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Redaktionelle Anmerkungen vor allem zum BGH-Beschluss vom 25. 4. 2014 – BLw 5/13

Der Landwirtschaftssenat des Bundesgerichtshofes hat sich in letzter Zeit mehrfach mit grundsätzlichen Fragen der Anwendung des Grundstück-verkehrsgesetztes (GrdstVG) beschäftigt. Verwiesen sei in diesem Zusammenhang neben den drei Beschlüssen in diesem Heft (BLw 5/13, S. 274, BLw2/13, S. 278 und BLw 7/13, S. 281) nur auf die Fragestellung an den EuGH, ob EU-Recht den nationalen Regelungen zur Verbesserung der Agrarstruktur entgegenstehe, (BLw 2/12, Heft 3/2014, S. 104)1 oder auf das grundsätzliche Urteil zum besonders groben Miss-
verhältnis bei Grundstückskaufverträgen nach § 138 Abs. 1 BGB (V ZR 249/12, Heft 5/2014, S. 197). Diese Häufung hängt natürlich mit der besonderen Bedeutung zusammen, die das Verhältnis von Agrarstruktur und Bodenerwerb angesichts hoher Flächennachfrage und enorm gestiegener Bodenpreise haben. Zu diesen generellen, die Aufmerksamkeit erregenden Tatsachen kommen noch ganz neue – zumindest in dieser Häufung zuvor nicht vorhandene – „Fragesteller“ hinzu: die BVVG als großer Flächenverkäufer im Auftrag des Bundes, Verkäufe über Ausschreibungen und im „Direkterwerb“, nichtlandwirtschaftliche Investoren, unsichere Finanzmärkte und ein tiefes Zinstal sowie ganz neue juristische Organisationsformen der Landwirtschaft, insbesondere im Zusammenhang mit dem „Erbe“ aus DDR-Zeiten, aber zunehmend auch durch nichtlandwirtschaftliche Investments.2

Zahlreiche Versammlungen, Foren und politische wie wissenschaftliche Veranstaltungen wanden sich in letzter Zeit der Frage zu, wie auf die Entwicklung der Agrarstruktur gezielt Einfluss genommen werden kann (oder ob das überhaupt möglich und erforderlich ist). In einer Reihe von Bundesländern sind Arbeitsgruppen beauftragt Möglichkeiten zu prüfen und Lösungen vorzuschlagen.3 Das wird dazu führen, dass die Entscheidungen aus Karlsruhe besondere Aufmerksamkeit erfahren.

Recht im Einzelfall und
generelle Lehren

Sieht man sich den Beschluss BLw 5/13 vom 25. 4. 2014 genauer an, dann hat die BVVG zwar im konkreten Fall obsiegt, die Richter des BGH-Landwirtschaftssenats haben dem Privatisierer – der im Auftrag des Bundes handelt, selbst aber nicht Teil des Bundes ist – einiges zum  Nachdenken mit auf den Weg gegeben.

Grundaussage des Beschlusses ist: Die Genehmigung zur Veräußerung der Flächen durch die BVVG war nicht zu versagen (RNr. 5, 6). Nochmals wird aber darauf hingewiesen, dass die BVVG für ihre Verkäufe einer Genehmigung nach § 2 Abs. 1 GrdstVG bedarf (RNr. 8). Das wiederlegt auch der Beschluss BLw 2/13 (S.?278) nicht. Hier handelt es sich bei der Beteiligten an einer Erbengemeinschaft nicht um die BVVG sondern um eine direkt zum Bund gehörende Anstalt.

Zum einen kommt eine Versagung nicht in Betracht, wenn die Genehmigungsbehörde den Vertrag, obwohl das Vorkaufsrecht nach dem Reichssiedlungsrecht hätte ausgeübt werden können, dem Siedlungsunternehmen nicht vorlegt. (LS 1, RNr. 6)

Zum anderen kann grundsätzlich – so die Richter – der Verkauf an einen Landwirt nicht der Verbesserung der Agrarstruktur widersprechen oder gar zu einer ungesunden Verteilung des Bodens führen (RNr. 7). Darüber hinaus ergab die Prüfung der Einwendungen (sie kommen bei einem Landwirt nur in Ausnahmefällen in Betracht) eines überhöhten Kaufpreises oder der räumlichen Entfernung des Hofes (RNr. 10) oder der Absicht, die Fläche nicht selbst zu bewirtschaften sondern an einen Landwirt vor Ort zu verpachten (RNr. 22), keinen Grund für die Verweigerung einer Genehmigung des Vertrages.

Interessant ist einerseits die Begründung dafür, dass der Preis, den in ähnlicher Höhe auch andere Landwirte zu zahlen bereit seien, nicht überhöht sein kann – diese können nämlich rechnen und wirtschaftlich kalkulieren. (LS 2, RNr. 7, 28). Das trifft immer dann zu, wenn es bei BVVG-Ausschreibungen kein einzelnes, hervorstechendes Gebot sondern mehrere Gebote (von Landwirten) in ähnlicher Höhe gibt.

Aber: Die von der BVVG immer wieder vorgebrachte Ablehnung eines innerlandwirtschaftlichen Verkehrswertes als nicht mehr zeitgemäß, lehnt wiederum der BGH strikt ab.

Der Landwirtschaftssenat hält den Einwand der BVVG, „die Rechtsprechung zur Bestimmung eines innerlandwirtschaftlichen Verkehrswert sei überholt, jedenfalls aber auf die neuen Länder nicht ohne weiteres übertragbar“, für unbegründet. Das Grundstückverkehrsgesetz sei „bundeseinheitlich anzuwenden und den besonderen Marktverhältnissen in den neuen Ländern auf sachverständiger Ebene bei der Ermittlung des innerlandwirtschaftlichen Verkehrswertes (ist) Rechnung zu tragen“. Die Vorschrift des § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrdstVG „soll Erschwerungen des zur Verbesserung der Agrarstruktur erforderlichen Landerwerbs durch interessierte Land- und Forstwirte infolge überhöhter Preise verhindern“. Die Anwendung der Vorschrift auch auf die im Bieterverfahren erzielten Preise entspreche dem Zweck des Versagungsgrundes. Der Senat meint, es würde der Verbesserung der Agrarstruktur wiedersprechen, wenn die BVVG „als größte Anbieterin solcher Flächen in den neuen Ländern bei Ihren Verkäufen Preise durchsetzen könnte, welche die landwirtschaftlichen Betriebe mit Anschaffungskosten für den Grunderwerb belasteten, die ihren Bestand oder ihre Wirtschaftlichkeit bedrohten.“ (RNr. 18)

Überhöhter Preis und Nachteil
für die Agrarstruktur

Mit dem Versagungsgrund nach § 9 Abs.1 Nr.?3 soll „verhindert werden, dass durch Veräußerung zu überhöhten Preisen Nachteile für die Agrarstruktur eintreten“ (RNr.?22). Danach komme es nicht darauf an, ob der Erwerber mit dem hohen Preis das Grundstück selbst bewirtschaften wolle. Es gehe dem Zweck der Regelung darum, dass erstens eine weitere landwirtschaftliche Nutzung erfolge und dass zweitens der „vereinbarte Kaufpreis aus dem Betriebsertrag eines Berufslandwirts erwirtschaftet werden muss.“ Beides muss zutreffen, damit die Existenz des Betriebes des Erwerbers nicht gefährdet wird.

Umstrittene Auffassung

Die BGH-Richter weisen nun darauf hin, dass die Oberlandesgerichte bei der Frage, ob der Versagungsgrund nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 wegen der Existenzgefährdung des Landwirtschaftsbetriebes des Erwerbers entfällt, wenn dieser Vollerwerbslandwirt ist, unterschiedliche Auffassungen vertreten.

Die einen meinen, es sei grundsätzlich Sache des erwerbenden Landwirts zu beurteilen ob der angebotene Preis für ihn und seinen Betrieb sinnvoll ist (RNr. 24). Die Behörden hätten sich da nicht einzumischen. Die anderen vertreten die Auffassung, dass eine Prüfung „die Gesamtheit der Landwirte“ berücksichtigen müsse, denn: Überpreise heben den Durchschnittspreis und gefährden finanzschwache Landwirte und laufen so Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur entgegen.

Beides ist nach Auffassung des BGH in seiner Allgemeinheit nicht richtig (RNr. 26). Der Versagungsgrund verfolge „gesamtwirtschaftliche und soziale Zwecke“ und sei auf die Gesamtheit der Landwirte bezogen. Überhöhte Preise haben Auswirkungen auf die Agrarstruktur (RNr. 27). Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der einen solchen Preis zu zahlen bereite Erwerber Landwirt ist. Im vorliegenden Fall – und darin liegt ein gewisser Widerspruch – komme es auf den überhhten Preis nicht an, weil „Berufslandwirte keine aus dem Betriebsertrag nicht zu erwirtschaftenden Kaufpreisangebote abzugeben pflegen“. Deshalb sei die „Annahme begründet, dass der nach dem Bieterverfahren bestimmte Preis nicht überhöht ist.“ (RNr. 28) Hier dürfte die Annahme zwar begründet sein, aber nicht immer zutreffen. (K. Böhme)

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Quellen:

  1. Siehe auch: L. Schramm,  Nochmals: Zu den Versagungsgründen nach § 9 GrdstVG, BzAR 5/2014, S. 184 ff. m.w.N.
  2. Siehe: L. Schramm, Th. Hahn, Wie mit dem Grundstückverkehrsgesetz umgehen?,  Bodenmakt 6, S. 32 ff. m.w.N.
  3. Siehe z.?B.: Bericht der Arbeitsgruppe Bodenmarkt Brandenburg, BzAR 6/2014, S. 232 ff.; Wirksamer Schutz vor Bodenspekulation in Niesersachsen gesucht, BzAR 7/2014, S. 267; weitere Hinweise in Boden­makt 6, S.34, FN 7 u. 8.