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OLG Dresden, Beschluss vom 24. 8. 2009 – W XV 1231/08 – AG Oschatz (13. 11. 2008 – XV 0004/08)

Gründe:

I.

1            Die obere Landwirtschaftsbehörde wendet sich mit ihrer sofortigen Beschwerde gegen einen Beschluss des Amtsgerichts Oschatz, Landwirtschaftsgericht, vom 13. 11. 2008, durch den der Bescheid des Staatlichen Amtes für Landwirtschaft und Gartenbau Rötha-Wurzen vom 4. 12. 2007 aufgehoben und festgestellt wurde, dass der am 21. 9./11. 10. 2007 zwischen der Antragstellerin und der X. GmbH geschlossene Landpachtvertrag nicht zu beanstanden ist.

2            Im Juni 2007 schrieb die Antragsteller in der Gemarkung A. gelegene landwirtschaftliche Fläche mit einer Größe von 30,9531 ha zur Verpachtung für die Dauer von fünf Jahren aus. Die X. GmbH gab das höchste Gebot ab und erhielt den Zuschlag.

3            Daraufhin schloss die Antragstellerin mit der X. GmbH am 21. 9./11. 10. 2007 einen Landpachtvertrag für die Dauer von fünf Jahren mit einem jährlichen Pachtzins in Höhe von 13.599,00 €. Dabei wurde für Ackerland ein Pachtzins von 450 €/ha, für Grünland von 229,97 €/ha und für sonstige Flächen von 1,49 €/ha in Ansatz gebracht.

4            Mit Bescheid vom 4. 12. 2007 beanstandete das Staatliche Amt für Landwirtschaft und Gartenbau Rötha-Wurzen den Landpachtvertrag, weil die Pacht nicht in einem angemessenen Verhältnis zu dem Ertrag stehen, der bei ordnungsmäßiger Bewirtschaftung nachhaltig zu erzielen sei (§ 4 Abs. 1 Nr. 3 LPachtVG). Gleichzeitig setzte es den Pachtvertragsparteien eine Frist von zwei Monaten, um den Landpachtvertrag so abzuändern, dass der vertraglich vereinbarte Pachtzins nicht mehr in einem groben Missverhältnis zu dem auf dem verpachteten Grundstück zu erwirtschaftenden Ertrag stehe. Der Bescheid enthielt ferner eine Rechtsbehelfsbelehrung dahingehend, dass die Beteiligten gemäß § 7 Abs. 3 LPachtVG binnen zwei Wochen nach Zustellung des Bescheids Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellen könnten.

5            Mit am 29. 1. 2008 beim Amtsgericht – Landwirtschaftsgericht – Oschatz eingegangenen Anwaltsschriftsatz stellte die Antragstellerin einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung.

6            Die Antragstellerin hat beanstandet, dass der Antragsgegner bei der Ermittlung des Ertrags, der bei ordnungsmäßiger Bewirtschaftung nachhaltig zu erzielen sei, lediglich auf den Deckungsbeitrag und die „flächenbürtigen“ Zahlungsansprüche abgestellt habe. Ferner sei die vom Antragsgegner vorgenommene Kalkulation nicht nachvollziehbar. Die angesetzte Fruchtfolge und das bei den einzelnen Kulturen angenommene Ertragsniveau würden nicht offengelegt. Zu den zu berücksichtigenden Kostenansätzen erfolgten keinerlei Angaben. Die Richtigkeit des durch den Antragsgegner in Ansatz gebrachte Deckungsbeitrag von 684,00 €/ha könne daher nicht überprüft werden.

7            Die Antragstellerin hat ihrerseits ein Privatgutachten des Sachverständigen W. vorgelegt, der zu dem Ergebnis gelangt, dass die Pächterin – die Beteiligte zur 4. (X. GmbH, d. Red.) – durch die Flächenzupacht einen Gewinn von 267,00 €/ha erwirtschafte.

8            Das Amtsgericht Oschatz – Landwirtschaftsgericht – hat den Bescheid des Staatlichen Amtes für Landwirtschaft und Gartenbau Rötha-Wurzen vom 4. 12. 2007 aufgehoben und festgestellt, dass der am 21. 9./11. 10. 2007 zwischen der Antragstellerin und der X. GmbH geschlossene Landpachtvertrag nicht zu beanstanden sei. Zur Begründung verweist das Landwirtschaftsgericht darauf, dass der Antragsgegner den bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung nachhaltig zu erzielenden Pachtpreis nicht entsprechend den Vorgaben des Bundesgerichtshofs ermittelt habe, die dieser in seinem Beschluss vom 20. 11. 1996 – BLw 48/95 – im Einzelnen dargelegt habe. Ferner sei nicht davon auszugehen, dass der vereinbarte Pachtzins untragbar hoch sei. Bei der X. GmbH handele es sich um ein kaufmännisches Unternehmen. Dieses habe sein Pachtangebot im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung gemacht. Es sei daher davon auszugehen, dass die X. GmbH ihre wirtschaftlichen Gewinnmöglichkeiten zuvor geprüft habe. Für die Wirtschaftlichkeit der Flächenzupacht spreche schließlich auch das von der Antragstellerin vorgelegte Gutachten des Dr. B. Dieser sei zu dem eindeutigen Ergebnis gekommen, dass die Flächenzupacht für die W. GmbH wirtschaftlich sinnvoll sei.

9            Gegen den dem Antragsgegner am 22. 11. 2008 zugestellten Beschluss des Amtsgerichts Oschatz vom 13. 11. 2008 wendet sich die Beteiligte zu 3. (obere Landwirtschaftsbehörde, d. Red.) mit ihrer am 8. 12. 2008 beim Landwirtschaftssenat des Oberlandesgerichts Dresden eingegangenen sofortigen Beschwerde.

10           Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, das Amtsgericht habe nicht ausreichend berücksichtigt, dass es bei der Entscheidung des Bundesgerichtshofs, auf die sich das Gericht bei seiner Entscheidung bezogen habe, um einen Antrag auf Erhöhung des Pachtzinses im Rahmen einer privaten Landpachtstreitigkeit gehandelt habe. Zwar nehme die Entscheidung dabei auf die Maßstäbe zur Beurteilung des Pachtzinses nach dem LPachtVG Bezug. Im öffentlichen Recht des LPachtVG sei aber zusätzlich zur Bewertung des vereinbarten Pachtzinses auch eine Betrachtung der Auswirkungen desselben auf die Agrarstruktur erforderlich. Analog der Grundsätze des Grundstücksverkehrsgesetzes müsse es um die Sicherung der Leistungsfähigkeit landwirtschaftlicher Unternehmen in ihrer Gesamtheit gehen. Die Sicherung der Leistungsfähigkeit landwirtschaftlicher Unternehmen sei „die auch dem LPachtVG zugrunde liegende agrarstrukturelle Maßnahme“. Dieser agrarstrukturellen Maßnahme diene u.a. auch die Abwehr der Gefahr einer betriebswirtschaftlich nicht mehr zu rechtfertigenden Erhöhung des allgemeinen Niveaus des landwirtschaftlichen Pachtzinses. Bei der Frage, ob der vereinbarte Pachtzins zum Schutz der Agrarstruktur zu beanstanden ist, müsse berücksichtigt werden, dass „nach durchschnittlichen Maßstäben betrachtete landwirtschaftliche Unternehmen der betreffenden Region“ nicht über die bei der hiesigen Pächterin vorliegenden betriebswirtschaftlichen Grundlagen verfügen würden. Insbesondere übersteige der nicht bodenbürtige Teil der zugewiesenen Zahlungsansprüche den durchschnittlich üblichen Betrag um ein Vielfaches. Damit bestehe bei dem durch die hiesige Pächterin vereinbarten Pachtzins durchaus die Gefahr einer Beeinflussung der Agrarstruktur dahingehend, dass andere, durchschnittlich ausgestattete landwirtschaftliche Unternehmen, von einem Auftreten am Pachtmarkt ausgeschlossen werden.

11           Die Beschwerdeführerin beantragt, den Beschluss des Amtsgerichts Oschatz – Landwirtschaftsgericht – vom 13. 1. 2008 – XV 0004/08 – aufzuheben und den Antrag der Beteiligten zu 1. auf gerichtliche Entscheidung zurückzuweisen.

12           Die Beteiligte zu 1. beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

13           Die Beteiligte zu 1. meint, dass sie nach den Vorgaben der Europäischen Kommission gehalten sei, die Verpachtung landwirtschaftlicher Grundstücke öffentlich auszuschreiben und damit die Erzielung eines marktgerechten Preises zu gewährleisten. Die Auffassung der Beschwerdeführerin, die Beteiligte zu 1. habe es in der Hand, den Zuschlag nicht zum höchsten Gebot zu erteilen, sondern sie müsse sich an einem „durchschnittlichen“ Pacht? oder Kaufinteressenten orientieren, würde das öffentliche Bieterverfahren ad absurdum führen. Im Rahmen eines öffentlichen Ausschreibungsverfahrens entfalle zudem von vornherein die innere Rechtfertigung, das Höchstgebot unter dem Blickwinkel des § 4 Abs. 1 Nr. 3 LPachtVG zu überprüfen. § 4 Abs. 1 Nr. 3 LPachtVG bilde lediglich einen unselbständigen Versagungsgrund, der nicht eingreife, wenn durch die Verpachtung ungünstige Auswirkungen auf die Agrarstruktur nicht zu erwarten seien. Solche ungünstigen Auswirkungen seien aber von vornherein ausgeschlossen, wenn der Pachtvertrag auf der Grundlage eines bedingungsfreien Bieterverfahrens abgeschlossen worden sei, bei dem der Pächter das höchste Gebot abgegeben und deshalb zwingend den Zuschlag erhalten habe. Unter diesen Umständen sei die Beanstandung des Pachtvertrages als Versuch zu sehen, die Entwicklung von angemessenen Marktpreisen zu verzögern und damit den Markt zu lenken.

 

II.

14           Die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 3. ist zwar zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg

15           1. Gegen die in der Hauptsache erlassenen Beschlüsse des Amtsgerichts findet gemäß § 22ff LwVG die sofortige Beschwerde an das Oberlandesgericht statt. Die Frist für die Einlegung einer sofortigen Beschwerde, die gemäß § 22 Abs. 1 LwVG i.V.m. § 22 FGG zwei Wochen ab Bekanntmachung gegenüber dem Beschwerdeführer beträgt, ist eingehalten. Gemäß § 32 Abs. 2 Satz 2 LwVG ist die der zuständigen Behörde – hier: der Beteiligte zu 2. – übergeordnete Behörde – hier: die Beschwerdeführerin – berechtigt, gegen eine gerichtliche Entscheidung des Amtsgerichts die sofortige Beschwerde zu erheben. Erhebt sie eine solche Beschwerde, so gilt sie nach § 32 Abs. 2 Satz 3 LwVG als Beteiligte.

16           2. Die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 3. ist aber unbegründet. Das Amtsgericht hat den Bescheid des Staatlichen Amtes für Landwirtschaft und Gartenbau Rötha-Wurzen vom 14. 12. 2007 zu Recht aufgehoben und mit zutreffender Begründung festgestellt, dass der am 21. 9. 2007 zwischen der Antragstellerin und der X. GmbH geschlossene Landpachtvertrag nicht zu beanstanden ist.

17           Der Senat für Landwirtschaftssachen beim Bundesgerichtshof hat in der Entscheidung vom 29. 11. 1996 (BLw 48/95, NJW 1066 ff. = NL?BzAR 1997, 188 ff.) die Kriterien, die bei der Prüfung nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 LPachtVG maßgeblich sind, klar umrissen. Der Einwand der Beschwerdeführerin, die vom Bundesgerichtshof zugrunde gelegten Maßstäbe für den Prüfungsrahmen nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 LPachtVG könnten im vorliegenden Fall nur eingeschränkt herangezogen werden, kann nicht überzeugen. Zwar ist es richtig, dass es in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall im Ausgangspunkt um einen Antrag auf Erhöhung des Pachtzinses im Rahmen einer privaten Landpachtstreitigkeit ging. Der Bundesgerichtshof hat aber ausdrücklich betont, dass eine Beanstandung nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 LPachtVG grundsätzlich im Zusammenhang mit dem Schutz der Agrarstruktur stehen und durch sie gerechtfertigt sein muss. Der Schutz der Agrarstruktur habe aber vorrangig die Leistungsfähigkeit der einzelnen Betriebe und nicht die einzelnen Grundstücke im Auge. Eine allein auf das Pachtobjekt bezogene Betrachtungsweise auf der Grundlage einer bestimmten Bewirtschaftungsform werde diesem Ziel nicht gerecht. Abzustellen sei vielmehr darauf, ob die Anpachtung für den gesamten Betrieb des Pächters einen betriebswirtschaftlichen Nutzen erbringe, d.h. ob aus einer Gesamtschau aller betriebswirtschaftlichen Faktoren der Pachtzins untragbar hoch ist oder nicht. Insoweit könnten dann zum Beispiel die Erlangung steuerlicher Vorteile durch den Betrieb durch Zupacht, die bessere Ausnutzung vorhandener Maschinenkapazitäten oder die Vorhaltung von zugepachtetem Land zur Aufbringung der im Betrieb anfallenden Gülle oder von Festmist Bedeutung gewinnen. Entscheidend seien alle Umstände des Einzelfalls (BGH a.a.O., S. 1068; ebenso Fassbender/Hötzel/Lukanow, Landpachtrecht, 3. Aufl., § 4 Rdnr. 81 ff.).

18           Die durch den Beteiligten zu 2. und die Beschwerdeführerin vertretene Sichtweise wird diesen Anforderungen nicht gerecht. Nach deren Auffassung soll die Höhe des Pachtzinses, der für die Beurteilung der Angemessenheit nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 LPachtVG maßgeblich sein soll, letztlich danach zu bestimmen sein, was ein nach durchschnittlichen Maßstäben zu betrachtendes landwirtschaftliches Unternehmen der betreffenden Region auf einer landwirtschaftlichen Nutzfläche, welche der jeweiligen Pachtfläche vergleichbar ist, durchschnittlich an Ertrag erwirtschaften kann. Besonderheiten auf Pächterseite, welche aus dessen Sicht im Einzelfall die Zahlung eines höheren Pachtzinses als wirtschaftlich sinnvoll erscheinen lassen, sollen dagegen außer Betracht bleiben. Dies widerspricht aber klar der durch den Bundesgerichtshof vertretenen Ansicht, wonach sämtliche Umstände des Einzelfalles auf Seiten des konkreten Pächters zu berücksichtigen sein sollen.

19           Die Beschwerdeführerin behauptet im Übrigen nicht, dass der Pachtvertrag unter Berücksichtigung des vereinbaren Pachtzinses für die Beteiligte zu 4. als Pächterin bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung wirtschaftlich nicht sinnvoll ist und ihr keinen finanziellen Gewinn verschafft. Bei dieser Sachlage war der Senat auch bei Beachtung des Amtsermittlungsgrundsatzes nicht gehalten, ein Gutachten zu der Frage einzuholen, ob der vereinbarte Pachtzins unter Berücksichtigung der maßgeblichen Faktoren tatsächlich in einem angemessenen Verhältnis zu dem durch die Beteiligte zu 4. erwirtschafteten Ertrag steht.