Homepage | Site Map | Impressum | Anzeigenpreise | AGB | Kontakt

 

RA Guido Dammholz*, Salzwedel

Anmerkungen zu weitere Entscheidungen

Vorbemerkung

Die erste Welle der begünstigten Verkäufe von ehemals volkseigenen Flächen nach Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz (EALG) durch die bundeseigene BVVG Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH bis 2010 zog eine Reihe von Klagen nach sich. Es handelte sich dabei vor allem um Auseinandersetzungen zu den von der BVVG gewählten Preisgrundlagen bzw. zu der vereinbarten Preisanpassungsklausel.

Die notariellen Kaufverträge sahen die Möglichkeit einer gerichtlichen Überprüfung der erfolgten Kaufpreisbildung und -höhe vor.1 Das führte zu ganz grundsätzlichen Auseinandersetzungen zur Art und Weise der Wertbestimmung für den von der BVVG zu verkaufenden Boden. Was bei den begünstigten Verkäufen Bodens nach Ausgleichsleitungsgesetz (AusglLeistG) in Verbindung mit der Flächenerwerbsverordnung (FlErwV) bereits zur Diskussion stand setzte sich dann bei den Direktverkäufen an die Pächter von BVVG-Flächen fort.2 Auf andere damit im Zusammenhang stehende Fragen wie die Zweckbindungsfristen3 soll hier gar nicht weiter eingegangen werden.

Kompliziert wurde die Wertfindung durch  die Notwendigkeit, die beihilferechtlichen Regelungen der EU einhalten zu müssen und durch die besonderen Anforderungen der Wertermittlung, die mit den „normalen“ Regeln nur schwer in Übereinstimmung zu bringen waren. Die BVVG wählte einerseits ein eigenes Wertermittlungssystem, das Vergleichspreissystem (VPS) und die Bodenpreise in Ostdeutschland gingen (und gehen) andererseits auch durch die Ausschreibung von BVVG-Flächen und die dominierende Rolle von Ausschreibungsergebnissen bei der Festlegung der Preise des Direkterwerbes steil nach oben.

Aus dieser Sicht geht es bei den hier besprochenen Urteilen um den Nachklang tiefer gehender Auseinandersetzungen.

Urteilsanmerkung

Verjährungsvorschriften für die Geltendmachung eines Anspruchs auf Kaufpreisrückzahlung

Das Urteil des Landgerichtes Berlin vom 24. 10. 2012 (105 O 60/12) betrifft die Frage, welche Verjährungsvorschriften für die Geltendmachung eines Anspruchs auf Kaufpreisrückzahlung gelten. Der Kläger schloss mit der BVVG am 28. 10. 2008 einen Vertrag im Rahmen des begünstigten Flächenerwerbs nach Ausgleichsleistungsgesetz (AusglLeistG) in Verbindung mit der Flächenerwerbsverordnung (FlErwV).

Da bereits während der Vertragsverhandlungen Unstimmigkeiten zwischen den Parteien wegen der Berechnung der Kaufpreishöhe bestanden, verständigte man sich auf die Beurkundung einer Kaufpreisanpassungsklausel. Mit einer am 18. 6. 2012 bei Gericht eingereichten Klage verlangte der Kläger unter Berufung auf die Kaufpreisanpassungsklausel von der BVVG einen Teil des gezahlten Kaufpreises zurück. Das Landgericht entschied, dass aus der Kaufpreisanpassungsklausel einen Anspruch im Sinne des § 194 Abs. 1 BGB folge, welcher der Verjährung unterliegt.

Die Verjährungsfrist für diesen Anspruch betrage gem. § 195 BGB drei Jahre. Die 10-jährige Verjährungsfrist gem. § 196 BGB komme nicht zum Tragen, da der Kaufpreisanpassungsanspruch des Klägers nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis mit dem Anspruch auf Übertragung des Eigentums stehe. Im Ergebnis wurde die Klage deshalb aufgrund der von der Beklagten erhobenen Einrede der Verjährung abgewiesen.

Verzinsung von Ansprüchen auf Kaufpreisrückzahlung

Mit einem am 11. 12. 2012 verkündeten Urteil hat das Landgericht Berlin (27 O 498/11) entschieden, dass Rückzahlungsansprüche von Landwirten im Zusammenhang mit dem begünstigen Flächenerwerb mit 8 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu verzinsen sind.

Die BVVG hatte in den gerichtlichen Verfahren bisher die Auffassung vertreten, der Zinsanspruch betrage lediglich  5 %-Punkte über Basiszins. Es handele sich bei dem Anspruch um eine Entgeltforderung im Sinne des § 288 Abs. 2 BGB, da diese Vorschrift auf den bereicherungsrechtlichen Rückzahlungsanspruch Anwendung finde.

Ohne vereinbarte Kaufpreis­anpassungsklausel kein Rückzahlungsanspruch

Das Urteil des Landgerichtes Berlin vom 15. 8. 2012 (8 O 7/12) betrifft die Frage, ob auch ohne Vereinbarung einer sog. Kaufpreisanpassungsklausel im begünstigten Flächenerwerb ein Rückzahlungsanspruch bei fehlerhafter Kaufpreisberechnung besteht. Im Ergebnis verneint das Landgericht Berlin dies im vorliegenden Fall.

Die Parteien des streitigen Kaufvertrages hatten in der notarielle Urkunde vom 9. 7. 2008 nicht die von den berufsständischen Verbänden empfohlene Kaufpreisanpassungsklausel sondern folgende, von der BVVG vorgeschlagene Regelung aufgenommen:

  1. Der Käufer erwirbt mit diesem Vertrag landwirtschaftliche Flächen auf der Grundlage des § 3 AusglLeistG i.V.m. der FlErwV. Käufer und Verkäuferin sind sich darüber einig, dass der Verkehrswert für die vertragsgegenständlichen  landwirtschaftlichen Flächen nicht nach § 5 Abs. 1 S.2 Flächenerwerbsverordnung anhand der im Bundesanzeiger veröffentlichten regionalen Wertansätze bestimmt werden kann, da tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die regionalen Wertansätze als Ermittlungsgrundlage für die Bestimmung des Verkehrswertes ungeeignet sind.
  2. Die Parteien haben daher übereinstimmend vereinbart, für die Berechnung des Kaufpreises Ausgangswerte als Verkehrswerte festzulegen, die aus anderen vergleichbaren Verkäufen in der Region abgeleitet wurden. Die so ermittelten Verkehrswerte wurden als Grundlage für die Kaufpreisbestimmung nach dem Ausgleichsleistungsgesetz für die vertragsgegenständlichen landwirtschaftlichen Flächen verwendet und entsprechend der im Bundesanzeiger veröffentlichten Formel an die tatsächliche Bonität der vertragsgegenständlichen landwirtschaftlichen Flächen angepasst.
  3. Abweichend von der Regelung des § 5 Abs. 1 S. 4 Flächenerwerbsverordnung verzichten die Parteien ausdrücklich darauf, den Verkehrswert durch die Verkehrswertgutachten des nach § 192 Baugesetzbuches eingereichten und behördlich zuständigen Gutachterausschuss ermitteln zu lassen und erkennen die auf der vorstehenden Grundlage ermittelten Verkehrswerte als für beide Parteien bindend an.“

 

Das Landgericht Berlin stufte diese Vereinbarung als wirksam ein. Die Klausel beinhalte keine unangemessene Benachteiligung des Klägers gem. § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB. Die Klausel verstößt auch nicht gegen ein gesetzliches Verbot gem. § 134 BGB, da § 5 Abs. 1 FlErwV alter Fassung eine Einigung über den Verkehrswert zwischen den Parteien gerade nicht verbiete. Der Vertrag sei auch nicht wegen des Verstoßes gegen die guten Sitten (§ 138 BGB) oder wegen Anfechtung aufgrund widerrechtlicher Drohungen oder arglistiger Täuschung nichtig. Zudem könne sich der Kläger auch nicht deshalb auf die Verletzung des Gleichheitssatzes berufen, weil in den Verträgen anderer Erwerber eine Kaufpreisanpassungsklausel aufgenommen wurde.

Die gleiche Rechtsauffassung vertrat auch die 9. Kammer des Landgerichtes Berlin in einem am 18. 7. 2012 verkündeten Urteils (9 O 10/12).

Schiedsgutachten ist verbindlich

Dem am 27. 2. 2013 verkündeten Urteil des Landgerichtes Berlin (28 O 327/12) lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ein Landwirtschaftsunternehmen schloss mit der BVVG im Jahr 2009 einen notariellen Grundstückskaufvertrag im Rahmen des begünstigten Flächenerwerbs. Aufgrund bestehender Unstimmigkeiten im Zusammenhang mit der Kaufpreisermittlung der BVVG vereinbarte man im Kaufvertrag, dass die Parteien einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen mit der Verkehrswertermittlung beauftragen. Weiter wurde vereinbart, dass sich der zunächst beurkundete Kaufpreis entsprechend des Ergebnisses des Gutachtens reduziert bzw. erhöht. Der von der BVVG beauftragte Sachverständige stellte sodann fest, dass der Kaufpreis um 251.131,10 € überhöht war. Die BVVG verweigerte jedoch die Rückzahlung dieses Betrages. Sie argumentierte, das Sachverständigengutachten sei offenbar unrichtig und deshalb nicht verbindlich. Dieser Auffassung erteilte das Landgericht Berlin eine Absage. Die Parteien des Kaufvertrages hätten vorliegend einen wirksamen Schiedsgutachtervertrag geschlossen. Das Schiedsgutachten des Sachverständigen sei für das Gericht deshalb bindend. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn das Gutachten offensichtliche Unrichtigkeiten enthalte, § 319 Abs. 1 S. 1 BGB analog. Anhaltspunkte hierfür gebe es jedoch nicht.

Verpachtungspraxis in Sachsen-Anhalt zum Teil rechtswidrig

In einem am 14. 2. 2013 verkündeten Berufungsurteil hat das Kammergericht Berlin (20 U 154/12) – abgedruckt in diesem Heft auf S. 170 f – die Verpachtungspraxis der BVVG in Sachsen-Anhalt zum Teil für rechtwidrig erklärt. Geklagte hatte ein LPG-Nachfolgeunternehmen in der Rechtsform einer eingetragenen Genossenschaft. Der Landwirtschaftsbetrieb beantragte bei der BVVG zunächst den Abschluss eines 9-jährigen Anschlusspachtvertrages gem. Ziff. 2.2.4 b) der Privatisierungsgrundsätze. Neben dem Anspruch auf Pächter-Direkterwerb (Ziff. 2.2.3) besteht nach Ziff. 2.2.4 b) des Privatisierungskonzeptes auch die Möglichkeit, einen Anschlusspachtvertrag für die Dauer von 9 Jahren unter Verzicht auf den Direkterwerbsanspruch zu beantragen. Die BVVG verweigerte den Abschluss des Vertrages mit der Begründung, das landwirtschaftliche Unternehmen habe nicht nachgewiesen, dass es eine ordnungsgemäße Vermögensauseinandersetzung der LPG, aus der es hervorgegangen ist, durchgeführt hat. Zur Begründung bezog sich die BVVG auf die Anlage I der Privatisierungsgrundsätze. In dieser Anlage wird für Sachsen-Anhalt und Sachsen als weitere Voraussetzungen für den Erwerb von BVVG-Flächen u. a. gefordert, dass die Landwirtschaftsbetriebe eine Erklärung der zuständigen Landesbehörde über die ordnungsgemäße Durchführung der Vermögensauseinandersetzung (§§ 44 ff. LwAnpG) beibringen. Die Anlage I ist auf Betreiben der Bundesländer Sachsen-Anhalt und Sachsen in das Privatisierungskonzept aufgenommen worden. In den Bundesländern Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Thüringen hingegen gelten diese zusätzlichen Hürden für die Landwirtschaftsbetriebe bei der Flächenvergabe nicht. Das Kammergericht entschied, dass der Nachweis einer ordnungsgemäßen Vermögensauseinandersetzung nicht Voraussetzung für den Anspruch auf Abschluss eines Pachtvertrages sei. Die in den Ländern Sachsen-Anhalt und Sachsen geltende Anlage I der Privatisierungsgrundsätze sei, wenn überhaupt, nur auf den Pächter-Direkterwerb abwendbar.  Dem LPG-Nachfolgeunternehmen wurde im Ergebnis ein Anspruch auf Abschluss des Pachtvertrages zuerkannt. Das Land Sachsen-Anhalt war dem Rechtsstreit auf Seiten der BVVG beigetreten.  Derzeit ist das Urteil  noch nicht rechtskräftig. Da das Kammergericht die Revision zum Bundesgerichtshof nicht zugelassen hat, bestehen allerdings gute Aussichten, dass das Urteil rechtskräftig wird.

Im Ergebnis eröffnet die Entscheidung für alle LPG-Rechtsnachfolger in Sachsen-Anhalt und in Sachsen, die die weiteren Anspruchsvoraussetzungen für den Abschluss des 9-jährigen Pachtvertrages erfüllen, neue Handlungsmöglichkeiten. Sind die Flächen noch nicht an Dritte verkauft oder verpachtet, kann der Anspruch auf Abschluss des Pachtvertrages gegebenenfalls gerichtlich geltend gemacht werden. Sind die Flächen anderweitig vergeben, nachdem die BVVG den Abschluss des Pachtvertrages verweigert hat, sollte man über die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen nachdenken.

________________________________

  1. Eine solche Kaufpreisanpassungsklausel finden Sie z. B. im Urteil des KG Berlin v. 26. 8. 2010 – 22 U 202/09 , NL-BzAR 2011, 27 f.
  2. Stellvertretend für die umfangreiche Literatur, jeweils mit weiteren Nachweisen: R. Neixler, Mehr Rechtssicherheit für Verkehrswertermittlung bei Flächenverkäufen der BVVG, NL-BzAR 2011, 11 ff; R. Neixler, Mehr Rechtssicherheit für Verkehrswertermittlung bei Flächenverkäufen der BVVG, NL-BzAR 2011, 11 ff; M. Köhne, Nochmals: Zur Wertermittlung beim Verkauf landwirtschaftlicher Flächen durch die BVVG, NL-BzAR 2011, 135 ff; W. Kleiber, Veräußerung landwirtschaftlicher Flächen durch die BVVG, NL-BzAR 2012, 438 ff.
  3. Siehe z.B.: G. Dammholz, Berechnung der Zweckbindungsfristen in EALG-Kaufverträgen nach dem 2. Flächenerwerbsänderungsgesetz, NL-BzAR 2011, 105 ff.