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KG Berlin, Urteil vom 14. 2. 2013 – 20 U 154/12 –
LG Berlin vom 19. 4. 2012 – 12 O 255/11

Gründe:

   I.

1            Auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils wird Bezug genommen.

2            Die Klägerin pachtete von der BVVG Flächen für den landwirtschaftlichen Gebrauch. Sie wollte die Flächen käuflich erwerben, kann jedoch hierfür die geforderte Erklärung zur ordnungsgemäßen Vermögensauseinandersetzung nicht vorlegen.

3            Sie möchte nun das Angebot der BVVG vom 6. 10. 2009, über die Flächen einen neuen Pachtvertrag auf 9 Jahre abzuschließen, annehmen, sieht sich aber daran gehindert, weil die BVVG dafür mit Schreiben vom 9. 7. 2010 eine Vorlage einer Bescheinigung nach § 44 ff. LwAnpG verlangt, die die Klägerin nicht erbringen kann.

4            Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und dies damit begründet, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Abschluss des neuen neunjährigen Pachtvertrages mangels Anspruchsgrundlage. Die Klägerin rügt, das Landgericht habe sich mit ihrer rechtlichen Argumentation nicht auseinandergesetzt.

5            Sie beantragte zunächst, das angefochtene Urteil des LG Berlin vom 19. 4. 2012 (Geschäftsnummer 12 O 255/11) abzuändern und festzustellen, dass eine Erklärung der zuständigen Landesbehörde über die ordnungsgemäße Durchführung der Vermögensauseinandersetzung (§§ 44 ff. LwAnpG) zwischen der Klägerin und den Mitgliedern bzw. ehemaligen Mitgliedern der LPG, aus deren Umstrukturierung die Klägerin hervorging, nicht Tatbestandsvoraussetzung eines 9-jährigen Pachtvertrages gemäß Ziffer 2.2.4 des Privatisierungskonzepts der Beklagten ist. Auf Hinweis des Senates, dass dieser Antrag mangels feststellbaren Rechtsverhältnisses unzulässig ist, beantragt sie nunmehr, festzustellen, dass die Klägerin einen Anspruch auf Abschluss eines neunjähigen Pachtvertrages hat.

6            Die Beklagte und die Streithelferin beantragen Zurückweisung der Berufung. Die Beklagten verteidigen das Urteil.

 

   II.

7            Nach der als sachdienlich zu erachtenden Klageänderung war das landgerichtliche Urteil abzuändern, da die Klägerin ein Feststellungsinteresse an der beantragten Feststellung besitzt und ihr der festzustellende Anspruch zusteht.

8            Voraussetzung einer zulässigen Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO ist Antrag auf Bestehen oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, rechtliches Interesse und Subsidiarität zur Leistungsklage.

9 Die Klägerin besitzt ein rechtliches Interesse an der Klärung der Rechtslage betreffend die von ihr gepachteten Flächen; das Landgericht ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass die Beklagte, eine 100%ige Tochter des BMF, einem Feststellungstitel Folge leisten wird, so dass sich Ausführungen zur Subsidiarität der Leistungsklage hier erübrigen.

10           Nach der Klageänderung klagt die Klägerin nunmehr auch auf Feststellung eines Bestehens oder Nicht-Bestehens eines Rechtsverhältnisses. Zuvor wollte sie eine abstrakte Rechtsfrage geklärt haben, die Vorfrage dafür ist, ob von der Beklagten ein Vertrag mit ihr abgeschlossen werden muss, was der Feststellungsklage nicht zugänglich ist (allg. Meinung, vgl. nur Musielak, ZPO­Kommentar, § 256 Rn. 2).

11           Die Klageänderung auf den Hinweis des Senats war sachdienlich und ermöglicht eine Entscheidung auf bereits erfolgtem Vortrag, §§ 263, 533 ZPO.

12           Der Klägerin steht entgegen der Ansicht des Landgerichts ein Anspruch auf Abschluss des neunjährigen Folgevertrages aus § 242 BGB (Selbstbindung der Verwaltung) zu.

13           Schließlich hat unstreitig die Beklagte der Klägerin den Abschluss eines Vertrages nach 2.2.4 der Privatisierungsrichtlinien abgebeten. Da nach Auffassung des Senats die Voraussetzungen der Richtlinien erfüllt sind, muss die Beklagte entsprechend den Folgevertrag abschließen.

14           Anders als das Landgericht meint, ist nach Auffassung des Senats nicht Voraussetzung eines neuen neunjährigen Pachtvertrages nach 2.2.4 Ziffer b der Richtlinien die Vorlage einer Bescheinigung nach §§ 44 ff. LwAnpG.

15           Ein solches folgt gerade nicht aus den Richtlinien: Die Richtlinie differenziert zwischen den Voraussetzungen für den Direkterwerb und den Voraussetzungen für eine Pachtverlängerung. Die Anlage 1 der Richtlinie wollte eindeutig den Direkterwerb in Sachsen-Anhalt von einer solchen Bescheinigung abhängig machen. Um den Direkterwerb geht es aber bei der Verlängerungsoption der Ziffer 2.2.4 b nicht, auch nicht implizit. 2.2.4 gewährt den Inhabern langjähriger Pachtverträge die Option, einen neuen Pachtvertrag abzuschließen, entweder auf 9 Jahre unter Verlust des Direktkaufrechts, oder auf 4 Jahre unter Beibehaltung des Direktkaufrechts. 2.2.4 modifiziert aber die Voraussetzungen des Direktkaufrechts in keiner Weise, so dass für den vorliegenden Fall dahinstehen kann, ob für eine Ausübung des Direktkaufrechts nach Verlängerungsoption Ziffer a (4 Jahre und Erhalt des Kaufrechts) die Voraussetzungen nach nach 2.2.3 bzw. der hierzu bestehenden Anlage 1 vorliegen müssen. Die Frage der Verfassungsgemäßheit der Anforderungen aus 2.2.3 bzw. Anlage 1 sind für den vorliegenden Fall ohne Belang, da es gerade nicht um eine Fallgestaltung geht, in der noch ein Direktkauf im Raume steht. Die vom Landgericht und der Beklagten konstruierte „Umgehungsgefahr“ besteht bei korrektem Verständnis der Richtlinie gerade nicht: Ein Direktverkauf nach 4 weiteren Pachtjahren unterliegt denselben Voraussetzungen wie ein Direktverkauf ohne Pachtverlängerung. In Fällen wie den vorliegenden, in denen der langjährige Pächter überhaupt kein Direktkaufrecht mehr geltend macht, weil er die Option mit Verlust des Kaufrechts wählt, können demnach die für einen Direktkauf erforderlichen Unterlagen nicht gefordert werden. Falls die Beklagte mit den Richtlinien eine solche Erweiterung des Geltungsbereichs von 2.2.3 auch für die Verlängerungsoption gewollt haben sollte, gehen diese Unklarheiten zu ihren Lasten.

16            Dass die Beklagte selbst im Vorfeld des Rechtsstreits eine vergleichbare Auffassung gehabt hat, ergibt sich für den Senat bereits aus der Tatsache, dass sie, obwohl sie wusste, dass die Klägerin einen Kaufversuch getätigt hatte und die dafür notwendige Bescheinigung nicht vorlegen konnte, ihr trotzdem (!) das Angebot zur Vertragsverlängerung gemäß Ziffer 2.2.4 gemacht hat. Da der Senat davon ausgeht, dass die Beklagte sich als vollständig im Bundesbesitz befindliche Gesellschaft rechtstreu verhält und der Klägerin keine Angebote macht, von denen sie weiß, dass diese gar nicht angenommen werden können, weil die rechtlichen Voraussetzungen fehlen, kann das Verhalten der Beklagten nur dahin verstanden werden, dass sie zumindest zum Zeitpunkt des Angebotes selbst davon ausging, dass es für die Pachtverlängerung (anders als für den Direktkauf) keine Bescheinigung nach §§ 44 ff. LwAnpG bedurfte.

17            Einer Revisionszulassung bedurfte es nicht; abweichende Rechtsprechung der Oberlandesge­richte zur Auslegung der Richtlinie, die eine Klärung durch den BGH erforderlich machen würde, ist nicht erkennbar.