* Fachanwalt für Verwaltungsrecht
Rechtsanwälte Partnergesellschaft Redeker, Sellner, Dahs
www.redeker.de
auf der Internationalen Grünen Woche 2017 in Berlin
Thema: Bodenkauf trotz Agrarpreiskrise!?
Termin: 24. 1. 2017, 11.00 – 14.00 Uhr
Ort: Messe Berlin, Großer Stern, Raum Hong Kong
Veranstalter: Redaktion agrarmanager und Briefe zum Agrarrecht, dlv Deutscher Landwirtschaftsverlag, www.agrarmanager.com
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RA Dr. Michael Winkelmüller, Bonn*
Am 15. Mai steht alljährlich der Termin an, bis zu dem die Landwirte EU-Direktzahlungen beantragen können. Die Direktzahlungen oder Betriebsprämien sind das Kernstück der gemeinsamen Agrarpolitik. Dabei ist die GAP ständig in Bewegung. Die GAP wurde 2003/2004 reformiert. Um das neue System trotz der EU-Osterweiterung finanzierbar zu halten und wegen des GATT-Welthandelsabkommens Drittländern leichteren Marktzugang zu gewähren, wurden die Direktzahlungen von der Produktion schrittweise entkoppelt. Neben das Ziel, das Einkommen der Landwirte zu stützen, wurden gleichrangig die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege gestellt: Gefördert wird jetzt auch die „Offenhaltung der Kulturlandschaft“, durch die Grünlandstandorte besser gefördert werden sollen. Mit den „anderweitigen Verpflichtungen“ (Cross Compliance oder kurz „CC“) hielten Natur- und Umweltschutz verstärkt Einzug
in die Landwirtschaft. Die Agrarausgaben der GAP ruhen seitdem auf zwei Säulen: In der I. Säule werden individuelle Einkommensstützungsregelungen für Betriebsinhaber gewährt, vor allem in Form der „Betriebsprämie“, aber auch in der Form von Übergangsregelungen wie der „Regelung für die einheitliche Flächenzahlung“ und bestimmten produktionsbezogenen Regelungen (Reis, Stärke, Kartoffeln, Eiweißpflanzen, usw.).1 In der II. Säule werden Maßnahmen zur Verbesserung der Strukturen in landwirtschaftlichen Betrieben und bei der Verarbeitung und Vermarktung landwirtschaftlicher Erzeugnisse, Infrastrukturprojekte zur Verbesserung des Produktionspotenzials, die Erhaltung und Stärkung einer tragfähigen Sozialstruktur, eines hohen Naturwerts und einer nachhaltigen und umweltgerechten Landwirtschaft sowie andere betriebsübergreifende Maßnahmen zur Entwicklung des ländlichen Raums gefördert.2 Das EU-Agrarförderrecht ist sehr komplex geworden: Neben der Betriebsprämienregelung gibt es Programme über die Ausgleichszulage in benachteiligten Gebieten, Agrarumweltmaßnahmen wie Extensivierungsprogramme, Förderung des biologischen Landbaus, Ackerblühstreifenprogramme, jeweils in unterschiedlichem Ausmaß EU- und national kofinanziert und von Bundesland zu Bundesland verschieden, daneben rein nationale Umweltprogramme, die auf dem Konzept „Schutz durch Nutzung“ aufbauen. Allein die EU-Rechtsvorschriften zur Betriebsprämie und zur Entwicklung des ländlichen Raums füllen mehrere Aktenordner, erst recht wenn man die von den Landwirten zu beachtenden Bestimmungen über die CC-Verpflichtungen vollständig hinzuzählt. Und diese Komplexität betrifft allein das gegenwärtige System – 2013 soll die GAP bekanntlich erneut grundlegend reformiert werden.3
Agrarausgaben machen einen erheblichen Anteil des EU-Haushalts aus. Von dem EU-Finanzrahmen für den Zeitraum 2007 bis 2013 entfallen 413 Mrd. €, d. h. 42,3 % der gesamten Verpflichtungsermächtigungen, auf die Rubrik „Erhaltung und Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen, die den
Haushalt für Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umwelt und Fischerei umfasst. Auf die Regulierung der Agrarmärkte und die Direktzahlungen entfallen 33,8 % der insgesamt vorgesehenen Mittelbindungen, also 330 Mrd. €. Die Maßnahmen zur Entwicklung des ländlichen Raums umfassen 8 %, d.h. rund 78 Mrd. €.4
Vertrauen und Misstrauen in die Landwirtschaft
Den Landwirt trifft eine hohe Verantwortung für eine ordnungsgemäße Verwendung dieser Mittel. Alle Zahlungen werden auf der Grundlage seiner Angaben, die er im Antragsverfahren macht, bewilligt. Die Anträge werden im automatisierten Verfahren bearbeitet. Auszahlungen werden regelmäßig vorgenommen, nachdem der Antrag lediglich einer automatisierten Plausibilitätskontrolle unterzogen wurde. Auch nachträglich kann lediglich stichprobenhaft kontrolliert werden. Fast könnte man davon sprechen, dass das EU-Subventionsrecht dem Landwirt einen „Vertrauensvorschuss“ einräumt. Die Vorschriften über die nachträglichen Kontrollen sind dann, um in dem Bild zu bleiben, allerdings von einem deutlichen Misstrauen geprägt: Die Sanktionen fallen sehr hart aus. CC-Verstöße, etwa bei der Tierkennzeichnung oder bei Umweltschutzauflagen, führen ebenso zu finanziellen Sanktionen wie unrichtige Angaben, Unregelmäßigkeiten, verspätete Antragsstellung u.v.m.5. Existenzielle Höhe können vor allem Sanktionen bei einer Überschreitung der Flächengröße erreichen. Übersteigt die beantragte Fläche die ermittelte Fläche zwischen 3 % und 20 %, wird die Beihilfe um das Doppelte der festgestellten Differenz gekürzt. Liegt die Differenz über 20 %, wird für die betreffende Kulturgruppe keine flächenbezogene Beihilfe gewährt.6 Die Sanktionen reichen bis zum vollständigen Ausschluss von der Förderung für ein oder mehrere Kalenderjahre.7 Die Rückforderung bei flächenbezogenen Abweichungen erfolgt in der Regel für die zurückliegenden Jahre, die den Antragsperioden vor der Kontrolle entsprechen.8 Bei einer Vor-Ort-Kontrolle im Jahr 2009, die zu einer Flächendifferenz von mehr als 20 % führt, hat dies eine vollständige Rückforderung der Beihilfen, die für die Jahre 2005 bis 2009 gezahlt wurden, einschließlich der Verzugszinsen für diesen Zeitraum, zur Folge. Landwirten, vor allem außerhalb der intensiven Landwirtschaft, droht in einem solchen Fall mit einiger Sicherheit die Insolvenz. Wohlgemerkt: Die dargestellten Sanktionen betreffen alle nur unvorsätzliches Handeln. Bei vorsätzlichem Handeln führt schon eine Flächendifferenz von 0,5 % zu einem vollständigen Ausschluss von der Förderung.9
Rechtssicherheit
Sanktionen in dieser Größenordnung und Schärfe kommen nicht von ungefähr. In der EU sind über Jahre bedeutende Missbräuche von EU-Subventionen festgestellt worden. Um es mit den Worten der letzten Kommissarin für Landwirtschaft Fischer Boel zu sagen: „Der europäische Steuerzahler erwartet zu Recht, dass diese Mittel korrekt verwendet werden. Es ist daher von größter Bedeutung sicherzustellen, dass Verwaltungs- und Kontrollsysteme vorhanden sind, die eine angemessene Gewähr dafür bieten, dass die Mittel ordnungsgemäß verwendet und vorschriftswidrige Zahlungen aufgedeckt und wieder eingezogen werden.“10 So nachvollziehbar dieses Interesse im Grundsatz ist, ist die Frage berechtigt, ob das System selbst alle rechtsstaatlichen Anforderungen gewährleistet, die mit derart scharfen Sanktionen einhergehen müssen. Ein Regime, das auf Sanktionen in existenzieller Höhe aufbaut, muss in besonderem Maße Rechtssicherheit gewährleisten: Rechtsklarheit, Bestimmtheit und Beständigkeit der Maßstäbe sowie klare Verfahrensregeln. Im Allgemeininteresse ist dies geboten, um eine ordnungsgemäße Mittelverwendung sicherzustellen: Nur wenn die Landwirte im Voraus wissen, was sie beantragen dürfen, werden die Mittel für den vorgesehenen Zweck verwendet werden. Und aus Sicht der betroffenen Landwirte ist Rechtssicherheit existenziell wichtig: Die harten Sanktionen bis hin zur Rückforderungen und Strafzahlungen sind nur gerechtfertigt, wenn dem Landwirt ein Missbrauch vorzuwerfen ist. Auch das setzt voraus, dass er wusste oder wissen konnte, von welchen Maßstäben er bei der Antragstellung auszugehen hatte. Klare Maßstäbe sind darüber hinaus das wirksamste Mittel der Verwaltungsvereinfachung.
Daher ist es wichtig, bei den Auslegungs- und den Verfahrensfragen auch die Verantwortung zu betrachten, die bei der EU und den staatlichen Behörden liegt. Exemplarisch soll dies anhand eines typischen Antrags aus der nicht-intensiven Landwirtschaft erläutert werden, der sich auf Dauergrünlandflächen mit Landschaftselementen bezieht. Das Dauergrünland als eine „relativ“ neue Förderkategorie ist für viele Prüfer, namentlich für eher mit der intensiven Landwirtschaft vertraute Prüfer, eine ungewohnte Kategorie. Deshalb sind schon bei der Frage, welche Flächen überhaupt als Dauergrünland anzusehen sind oder nicht, in vielen Verfahren erhebliche Unterschiede in der Bewertung aufgetreten. Führen diese bei Vor-Ort-Kontrollen zu Kürzungen, so wird die Verantwortung dafür teilweise vorschnell allein dem Landwirt zugewiesen: Da er mit den Flächen vor Ort besonders vertraut sei, liege die Verantwortung für festgestellte Flächenabweichungen bei ihm.
Unbestimmte Rechtsbegriffe
Dabei wird teilweise übersehen, dass die Flächengröße nicht allein von tatsächlichen Begebenheiten, sondern auch von rechtlichen Bewertungen abhängt. Das EU-Agrarrecht verwendet häufig unbestimmte Gesetzesbegriffe, die auslegungsbedürftig sind. So ist der Begriff des Dauergrünlands zwar gesetzlich definiert. Dauergrünland sind „Flächen, die durch Einsaat oder auf natürliche Weise (Selbstaussaat) zum Anbau von Gras oder anderen Grünfutterpflanzen genutzt werden und mindestens fünf Jahre lang nicht Bestandteil der Fruchtfolge des landwirtschaftlichen Betriebs waren“, ausgenommen Flächen im Rahmen von bestimmten Stilllegungsregelungen. „Gras oder andere Grünfutterpflanzen“ sind definiert als „alle Grünpflanzen, die herkömmlicherweise in natürlichem Grünland anzutreffen oder normalerweise Teil von Saatgutmischungen für Grünland oder Wiesen in dem Mitgliedstaat sind, unabhängig davon, ob die Flächen als Viehweiden genutzt werden.11 Dieser EU-rechtliche Rechtsbegriff ist auslegungsbedürftig. Ob beispielsweise Erika-Heideflächen darunter fallen, erschließt sich nicht allein anhand des Wortlauts: Obgleich „grün“, „dauernd“ und als Futter genutzt, werden sie Deutschland nicht anerkannt – und zwar mit der Begründung, aus der englischen Sprachfassung ergebe sich, dass lediglich krautige Pflanzen als Grünfutterpflanzen anzusehen seien12, worunter die Heide als Zwergstrauchvegetation nicht falle13. In Großbritannien hingegen wird die Heide als Grünland anerkannt.
Mehr Unklarheiten noch wirft der Begriff Landschaftselemente auf. Bekanntlich sind von der „landwirtschaftlichen Nutzfläche“ (LN) Flächenteile, die nicht mit Dauergrünland- oder Acker-Kulturen bewachsen sind, wie Bäume, Sträucher, Teiche usw. abzuziehen. Der Landwirt hat diese auf den von der Behörde zur Verfügung gestellten Karten einzeln zu kennzeichnen. „Landschaftselemente“ (LE), die gem. den CC-Verpflichtungen in gutem landwirtschaftlichen und ökologischem Zustand zu erhalten sind14, sind anschließend wieder hinzuzurechnen, um so insgesamt die „förderfähige Nutzfläche“ (FN) zu erhalten, die in dem Antrag anzugeben ist: LF + LE = FN.15 Was Landschaftselemente sind, ist ebenfalls gesetzlich definiert. Das EU-Recht lässt den Mitgliedsstaaten hier einen Spielraum. In Deutschland sind Landschaftselemente Hecken oder Knicks, Baumreihen, Feldgehölze und Feuchtgebiete jeweils bis 2.000 Quadratmetern, und Einzelbäume, die als Naturdenkmäler geschützt sind, wobei die einzelnen LE-Typen jeweils noch näher gesetzlich beschrieben sind.16
Für die Landwirte, die nationalen Behörden und die EU-Kommission sind mit diesen Regelungen viele Auslegungsfragen verbunden. Die Förderfähigkeit der Heide wurde bereits genannt. Welche Pflanzen sind als Grünfutterpflanzen anzusehen, welche nicht? Bis zu welchem Durchdringungsgrad führt „unerwünschte Vegetation“ dazu, dass die Fläche ihre Förderfähigkeit verliert? Gilt dies für die Gesamtfläche oder für Teilflächen? Auf welchen Zeitpunkt ist abzustellen? Schadet es der Förderfähigkeit der Fläche, wenn Flächenteile aus Naturschutzgründen zeitweise nicht bewirtschaftet werden können, insbesondere wenn gerade zu diesem Zeitpunkt eine Kontrolle erfolgt? Auf welchen Zeitpunkt kommt es an – vor oder nach der Mahd, Antragstellung, Vor-Ort-Kontrollen durch die EU-Zahlstellen, EU-Kontrollen o. ä.? Wo verlaufen die Grenzen von Landschaftselementen und Waldrändern? Kommt es auf den (auf Luftaufnahmen regelmäßig nur sichtbaren) Traufbereich der Bäume und Sträucher an, oder ist nur der Stammdurchmesser herauszurechnen, wenn unter den Bäumen Gras wächst? Reicht es aus, wenn Tiere dort fressen können, oder zählt nur die Fläche, bis zu der der Landwirt aufrecht oder gebückt arbeiten kann? Was, wenn der Prüfer mit dem GPS-Gerät nicht gleichermaßen tief geht? Sind Flächen mit Stockausschlägen Teil des Landschaftselements oder noch Teil der Grünfutterfläche? Zählen nur gemeldete und kartografierte Landschaftselemente zur förderfähigen Fläche, oder ist die Förderfähigkeit unabhängig von der Meldung?
Verfahrensrechte
Um diese Fragen mit den Behörden zu klären, sind die Verfahrensrechte der Landwirte wichtig. Im Rahmen des EU-rechtlich zwingend vorgeschriebenen integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystem (InVeKoS) werden die landwirtschaftlich genutzten Flächen vollständig digitalisiert und in einer Datenbank gespeichert. Die digitalen Orthofotos werden den Landwirten für den Betriebsprämien-Antrag (den sog. Sammelantrag) zur Verfügung gestellt. In dem Antrag sind sämtliche landwirtschaftlichen Flächen des Betriebs, getrennt nach ihrer Nutzung und der Angabe des jeweiligen Nutzungscodes besonders zu bezeichnen.17 Zusätzlich hat der Betriebsinhaber zum Zwecke der Kontrolle der CC-Verpflichtungen im Sammelantrag u. a. für jede einzelne landwirtschaftliche Parzelle (bzw. je nach Bundesland Schlag/Feldblock) anzugeben, ob Landschaftselemente Bestandteil der landwirtschaftlichen Flächen sind, soweit die Landschaftselemente nicht bereits in den dem Betriebsinhaber vorgelegten Antragsunterlagen erfasst sind.18 Flächen sind nach Lage und Größe anzugeben, wobei der Betriebsinhaber den Vordruck mit kartografischen Unterlagen, den die Landesstelle ihm für den Antrag zur Verfügung stellt, zu berichtigen hat, soweit Änderungen gegenüber den dort enthaltenen Angaben über die Flächen eingetreten sind.
Anwesenheit bei VOK einfordern
Die Überprüfung erfolgt später in Vor-Ort-Kontrollen (VOK), wobei „vor Ort“ auch im Wege der sog. „Fernerkundung“ geprüft werden kann, also anhand von Sattelitenfotos am PC. Dabei stehen Landwirten wichtige Verfahrensrechte zu, die es ihnen ermöglichen können, Unklarheiten auszuräumen und eine aufwändige in Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren oder gar vor den Verwaltungsgerichten zu vermeiden. So steht es etwa im Ermessen der Behörde, ob der Betriebsinhaber bei einer VOK in dem landwirtschaftlichen Betrieb hinzugezogen wird. Zwar werden Kontrollen grundsätzlich unangekündigt durchgeführt. Sofern der Prüfungszweck nicht gefährdet wird, ist allerdings eine auf das strikte Minimum beschränkte Ankündigungsfrist zulässig. Die Ankündigung darf außer in ordnungsgemäß begründeten Fällen nicht mehr als 48 Stunden im Voraus erfolgen.19 Die Vorschrift dient ersichtlich dazu, zu verhindern, dass Betriebsinhaber ihren Betrieb vor Kontrollen „noch schnell in Ordnung bringen“, so dass etwaige Verstöße nicht entdeckt werden. Bei Flächenkontrollen spricht aber nichts dagegen, die Kontrollen 48 Stunden oder sogar länger vorher anzukündigen und den Betriebsinhaber hinzuzuziehen. Pflegemaßnahmen wie Entbuschungen oder ähnliches können nicht so schnell und nicht unentdeckt ausgeführt werden. Nicht nur für den Betriebsinhaber, sondern auch für die Behörden bringt das Vorteile. Fragen, die sich in Bezug auf die bewirtschaftete Fläche stellen, können so rascher vor Ort geklärt werden. Gesichtspunkte, die gegen eine Anwesenheit des Antragstellers sprechen, sind demgegenüber kaum ersichtlich. Auch wenn das in einigen Bundesländern noch nicht der gängigen Praxis entspricht, ist man als Landwirt gut beraten, schriftlich zu beantragen, bei VOK beteiligt zu werden.
Kontrollbericht
Über jede durchgeführte VOK ist ein Kontrollbericht anzufertigen, der es ermöglicht, die Einzelheiten der vorgenommenen Kontrollschritte nachzuvollziehen. Der Bericht muss insbesondere Angaben enthalten über die kontrollierten Beihilferegelungen und Anträge, die anwesenden Personen, die kontrollierten landwirtschaftlichen Parzellen, die vermessenen landwirtschaftlichen Parzellen, die Ergebnisse der Vermessung je vermessene landwirtschaftliche Parzelle und die angewandten Messverfahren. Dem Betriebsinhaber muss außerdem das Recht eingeräumt werden, den Kontrollbericht zu unterzeichnen und dadurch seine Anwesenheit bei der Kontrolle zu bezeugen und Bemerkungen zu dieser Kontrolle hinzuzufügen. Werden Unregelmäßigkeiten festgestellt, so hat der Betriebsinhaber eine Ausfertigung des Berichts zu erhalten. Wird die Vor-Ort-Kontrolle mittels Fernerkundung durchgeführt und werden dabei Unregelmäßigkeiten festgestellt, so ist Gelegenheit zur Unterzeichnung des Berichts zu geben, bevor die zuständige Behörde aus den Feststellungen ihre Schlussfolgerungen im Hinblick auf etwaige sich daraus ergebende Kürzungen oder Ausschlüsse zieht.20 Eine Verletzung führt zumindest zur formellen Rechtswidrigkeit der darauf gestützten Bescheide. Da die Natur sich ständig ändert, Prüfungssituationen also nur sehr eingeschränkt wiederholbar sind, können solche Verfahrensfehler ein Verfahren u. U. auch ganz anfechtbar machen.
Unklarheiten vorher durch
behördliche Beratung klären
Für Kürzungen und Sanktionen kommt es entscheidend darauf an, ob den Landwirt die Verantwortung für die Fehlerhaftigkeit des Betriebsprämienantrags trifft. Fehler können jederzeit berichtigt werden, wenn die Behörde „offensichtliche Irrtümer“ anerkennt.21 Die Maßstäbe dafür sind allerdings streng; offensichtlich ist ein Fehler nach der Rechtsprechung nur, wenn sich die Unrichtigkeit „auch für jeden Dritten ohne Weiteres ergibt“.22 Die Behörden müssen von Kürzungen und Ausschlüssen absehen, wenn der Betriebsinhaber sachlich richtige Angaben vorgelegt hat oder auf andere Weise belegen kann, dass ihn keine Schuld trifft.23 Von Sanktionen ist ebenfalls abzusehen, wenn der Betriebsinhaber die zuständige Behörde schriftlich darüber informiert, dass sein Beihilfeantrag fehlerhaft ist oder seit der Einreichung fehlerhaft geworden ist. Um Missbräuche auszuschließen, ist eine solche „Selbstanzeige“ nicht mehr zulässig, wenn der Betriebsinhaber von der Absicht der zuständigen Behörde Kenntnis erlangt hat, bei ihm eine Vor-Ort-Kontrolle durchzuführen, oder wenn die zuständige Behörde den Betriebsinhaber bereits über Unregelmäßigkeiten in Bezug auf seinen Beihilfeantrag unterrichtet hat.24 Viele Fragen, die zu Kürzungen und Ausschlüssen führen können, werden jedoch erst nach Vor-Ort-Kontrollen im Rahmen einer behördlichen Überprüfung auftreten. In diesem Fall kann es für den Landwirt von entscheidender Bedeutung sein, ob er Unklarheiten vorher mit der Behörde geklärt hat. Ihm wird dann unter bestimmten Voraussetzungen Vertrauensschutz gewährt: So gilt die Verpflichtung zur Rückzahlung nicht, wenn die Zahlung „auf einen Irrtum der zuständigen Behörde oder eine anderen Behörde zurück zu führen ist, der vom Betriebsinhaber billigerweise nicht erkannt werden konnte“25. Mit einfacheren Worten: Der Bürger muss in Rechtsfragen nicht klüger sein als die Behörde. In der Rechtsprechung ist dies so auf den Punkt gebracht worden: „Soweit die Beklagte argumentiert, der Kläger hätte die nichtförderfähige Fläche gar nicht erst beantragen dürfen, verkennt sie einerseits, dass auch dies eine rechtliche Würdigung vom Kläger verlangt hätte, die die Beklagte ursprünglich selbst nicht zu leisten imstande war und andererseits, dass es ihre Aufgabe ist, die Förderfähigkeit von Flächen zu beurteilen. In diesen Prüfprozess ist der Landwirt nicht eingebunden; er kann beantragen, was er für richtig hält, nicht, was richtig ist. Schließlich geht es rechtlich nicht darum, ob der Förderungsempfänger irgendeine Ursache für die rechtswidrige Leistung gesetzt hat, sondern darum, ob er einen Irrtum der Behörde billigerweise hätte erkennen können. Dies ist, wie dargelegt, bei dem hier gegebenen Rechtsirrtum nicht der Fall.“26
In diesem Zusammenhang kommt der Auskunftspflicht der Behörde entscheidende Bedeutung zu. Behörden sind verpflichtet, den Beteiligten Auskunft über ihre Rechte und Pflichten zu erteilen, die ihnen im Verwaltungsverfahren zustehen.27 Die Behörde hat, soweit dies erforderlich ist, bereits vor Stellung eines Antrags mit dem zukünftigen Antragsteller zu erörtern, welche Nachweise und Unterlagen von ihm zu erbringen sind.28 Die Behörde hat also den Landwirt, wenn er Fragen zur Auslegung der Begriffe des Förderrechts wie Dauergrünland, Landschaftselemente, usw. stellt, vor der Antragstellung zu beraten. Dabei müssen allerdings konkrete Fragen gestellt werden. Die pauschale Frage, ob der Antrag ordnungsgemäß ausgefüllt ist, soll nicht ausreichen.29 Angesichts der Komplexität des EU-Agrarrechts erscheinen diese Anforderungen für den einzelnen Landwirt kaum erfüllbar. Ohne die Hilfe von Verbänden und Vereinigungen, die die Fragen bündeln und eine Klärung herbeiführen, bietet ihm das Verfahrensrecht nur eine ungenügende Unterstützung.
Klärung auf deutscher Ebene
Aber auch auf Seite der Behörden gilt, dass grundlegende Fragen von oben geklärt werden müssen. Damit bei allen zuständigen Unterbehörden einheitliche Maßstäbe angelegt werden, müssen die grundsätzlichen Fragen, die sich im Zusammenhang mit dem Förderrecht stellen, durch allgemeine Verwaltungsvorschriften auf Ministerialebene geklärt werden. Die Notwendigkeit dessen ist bekannt. Im Anschluss an einen von der Vereinigung deutscher Landesschafzuchtverbände (VDL) mit der Vernetzungsstelle ländliche Räume durchgeführten Workshop30 hat inzwischen das Ministerium für Landwirtschaft NRW einen Erlass zum Nutzartcode 459 „Dauergrünland“ herausgegeben.31 Zusätzlich hat das Ministerium eine Informationsveranstaltung durchgeführt.32 Diese Veranstaltungen und der Dauergrünland-Erlass haben einen bedeutenden Beitrag zur Rechtssicherheit für die Landwirte geleistet. Dabei sind jedoch auch die Grenzen und Zwänge deutlich geworden, denen nationale Behörden bei der Auslegung von EU-Rechtsbegriffen im Agrarrecht unterliegen. Die Vertreter des Ministeriums haben durchaus dazu geneigt, noch in anderen Punkten die Rechtsauffassung der Antragsteller zu teilen, haben sich daran aber wegen des Anlastungsrisikos bei EU-Kontrollen gehindert gesehen. Auffällig war dabei, dass die Maßstäbe, von denen die EU-Prüfer ausgehen, den deutschen Behörden nicht (etwa in Form von Leitlinien oder Verwaltungsvorschriften) vorgelegen haben. Orientiert haben sie sich vielmehr daran, was die EU-Prüfer wiederholt beanstandet haben.
Beteiligung der EU-Ebene
Das zeigt die Notwendigkeit auf, die EU-Ebene an dem Klärungsprozess zu beteiligen. Die EU-weit vorgeschriebene Verpflichtung der Mitgliedsstaaten, integrierte Verwaltungs- und Kontrollsysteme zu unterhalten, dient dem Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Union. Die Zahlstellen müssen gegenüber der Kommission eine „Zuverlässigkeitserklärung“ abgeben, in denen sie erklären, dass ihre Abschlüsse ein verlässliches, vollständiges und korrektes Bild der Ausgaben und Einnahmen vermitteln und das Verwaltungs- und Kontrollsystem der Zahlstelle ausreichende Gewähr für die Rechtmäßigkeit und Ordnungsgemäßheit der Geschäftsvorgänge bietet. Die Richtigkeit dieser Erklärung wird anschließend durch die Kommission im Rahmen des Rechnungsabschlussverfahrens überprüft. Zusätzlich erfolgt ein sog. „Konformitätsabschluss“, in dem Ausgaben, die nicht in Übereinstimmung mit den EU-Vorschriften gezahlt wurden, durch „finanzielle Berichtigungen“ von den Mitgliedsstaaten zurückgefordert werden (sog. Anlastungen).33 Rechnungsabschluss und Konformitätsabschluss sind keine Instrumente, um die von den nationalen Behörden durchgeführten Fördeverfahren im Einzelnen zu überprüfen. Diese Überprüfung ist nach dem Grundsatz der geteilten Zuständigkeit ausschließlich Sache der Mitgliedsstaaten. Sie müssen vorschriftswidrig geleistete Zahlungen bei den Landwirten einziehen und die Landwirte können vor den nationalen Gerichten dagegen Klage erheben. Nach den Leitlinien, die die Kommission zu dem Rechnungsabschluss und zum Konformitätsabschluss erlassen hat, werden vielmehr den Mitgliedsstaaten Anlastungen auferlegt.34 Der Mitgliedsstaat kann somit eine unrichtige Auslegung des EU-Rechts, die ihrerseits dann zu Beanstandungen bei dem Rechnungsabschluss und dem Konformitätsabschluss führt, erhebliche finanzielle Schäden erleiden.
Um Rechtssicherheit und -klarheit für die nationalen Behörden und die Landwirte zu schaffen, ist es deshalb unbedingt erforderlich, die Europäische Kommission mit einzubeziehen. Sonst könnte lediglich in gerichtlichen Verfahren, in denen Landwirte gegen einen Rückzahlungsbescheid klagen, eine Klärung der EU-rechtlichen Fragen durch den Europäischen Gerichtshof erfolgen. Die nationalen Gerichte können, die letztinstanzlichen Gerichte müssen ggf. dem EuGH Fragen zur Auslegung des EU-Rechts unterbreiten, die sich ihnen im Gerichtsverfahren stellen.35 Solche Verfahren sind jedoch langwierig und aufwendig. Auch wenn sie, vor allem mit Hilfe der Unterstützung von Verbänden, in festgefahrenen Situationen eine Klärung bedeutend voranbringen können, können Sie allgemein eine vorhergehende Klärung nicht ersetzen.
Um eine vorhergehende Klärung zu erreichen, kennt das EU-Recht, ähnlich wie das deutsche Recht, Auskunftspflichten der Behörden.36 Jeder Unionsbürger kann sich schriftlich in einer der EU-Sprachen an das Europäische Parlament, den Europäischen Rat, den Rat, die Europäische Kommission, den Gerichtshof der EU, die Europäische Zentralbank und den Rechnungshof wenden und eine Antwort in derselben Sprache erhalten.37 Dieser Anspruch ist darüber hinaus in Art. 41 Abs. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) festgeschrieben.38 Dabei soll ein „umfassender Anspruch auf sachliche Korrespondenz“ bestehen.39 Das Recht ist Ausfluss des Grundsatzes auf transparente und gute Verwaltung auf EU-Ebene.40 Der Bürger hat das Recht, sich mit Anfragen, Bitten, Beschwerden, Stellungnahmen, formlosen Anträgen und sonstigen Anliegen an die genannten Organe zu wenden.41 Dieses Recht geht, wie sich bereits aus der Formulierung „wenden“ ergibt, über bloße Auskunftsbegehren hinaus.42 Die Funktion des Anrufungsrechts, die Rechtsstellung und den Wissensstand des Betroffenen zu verbessern, kann nur so gewährleistet werden.43 Dies ergibt auch die systematische Stellung im Zusammenhang mit dem Petitionsrecht und dem Recht auf Anrufung des Bürgerbeauftragten,44 beides Rechte, die explizit die materielle Teilnahme des Unionsbürgers an Gesetzgebungs- und sonstigen Verfahren ermöglichen sollen. Zuletzt entspricht eine derartige Interpretation auch dem Ziel, die EU offen und bürgernah zu gestalten.45
Abgesehen von diesen rechtlichen Erwägungen liegt es aber vor allem im ureigensten Interesse der EU-Kommission, an einer Klärung der Rechtsmaßstäbe im EU-Agrarsubventionsrecht mitzuwirken. Denn nur wenn die Maßstäbe transparent und klar sind, können die Landwirte und die nationalen Behörden sich an sie halten und die EU-Prüfer sie bei Kontrollen berücksichtigen. Dafür müssen die Maßstäbe, von denen die EU-Prüfer ausgehen, zusammengefasst und veröffentlicht werden. Die Kommission veröffentlicht in vielen Bereichen Leitlinien (Guidelines), denen sie ihre Rechtsansichten offenlegt. Diese Leitlinien sind zwar rechtlich nicht verbindlich, aber gleichwohl für die nationalen Behörden und die Betroffenen in den jeweiligen Bereichen häufig die wichtigste Orientierungshilfe. Eine entsprechende Auslegungshilfe ist im EU-Agrarsubventionsrecht im Interesse aller Beteiligten dringend nötig, um die Mittelverwendung proaktiv zu steuern und aufwändige Rechtsstreitigkeiten und existenzielle Sanktionen zu vermeiden.
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