jedoch berechtigt, anstelle des Rücktritts vom Vertrag eine Nachzahlung auf den Kaufpreis vom Käufer zu verlangen.
Nachzuzahlender Betrag ist die Differenz zwischen dem Verkehrswert des in seiner Nutzungsart geänderten Kaufgegenstandes bzw. des hiervon betroffenen Teiles des Kaufgegenstandes und dem sich aus § 2 ergebenden – ggf. anteiligen – Kaufpreis unter Berücksichtigung der nach den nachfolgenden Regelungen abzusetzenden Beträge. Nachbewertungsstichtag ist der Tag, an dem der Kaufgegenstand bzw. der hiervon betroffene Teil des Kaufgegenstandes einer anderen Nutzung zugeführt wird.
Von dem sich aus vorstehendem Abs. 2 ergebenden Differenzbetrag ist abzusetzen:
a) 5 % des ggf. anteiligen Kaufpreises pro vollendetem Jahr ab dem Stichtag nach § 5 des Vertrages,
b) vom Käufer nachgewiesene Wertsteigerungen des Kaufgegenstandes bzw. des von der Nachbewertung betroffenen Teiles des Kaufgegenstandes, die auf grundstücksbezogenen Aufwendungen beruhen, die durch den Käufer oder auf seine Kosten erbracht worden sind.
aa) Grundstücksbezogene Aufwendungen sind Vermögensaufwendungen, die dem Kaufgegenstand zu Gute kommen, indem sie ihn wiederherstellen, erhalten oder verbessern. Hierunter fallen insbesondere:
– Aufwendungen zur Beseitigung ökologischer Altlasten,
– Aufwendungen zur Vornahme und Durchführung von Erschließungsmaßnahmen.
bb) Keine grundstücksbezogenen Aufwendungen sind
– Aufwendungen, die für oder im Zusammenhang mit dem Erwerb des Kaufgegenstandes getätigt worden sind.
cc) Wertsteigerungen, die der Kaufgegenstand durch eine Veränderung der bauplanungsrechtlichen Situation erfahren hat, sind nicht abzusetzen.
Der hiernach verbleibende Betrag stellt die Nachbewertungsforderung dar. Der Betrag ist vom Käufer an die Verkäuferin nachzuzahlen. Erzielen die Parteien binnen einer Frist von drei Monaten nach Ablauf des Nachbewertungsstichtages keine Einigung über den Verkehrswert des in seiner Nutzungsart geänderten Kaufgegenstandes und/oder über die nach vorstehendem Absatz abzusetzenden Beträge, werden diese durch einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen festgestellt, der auf Antrag der Verkäuferin durch den Präsidenten der Industrie- und Handelskammer des Belegenheitsortes des Kaufgegenstandes bestimmt wird.
Der Sachverständige wird als Schiedsgutachter tätig. Der von ihm ermittelte Betrag ist für beide Parteien verbindlich. Rechte der Parteien nach § 319 Abs. 1 BGB bleiben unberührt. Die Kosten des Sachverständigen trägt der Käufer, sofern sich ein Nachzahlungsanspruch der Verkäuferin ergibt, der ein etwaiges Nachzahlungsangebot des Käufers von der Beauftragung des Sachverständigen übersteigt. Anderenfalls werden sie von der Verkäuferin getragen.
Übersteigt die festgestellte Nachbewertungsforderung den vereinbarten, ggf. anteiligen Kaufpreis um mehr als 25 %, steht dem Käufer hinsichtlich des der Nachbewertung unterliegenden Grundbesitzes das Recht zum Rücktritt von diesem Vertrag zu. Das Rücktrittsrecht kann nur innerhalb von 6 Monaten nach Einigung über den nachzuzahlenden Betrag bzw. nach Zugang des Schiedsgutachtens beim Käufer ausgeübt werden. Der Anspruch der Verkäuferin auf Nachzahlung des sich infolge der Nachbewertung ergebenden Betrages wird mit dem Beginn der Nutzungsänderung fällig. Der nachzuzahlende Betrag ist beginnend mit der Fälligkeit bis zu seinem Eingang auf dem Konto der Verkäuferin mit 7 % p.a. zu verzinsen. Mit Eintritt des Verzuges ist die Verkäuferin berechtigt, statt der Geltendmachung vorstehend genannten Nutzungszinses vom Käufer die Zahlung von Verzugszinsen in Höhe des gesetzlichen Verzugszinssatzes sowie den Ersatz eines weitergehenden Verzugsschadens zu verlangen.
Der Käufer verpflichtet sich, der Verkäuferin unverzüglich sämtliche Umstände mitzuteilen, die eine Nachzahlungsverpflichtung nach den vorstehenden Absätzen auslösen können.
Der in § 2 vereinbarte Kaufpreis ist ein Mindestkaufpreis, so dass dem Käufer keine Zahlungsansprüche gegen die Verkäuferin zustehen, wenn der im Wege der Nachbewertung ermittelte Verkehrswert den vereinbarten Kaufpreis unterschreitet.
Zahlungen haben auf das in § 3 genannte Konto der Verkäuferin zu erfolgen.
Die Verwendung der vorstehenden Klauseln wird seitens der BVVG u.a. mit dem Argument gerechtfertigt, ein Verzicht könne einen Verstoß gegen europarechtliche Beihilfevorschriften implizieren.
1. Gesetzesbindung
Die Frage, welchen Spielraum die BVVG bei der Gestaltung ihrer Kaufverträge hat, beantwortet sich aus den einschlägigen Ermächtigungsgrundlagen der Privatisierung. Als Rechtssubjekt des Verwaltungsprivatrechtes kann sich die BVVG nicht auf die verfassungsrechtlich gewährleistete Vertragsfreiheit berufen. Sie unterliegt dem Gesetz-
esvorrang und dem Gesetzesvorbehalt aus Art. 20 Abs. 3 GG. Hiernach haben parlamentarische Gesetze gegenüber allen anderen staatlichen Rechtsnormen Vorrang und die Verwaltung darf nur auf der Grundlage von Parlamentsgesetzen handeln (Maunz/Dürig, Art. 20 GG, 61. Ergänzungslieferung 2011, Rn. 75). Diese Rechtsbindung des Art. 20 Abs. 3 GG bezieht sich auf alle Handlungsformen der Verwaltung. Im Ergebnis unterliegt die BVVG im Hinblick auf die das Privatisierungsverfahren regelnden Gesetze und Rechtsverordnungen deshalb einem Anwendungsgebot und einem Abweichungsverbot.
2. Anspruchs- und Ermächtigungsgrundlage
Die von der BVVG verwendeten Klauseln sind in Anlehnung an die Zweckbindungsvorschriften im Rahmen des begünstigten Erwerbs gemäß § 3 Ausgleichsleistungsgesetz (AusglLeistG) i.V.m. §§ 2, 11 ff. Flächenerwerbsverordnung (FlErwV) entwickelt worden. Dort waren weitreichende Beschränkungen des Eigentumsrechtes während des Laufs der sogenannten Zweckbindungsfristen aufgrund ausdrücklicher Regelung in den einschlägigen Normen zulässig. Die Wirksamkeit dieser Beschränkungen resultierte aus der Tatsache, dass es sich beim begünstigten Flächenerwerb um ein Förderprogramm zum Aufbau einer leistungsfähigen Land- u. Forstwirtschaft in den Neuen Bundesländern handelte. Es ist anerkannt, dass die Verwaltung als Verordnungsgeber im Rahmen dieser Leistungsverwaltung einen weitreichenden Ermessenspielraum hat (BVerwG GE 6, 282, 287 f.).
Eine Anwendung dieser Vorschriften auf den Pächter-Direkterwerb zur Begründung der Erlösabführungsklauseln ist jedoch unzulässig. Dieses Ergebnis folgt bereits aus dem Wortlaut der Normen und der Tatsache, dass der Landwirt beim Pächter-Direkterwerb den vollen Verkehrswert der Grundstücke zahlt, mithin kein Subventionselement erkennbar ist. Hinzu kommt, dass die Verordnungsermächtigung in § 4 AusglLeistG die Verwaltung lediglich ermächtigt, in einer Rechtsverordnung Regelungen zum begünstigten Erwerb zu treffen. Von dieser Ermächtigung ist mit Erlass der Flächenerwerbsverordnung Gebrauch gemacht worden. Der Verwaltung wäre es mithin auch verwehrt, sich eine entsprechende Ermächtigungsgrundlage in Gestalt einer Rechtsverordnung zu schaffen. Demnach existiert keine gesetzliche und keine verordnungsrechtliche Regelung zur Flächenprivatisierung im Wege des Pächter-Direkterwerbs. Als Anspruchs- und Ermächtigungsgrundlage kann deshalb nur auf die Privatisierungsrichtlinie zurückgegriffen werden. Hierbei handelt es sich um eine gesetzesvertretene Verwaltungsvorschrift. Diese entfaltet Außenwirkung und ist Ermächtigungs- und Anspruchsgrundlage, da sie von der Verwaltung – hier der BVVG als Subjekt des Verwaltungsprivatrechtes - ständig angewendet wird und veröffentlicht wurde. Die kaufwilligen Landwirte können sich hierauf wie auf eine gesetzliche Anspruchsgrundlage berufen.
Aufgrund des Abweichungsverbotes hat die BVVG diese Verwaltungsvorschrift ihrem Wortlaut entsprechend anzuwenden. Nach dem Wortlaut der Ziff. 2.2.3 des Privatisierungskonzeptes haben die Landwirte einen Anspruch auf Ankauf gegen Zahlung des gemäß § 5 FlErwV zu ermittelnden Verkehrswertes. Hiermit korrespondiert ein Anspruch auf Erwerb vollwertigen Eigentums i.?S.?d. § 903 BGB. Die BVVG handelt ohne die erforderliche Ermächtigung und damit rechtwidrig, wenn sie durch entsprechende Vertragsgestaltung die Erwerbspositionen der Käufer verschlechtert. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn eine Nutzungsänderung so unmittelbar bevorsteht, dass überhaupt nicht mehr von einem Verkauf landwirtschaftlicher Nutzflächen gesprochen werden kann. Das Privatisierungskonzept regelt nämlich nur Ansprüche auf Ankauf landwirtschaftlich genutzter Flächen.
Nach der hier vertretenen Auffassung ist es der BVVG verwehrt, im Rahmen des Direkterwerbs eine Verpflichtung zur Mehrerlösabführung bzw. Rücktrittsrechte zum Gegenstand des Kaufvertrages zu machen. Zwar gibt die Privatisierungsrichtlinie den Parteien keinen konkreten Vertragsinhalt vor, der BVVG sind jedoch enge Grenzen gesetzt. Sie kann sich aufgrund der unter Ziff. III. vorgestellten Gesetzesbindung nicht uneingeschränkt auf die Vertragsfreiheit berufen. Potenziellen Käufern ist deshalb zu raten, die Beurkundung der vorbeschriebenen Klauseln abzulehnen.