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RA Hubert Becker, Hildesheim*
RA Andreas Dehne, Eltze (Leine)*

Die Zahlungsansprüche, die aufgrund der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der Europäischen Union (EU) in der Umsetzung in Deutschland erstmals den wirtschaftenden Landwirten und Agrarförderantragstellern im Jahr 2005 zugeteilt wurden, sind ohne besondere vertragliche Regelungen in Pachtverträgen bei Pachtende vom Pächter der landwirtschaftlichen Nutzflächen nicht an den Verpächter herauszugeben. Dem Pächter stehen nicht nur die während seiner Pachtzeit an ihn jährlich gezahlten Betriebsprämien zu. Vielmehr stehen dem Pächter auch bei Beendigung des Landpachtvertrages die Zahlungsansprüche zu, also die handelbaren Rechte, die zum Erhalt der Betriebsprämie erst berechtigen, wenn der Zahlungsanspruch mit einer entsprechenden beihilfefähigen Fläche aktiviert wird. Das hat der Landwirtschaftssenat des Bundesgerichtshofes in fünf im Wesentlichen gleichlautenden Entscheidungen gleichen Datums entschieden, vgl. BGH, Urteil vom 24. 11. 2006, LwZR 1/06, NL-BzAR 2007, 48 ff. = RdL 2007, 94 ff. (Leitsatzentscheidung).1

Den fünf Entscheidungen des BGH lagen Sachverhalte zugrunde, in denen es keine pachtvertraglichen besonderen Vereinbarungen gab. Die Verpächter stützten sich schwerpunktmäßig auf § 596 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 586 Abs. 1 BGB. Nach diesen Vorschriften müssen Pächter während der Laufzeit alles tun, um die Pachtsache in einem vertragsgemäßen Zustand zu halten. Bei Pachtende ist die Pachtsache in dem Zustand zurückzugeben, der einer bis zur Rückgabe fortgesetzten ordnungsgemäßen Bewirtschaftung entspricht. Der BGH hat in der oben zitierten Leitsatzentscheidung ausgeführt, dass diese Vorschriften nicht auf die nach den Art. 43 ff. der VO (EG) Nr. 1782/2003 den Pächtern zugewiesenen Zahlungsansprüche, die Ansprüche auf Beihilfen zur Stärkung der Einkommenssituation des Betriebsinhabers begründen, anzuwenden sind.2

Der BGH hat das damit begründet, dass die Zahlungsansprüche anders als die Milchquoten und Rübenlieferrechte, die die Produktion bestimmter Güter lenken sollen, von der konkreten landwirtschaftlichen Nutzung entkoppelt sind (Rdziff. 16 der Entscheidung).

Kurz vor und nach dieser Entscheidung wurde die Auffassung vertreten, dass sämtliche Pachtvertragsregelungen, die den Pächter bei Pachtende zur Herausgabe der Zahlungsansprüche verpflichten, unwirksam seien. Dabei beschäftigte sich die Rechtsprechung zunächst mit Pachtvertragsklauseln, die vor dem Bekanntmachen der Agrarreform zwischen den Pachtvertragsparteien vereinbart waren, sogenannte Altpachtvertragsklauseln.

Das OLG Naumburg entschied mit Urteil vom 31. 8. 2006, NL-BzAR 2007, 164 ff. noch vor dem BGH zur Auslegung einer Herausgabeklausel eines Altpachtvertrages. Die sehr weitreichende Klausel des Pachtvertrages stammte aus einem in Nord- und Ostdeutschland sehr häufig verwendeten Formularpachtvertrag und regelte die Rückgabe nicht nur der Flächen, sondern bezog die Rückgabe auch auf alle mit den Pachtflächen verbundenen Rechte. Zugleich wurde die Verpflichtung auch auf alle öffentlich-rechtlichen und privaten, vom Pächter selbst während der Pachtzeit erworbenen Liefer- und Abnahmerechte, Preisgarantien, Renten, Prämien u. a. erstreckt, die auf die landwirtschaftliche Bewirtschaftung des Pachtgegenstandes zurückgingen.3 Das OLG Naumburg wies die Klage des Verpächters auf Herausgabe der Zahlungsansprüche bei Pachtende ab und begründete dies damit, die bei Pachtvertragsabschluss noch nicht bekannte Neuregelung zu den Zahlungsansprüchen, insbesondere die Entkopplung der Agrarförderung von der Fläche durch Schaffung eines völlig neuartigen, eigenständigen und nicht mehr flächenakzessorischen Zahlungsanspruchs, könne gar nicht von den Vorstellungen der Parteien bei Vertragsschluss und damit von den pachtvertraglichen Regelungen umfasst gewesen sein. Es sei daher eine Regelungslücke gegeben und eine ergänzende Vertragsauslegung sei nicht möglich, weil die Parteien genau entgegengesetzte Interessen hätten, so dass eine vermittelnde Position nicht möglich sei. Das OLG Naumburg ließ die Revision zwar zu, sie wurde aber nicht eingelegt und das Urteil wurde rechtskräftig.

Erst in seiner Entscheidung vom 24. 4. 2009 zum Az. Lw ZR 11/08 beschäftigte sich der Landwirtschaftssenat des BGH erstmalig mit der Frage der grundsätzlichen Möglichkeit, durch pachtvertragliche Klauseln Verpflichtungen des Pächters auf Herausgabe der Zahlungsansprüche bei Pachtende wirksam festzulegen, vgl. NL-BzAR 2009, 371 ff. = RdL 2009, 207 ff.

Dem Rechtsstreit lag eine vertragliche Rückgabeklausel aus dem November 2001 zugrunde. Es ging um einen Betriebspachtvertrag. Nach den Regelungen dieses ausführlichen schriftlichen Vertrages sollte der Pächter zu Pachtbeginn alle tatsächlichen und rechtlichen Bestandteile des Betriebes erhalten, einschließlich Prämien- und Förderansprüchen. Die Parteien verpflichteten sich wechselseitig, alles dafür zu tun, dass während der Pachtzeit der Pächter die Vorteile auch in agrarförderrechtlicher Hinsicht ziehen konnte, nach dem Ende der Pachtzeit aber der Verpächter mit dem Betrieb insgesamt auch die Förderansprüche zurückerhalten sollte. Das beinhaltete auch die Verpflichtung des Pächters, Willenserklärungen auch gegenüber Dritten, hier den Agrarförder­behörden abzugeben, um die Herausgabepflicht möglich zu machen.

Das Amtsgericht Meldorf und das OLG Schleswig hatten in den Vorinstanzen noch  zugunsten des Pächters entschieden und sowohl die unmittelbare Anwendung der Regelungen des Vertrages als auch eine ergänzende Vertragsauslegung ausgeschlossen, weil bei Vertragsschluss nicht mit einer Entkopplung der künftigen Prämienansprüche gerechnet werden könne, vgl. Rdziff. 51 der Entscheidung des OLG Schleswig, AUR 2009, 267 = OLGR Schleswig 2008, 903 ff.

Dem erteilte die BGH-Entscheidung vom 24. 4. 2009 eine deutliche Absage. Der BGH gab dem Verpächter Recht. Die Veränderung des Systems der landwirtschaftlichen Beihilfen von den produktionsbezogenen Prämien hin zu den von der Bewirtschaftung entkoppelten Zahlungsansprüchen schließt es nach Auffassung des BGH nicht aus, bereits in Altpachtverträgen getroffene Regelungen zur Aufrechterhaltung der Position des Verpächters einer ergänzenden Vertragsauslegung zu unterziehen. Damit widersprach der BGH nicht nur dem OLG Schleswig in der Vorinstanz und dem OLG Naumburg, a.a.O., sondern auch einer Entscheidung des OLG Celle. Das OLG Celle ließ in einem vergleichbaren Fall einer altpachtvertraglichen Regelung eine vertragsergänzende Auslegung auch deswegen nicht zu, weil Unklarheiten in Bezug auf die betriebsindividuellen Anteile der streitigen Zahlungsansprüche bestanden haben sollen, vgl. NL-BzAR 2007, 290 ff. = RdL 2007, 212 ff. = AUR 2007, 364 ff. mit ablehnender Anmerkung von Jeinsen, AUR 2007, 366.

Der BGH rügt das „Denkverbot“ der zitierten obergerichtlichen Entscheidungen, wonach alte pachtvertragliche Regelungen gar nicht so verstanden werden können, dass sie auf zukünftige Änderungen der Agrarförderung, insbesondere die Zuteilung von Zahlungsansprüchen, angewendet werden können. Eine solche Auffassung verstößt nach Auffassung des BGH sowohl gegen gesetzliche als auch gegen allgemein anerkannte Auslegungsgrundsätze. Für die Auslegung von Vereinbarungen sei der erklärte Wille der Parteien und nicht der später durch eine gesetzliche Änderung abgewandelte Zweck der Beihilfe maßgebend. Alte vertragliche Vereinbarungen seien nicht so auszulegen, dass sie sich möglichst stimmig in spätere gesetzliche Veränderungen einfügen. Vielmehr seien die vertraglichen Vereinbarungen aus sich heraus und damit aus den Interessen der Parteien zu verstehen. Insbesondere führt der BGH zutreffend aus, dass es keine gesetzlichen Verbote gebe, nach Bekanntwerden der Reform Herausgabeansprüche der Verpächter zu vereinbaren.4 Infolgedessen müssten auch Altpachtverträge darauf überprüfbar sein, ob sie nach dem objektivierten Willen der Parteien eine so umfassende Regelung enthalten, dass sie Veränderungen bereits vorwegnehmen und mit regeln wollen.

Das war im konkreten Fall nach Auffassung des BGH hier zu bejahen.

Dem ist bei so eindeutigen Regelungen, die hier im Betriebspachtvertrag enthalten waren, ohne weiteres zuzustimmen. Der BGH weist zutreffend darauf hin, dass der durch Auslegung zu ermittelnde Vertragswille auch dann zu berücksichtigen ist, wenn die Parteien bei Vertragabschluss den Inhalt künftiger Gesetzesänderungen nicht vorhersehen konnten und gleichwohl Verpflichtungen begründeten, die auch bei Änderungen der dem Vertragsabschluss zugrunde liegenden Gesetzeslage Bestand haben sollten, vgl. Rdziff. 20 des Urteils mit weiteren Nachweisen aus der Literatur.

Diese Entscheidung des BGH wird dazu führen, dass auch in Zukunft, bei der Rückgabe von langjährig bewirtschafteten und gepachteten Flächen die Pachtverträge im Einzelfall genau zu prüfen sein wird, ob in ihrer ursprünglichen Fassung oder in späteren Änderungen eindeutige oder auslegbare Vereinbarungen getroffen wurden, die den Pächter verpflichten, dem Verpächter oder dem vom Verpächter ausgesuchten Nachfolgepächter die Zahlungsansprüche unentgeltlich zu übertragen.5 In der Beratungspraxis finden sich bei Abwicklung von Landpachtverträgen drei Fallgruppen:

  • a) Ein eindeutiger Altpachtvertrag liegt vor, in dem die Parteien lediglich allgemeine Regelungen zu Agrarförderprämien und -rechten getroffen haben, ohne die konkreten nicht unkomplizierten zukünftigen Regelungen zu den Zahlungsverpflichtungen einbeziehen zu können.
  • b) Individuelle oder Formularklauseln, die nach Bekanntwerden der ersten Reformbestrebungen verfasst wurden und in denen die Begriffe, insbesondere Zahlungsanspruch und Betriebsprämie, teilweise fehlerhaft oder gar nicht verwandt wurden, sondern lediglich Umschreibungen aufweisen. Hier sind häufig Ergänzungsverträge zu bereits bestehenden Pachtverhältnissen getroffen worden.
  • c) Neuere pachtvertragliche Regelungen, die nach Inkrafttreten der Reform entwickelt wurden. Hier waren beide Vertragsteile in aller Regel voll über die Rechtsentwicklung und den Marktwert der Zahlungsansprüche6 informiert.

 

In den ersten beiden Fallgruppen kann es nur individuelle Entscheidungen geben. Die Klausel ist genauestens zu prüfen, zunächst von den beratenden Juristen, sodann im Streitfall von den Landwirtschaftsgerichten, wenn sich keine Einigung finden lässt.

In der dritten Fallgruppe sind die Zahlungsansprüche regelmäßig herauszugeben. Das gilt auch dann, wenn allgemeine Geschäftsbedingungen vorliegen, vgl. hier nur jüngst das Urteil des OLG Naumburg vom 26. 11. 2009 zum Aktenzeichen 2 U 90/09 (Lw) NL-BzAR 2010, 152. Hier lag dem Vertrag eine Klausel der BVVG als Verpächterin zugrunde.

Bei der Rückabwicklung von gescheiterten Kaufverträgen, bei denen der Käufer und vorübergehende Besitzer bereits Zahlungsansprüche erhalten hat, später aber die Flächen wieder herausgeben muss, kann es dazu kommen, dass die Zahlungsansprüche beim Käufer verbleiben, vgl. hierzu die jüngste Entscheidung des BGH vom 22. 1. 2010, V ZR 170/08, NL-BzAR 2010, 150 ff.

Ausblick

Die nächste Agrarreform steht vor der Tür und wird 2013 in Kraft treten. Nach den bisherigen Erfahrungen seit der Einführung der Direktzahlungen (single payments) mit der Agrarreform 1993 ist mit Sicherheit zu erwarten, dass es wie bei allen Reformen seitdem weitreichende Änderungen geben wird. Ob und inwieweit die Zahlungsansprüche oder aufgrund der Inhaberschaft von Zahlungsansprüchen in zukünftigen Jahren zugeteilte neue Rechte dann noch wirtschaftlich Bedeutung haben, ist nicht zu beantworten. Viel spricht aber dafür. Das deutsche System der Zahlungsansprüche wird innerhalb der EU als Vorbild für eine europaweite einheitliche Regelung gehandelt, die auch die neuen Mitgliedstaaten in Osteuropa mit einschließen wird. Ebenso wie das Bundesverfassungsgericht die Ungleichheit der Regionen in Deutschland nur bis zur nächsten Reform als gerechtfertigt angesehen hat,7 hat auch der EuGH die niedrigere Förderung in den neuen Mitgliedstaaten bis 2013 als gerechtfertigt erachtet8.

 

 

  1. Auch der EuGH hat jüngst eine Verpflichtung der Pächter zur Herausgabe der Zahlungsansprüche bei Pachtende aus dem System der spezifischen europäischen Regelungen heraus ebenso verneint, wie aus allgemeinen europäischen Grundsätzen, z. B. dem Verbot ungerechtfertigter Bereicherung, Urteil vom 21. 1. 2010, C-470/08, NL-BzAR 2010, 110.
  2. Diese Verordnung ist mit Wirkung zum 1. 1. 2009 durch die VO (EG) 73/2009 abgelöst worden.  Die Regelungen zur ­ursprünglichen Zuteilung der Zahlungsansprüche sind nur teilweise übernommen worden.
  3. Bekanntlich wurden die Zahlungsansprüche des deutschen Systems aufgrund des Besitzes der Flächen am 15. 5. 2005 (bzw. 17. 5. 2005) zugeteilt, allgemeine Meinung, siehe Schmitte, AUR 2005, 80, (82).
  4. Bekanntlich sind Zahlungsansprüche in jeder Art und Weise übertragbar, wenn auch nur an andere Betriebsinhaber, also Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebes mit einer EU-Betriebsnummer und damit mit einem eigenen „Konto“ bei der Zentralen-InVeKoS-Datenbank.
  5. Zahlungsansprüche sind auch und gerade im Wege der Zwangsvollstreckung pfändbar, vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 23. 10. 2008, VII ZB 92/07, NL-BzAR, 2009, 28 = RdL 2009, 52 = AUR 2009,28, wobei die Einschränkung des Beschlusses, wonach dies nur einem Gläubiger möglich sein soll, der über genügend eigene Flächen in der jeweiligen Region verfüge, falsch ist und nicht aus dem System der Agrarförderregelungen abgeleitet werden kann. Jeder Landwirt kann in jeder Region Zahlungsansprüche erwerben und veräußern, jedenfalls auf Dauer. Einschränkungen sind nur bei Verpachtung von Zahlungsansprüchen zu beachten.
  6. Dieser wird regional und mit Schwankungen über das Jahr mit etwa 1,3?–?1,5 des Jahresbetrages der zu erzielenden Betriebsprämien gehandelt, mit besonderen Zuschlägen für die eventuell vorhandenen Betriebsindividuellen Ergänzungsbeträge (sog. BIB), die untrennbarer Bestandteil der jeweiligen Zahlungsansprüche sind.
  7. BVerfG, 1 BvF 4/05, Antragsteller war das Saarland.
  8. EuGH, C-27377/04, Antragsteller war Polen.