auf der Internationalen Grünen Woche 2017 in Berlin
Thema: Bodenkauf trotz Agrarpreiskrise!?
Termin: 24. 1. 2017, 11.00 – 14.00 Uhr
Ort: Messe Berlin, Großer Stern, Raum Hong Kong
Veranstalter: Redaktion agrarmanager und Briefe zum Agrarrecht, dlv Deutscher Landwirtschaftsverlag, www.agrarmanager.com
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Prof. Dr. Klaus Böhme, Berlin
Zwei Jahrzehnte „Anpassung“ der ostdeutschen Landwirtschaft
Vor 20 Jahren beschloss die Volkskammer der (Noch-)DDR ein für die Entwicklung der Landwirtschaft, der Betriebe und vor allem der Mitglieder, Beschäftigten und Bodeneigentümer ganz entscheidendes Gesetz. Welche Bedeutung es erlangen würde, ergab sich erst im Ergebnis der sich überschlagenden gesellschaftlichen Veränderungen der folgenden Monate und Jahre.
Das „Gesetz über die strukturelle Anpassung der Landwirtschaft an die soziale und ökologische Marktwirtschaft in der Deutschen Demokratischen Republik", kurz Landwirtschaftsanpassungsgesetz – später auch mit dem Kürzel LwAnpG gekennzeichnet – wurde am 29. Juni 1990 von der DDR-Volkskammer verabschiedet und verkündet.1 Dieser Beschlussfassung ging eine kurze, aber intensive Diskussion über den rechtlichen Rahmen für die Landwirtschaft beim Übergang zur Marktwirtschaft einerseits und im Zuge der Wiedervereinigung andererseits voraus. Neben der Anpassung an die EU-Regelungen spielte die künftige Eigentums- und Betriebsverfassung und der Übergang dorthin eine herausragende Rolle.
Vorausgegangen waren diesem Gesetz schon grundlegende Veränderungen am LPG-Gesetz mit einer Novelle vom 6. März 19902, in der u.a. das „unverteilbare genossenschaftliche Eigentum“ aufgehoben wurde.
Heiß diskutiert wurde zwischen Änderung des LPG-Gesetzes und Beschluss des grundlegend neuen Landwirtschaftsanpassungsgesetzes der Charakter von Genossenschaften und die Freiwilligkeit bei ihrer Entstehung und Entwicklung. Es wurde nach Anknüpfungspunkten und nach Möglichkeiten gesucht, totale Brüche und Zusammenbrüche zu vermeiden, aber es gab auch sehr unterschiedliche Auffassungen zur Bewertung der Vergangenheit und zur anzustrebenden Zukunft.
Dabei mussten allgemeingültige gesetzliche Regelungen gefunden werden, die aber genügend Platz ließen für sehr unterschiedliche Erfahrungen und regionale Besonderheiten sowie Absichten und Wünsche der Eigentümer und Mitglieder der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG). Naheliegend war es, sich dabei auf das alte Genossenschaftsgesetz, dass in der DDR nie explizit außer Kraft gesetzt worden war, zurückzubesinnen, zumal das bundesdeutsche Genossenschaftsgesetz auch darauf basiert.3
Bereits vor der Beschlussfassung durch die Volkskammer hatte vor allem der neu gegründete Genossenschaftsverband der LPG und GPG?3 versucht, seinen Mitgliedsbetrieben entsprechende Unterstützung bei der Anpassung an die neuen Verhältnisse zu geben.4
So fanden die ersten Umwandlungen von LPG in landwirtschaftliche Produktivgenossenschaften bereits kurz vor bzw. kurz nach der Verabschiedung des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes statt.
Die §§ 1 bis 3 des dann erarbeiteten und von der SPD-Fraktion in die Volkskammer eingebrachten neuen Gesetzes machten deutlich, worum es vor allem ging:
Das DDR-Landwirtschaftsanpassungsgesetz sah neben der Teilung und dem Zusammenschluss von LPG (2. Abschnitt) nur eine Umwandlung in eingetragene Genossenschaften (4. Abschnitt) vor. Andere Rechtsformen konnten nur für die Umwandlung kooperativer Einrichtungen gewählt werden (3. Abschnitt). Außerdem wurde im 5. Abschnitt die Auflösung der LPG und in Abschnitt 6 das Ausscheiden von Mitgliedern und die Bildung von Einzelwirtschaften geregelt. Für die Auflösung wurde auf das Genossenschaftsgesetz Bezug genommen und die LPG wurde verpflichtet die ausscheidenden Mitglieder bei der Bildung von Einzelwirtschaften zu unterstützen (§ 44 (1)). Außerdem enthielt der § 44 (2) eine erste, noch recht allgemeine Anweisung für die Vermögensauseinandersetzung: „Der Umfang des zurück zu erstattenden Vermögens ergibt sich aus dem Anteil des eingebrachten Vermögens, der sich daraus ergebenden Vermögensentwicklung und den vom Mitglied erbrachten Anteil an Wertschöpfung durch Arbeit.“
Viel Wert wurde im Gesetz auf die Feststellung und Neuordnung der Eigentumsverhältnisse am Boden gelegt.
Diese erste Variante des Gesetzes erlangte nur für eine begrenzte Zahl von "Frühstartern" eine unmittelbare Bedeutung. Wenn man sich in der LPG früh darüber im Klaren und vor allem unter den Mitgliedern einig war, wohin der Weg gehen sollte, dann konnte der "glückliche" Umstand einer recht allgemeinen rechtlichen Regelung intelligent und entsprechend den konkreten Bedingungen ausgestaltet werden. Das gelang allerdings in zahlreichen Fällen auch nicht und führte später zu Auseinandersetzungen.
In der Regel dauerte die Diskussion um Auflösung oder Fortbestand der LPG in neuer Form länger an und es kam in den meisten Fällen erst nach dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland am 3. Oktober 1990 zu entsprechenden Beschlussfassungen.
Im Einigungsvertrag wurde das Landwirtschaftsanpassungsgesetz nahezu ohne Änderungen in den Bestand des bundesdeutschen Rechts übernommen.5 Das sicherte die Kontinuität im begonnenen "Anpassungs"prozess und ermöglichte es, das Gesetz schrittweise zu konkretisieren und entsprechend den Erfahrungen bei seiner Umsetzung zu verändern. Bei all dem blieben die grundlegenden Ziele des Gesetzes, wie sie in den §§ 1 bis 3 formuliert waren, aber bis heute unverändert.
Aus der Sicht der späteren Rechtsprechung am Bundesgerichtshof kennzeichnete Dr. Wenzel, Richter am Landwirtschaftssenat, das DDR-Gesetz als unter erheblichem Zeitdruck verabschiedet und vielfach nur rudimentäre Regelungen enthaltend. So habe bei der praktischen Umsetzung der Wende in der Landwirtschaft „nur ein unvollkommenes Instrumentarium“ zur Verfügung gestanden. Die Erwartung, auftauchende Probleme könnten weitgehend einvernehmlich gelöst werden, habe sich als illusionär erwiesen.6
Eine solche Kritik ist aus rechtlicher Sicht sicher zu verstehen, aber unter Berücksichtigung der grundlegenden gesellschaftlichen Umwälzungen in historisch kurzer Zeit aus politischer Sicht einfach unangebracht. So wie niemand Zeitpunkt und Ablauf des deutschen Einigungsprozesses voraussagen konnte, waren auch die Regelungen für die Anpassung der ostdeutschen Landwirtschaft nicht vorauszubestimmen. Aus dieser historischen Sicht ist ein Gesetz, dessen Ziele und dessen Grundstruktur die letzten 20 Jahre Bestand hatten, eine großartige historische Leistung. Schweitzer, der Verfasser der ersten umfassenden Monografie7 zum LwAnpG unterstreicht richtig, dass man Entstehung und Umsetzung des Gesetzes „nur vor dem Hintergrund dieser friedlichen Revolution und der damit einhergehenden gewaltigen Umwälzungen in Stadt und Land im sozialen, wirtschaftlichen und rechtlichen Bereich, praktisch in allen Lebensbereichen“ verstehen kann.8
Heute, nach zwanzig Jahren Anwendung und Weiterentwicklung dieses Gesetzes kann man auch die Frage nach den Alternativen stellen. Nehmen wir nur die Treuhandlösung. Sie war für die gesamte Landwirtschaft im Gespräch, wurde dann aber für den Bereich der LPG verworfen. Grund dafür war, dass in den LPG Grundzüge von Genossenschaften gesehen wurden, an die angeknüpft werden sollte.
Anders als eine Treuhandlösung, wie sie in der volkseigenen Wirtschaft – darunter auch bei den Volkeigenen Gütern – praktiziert wurde, konnte mit dem LwAnpG zu einem großen Teil das Eigentum, verbunden mit der Dispositionsfreiheit der Eigentümer, wiederhergestellt werden. Das war nur möglich, indem man an die bestehenden Verhältnisse anknüpfte und diese nach Maßgabe des Willens der Beteiligten veränderte. Selbstverständlich war das kein reibungsfreier Prozess. Zu unterschiedlich waren die Interessenlagen der Beteiligten.
Eine weitere Voraussetzung für die mit dem LwAnpG praktizierte Lösung waren vorhandene Grundbücher mit eingetragenem landwirtschaftlichem Bodeneigentum, Mitglieder von Genossenschaften mit eingebrachtem und erwirtschaftetem Vermögen und in wesentlichen Teilen noch funktionierende betriebliche Strukturen. Daran war anders als in der volkseigenen Wirtschaft anzuknüpfen.
Dass das erkannt wurde, stellt sich heute als Glücksumstand heraus. Auch wenn es sich als in vielen Fällen außerordentlich schwierig erwies, die unterschiedlichen Interessen verschiedener Mitgliedergruppen bei der Vermögensauseinandersetzung in den LPG, beim Austritt und bei der Auflösung auszugleichen,9 so war die Lösung direkt durch die Akteure vor Ort und nicht von einer Zentrale in Berlin aus, der bessere Weg.
Schon der Name des Gesetzes wirft eine grundsätzliche Frage auf: Woran sollten sich die ostdeutsche Landwirtschaft, die LPG und die Genossenschaftsmitglieder und Eigentümer anpassen? Das Gesetz selbst sagt in seinem Namen "an die soziale und ökologische Marktwirtschaft in der Deutschen Demokratischen Republik". Es wurde in der Eile auch mit diesem Namen in bundesdeutsches Recht übernommen.
Einerseits ist der Inhalt des Gesetzes auch an diesem Anpassungsziel, einer in der Noch-DDR erst in vagen Vorstellungen und allerersten Ansätzen vorhandenen „sozialen und ökologischen Marktwirtschaft“ zu messen. Ausdrücklich nicht angestrebt wurde eine Anpassung an agrarstrukturelle Verhältnisse in der Bundesrepublik. Auch wenn einzelne Formulierungen und rechtliche Konstruktionen des LwAnpG sich an die bäuerlichen Familienbetriebe und die eingetragenen Genossenschaften nach bundesdeutschem Recht anlehnten, war an eine Kopie von ostdeutscher Seite nie gedacht und es gab auch keine durchschlagende Vorbildwirkung der bundesdeutschen Agrarstruktur. Die ersten fachlichen Exkursionen zu Berufskollegen in der Bundesrepublik bestärkten diese Erkenntnis in der Regel und es kam bald zu einem umgekehrten Fachtourismus in Richtung Osten. Hier gab es einfach mehr Interessantes und Neues zu sehen.
Für die Weiterentwicklung und die Anwendung des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes war es schon ein Problem, dass weiterhin das Ziel der Anpassung unklar blieb.
Die 1. Novelle zum Landwirtschaftsanpassungsgesetz10 war auch seine bedeutendste. Vor allem wurde im Juli 1991 die detaillierte Vorschrift für die Vermögensauseinandersetzung in § 44 formuliert, eine Stimmmehrheit der Bodeneigentümer und sonstigen Inventareinbringer, die Haftung der Vorstandsmitglieder und der Formwechsel auch in andere Rechtsformen eingeführt.
Mit einem 2. Änderungsgesetz vom 20. 12. 1991 wurde dann schnell noch die "ordnungsgemäße Anmeldung" im Zusammenhang mit der sich als sehr engen erweisenden Frist für die Umwandlung (31. 12. 199111) geregelt.
Schließlich erhielt das Gesetz mit dem 3. Gesetz zur Änderung des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes vom 31. 3. 199412 eine ausdrückliche Verjährungsregelung und klare Vorschriften für die gerichtlichen Verfahren. Beides war aus den Erfahrungen bisheriger Verfahren heraus notwendig.
Mit dem 4. Änderungsgesetz vom 27. 6. 199613 wurde die Verjährungsfrist verlängert und ein Sammelverfahren zur Feststellung des abfindungsrelevanten Eigenkapitals eingeführt.
Zwischenzeitlich war es zu weiteren Änderungen durch das 2. Vermögensrechtsänderungsgesetz vom 14. 7. 1992, durch das Sachenrechtsänderungsgesetz vom 21. 9. 1994 und das Umwandlungsbereinigungsgesetz vom 28. 10. 1994 gekommen.
Der Bundesgerichtshof bekam ungewöhnlich viele von den Verfahren zum Landwirtschaftsanpassungsgesetz auf den Tisch. Den Richtern des Landwirtschaftssenates wurde offensichtlich schnell klar, dass hier ein enormer Regelungs-, Präzisierungs- und auch Korrekturbedarf bestand. Entsprechend intensiv und systematisch befasste sich der Senat unter Leitung seines Vorsitzenden Dr. Joachim Wenzel14 mit den Problemen des LwAnpG. Bis zum Jahr 1994 hatte der Landwirtschaftssenat rund 70 Leitsatzentscheidungen zum LwAnpG getroffen und so versucht „Rechtseinheit und Rechtssicherheit“ herzustellen. In den zwanzig Jahren der Existenz des Gesetzes sind es rund 200 Entscheidungen des Landwirtschafts- aber auch anderer BGH-Senate geworden. Mit zahlreichen Veröffentlichungen15 beförderte Wenzel den Überblick zu den vielen Entscheidungen und trug zur Klärung komplizierter und oft umstrittener Fragen bei. Seine Darstellungen trieben die Fortschreibung des LwAnpG durch die diversen Novellen voran. Es konnte natürlich nicht ausbleiben, dass viele der Entscheidungen und Lösungsvorschriften auch heiß umstritten waren.
Die Vielzahl an Entscheidungen und ihre Bedeutung für die Umsetzung des Gesetzes führten dazu, dass mehrere Leitsatzsammlungen16 erschienen und das Bundeslandwirtschaftsministerium ihren Textausgaben der jeweiligen Fassung des LwAnpG neben einer Erläuterung ebenfalls eine Leitsatzsammlung17 beifügte.
Die Hauptstreitpunkte in den gerichtlichen Auseinandersetzungen um das Landwirtschaftsanpassungsgesetz waren:
Für die Vorstände und Führungskräfte in den LPG und ihren Nachfolgebetrieben war die Umsetzung des LwAnpG ebenso schwierig wie für die Betroffenen der Vermögensauseinandersetzung. Beide Seiten waren den Umgang mit komplizierter juristischer Materie nicht gewohnt und ihre juristischen Berater hatten häufig ebenfalls Schwierigkeiten mit der Materie. Hinzu kamen die unterschiedlichen gesellschaftlichen Erfahrungen. In Gerichtsverfahren begegneten die Beteiligten in den unteren Instanzen nahezu und in den oberen Instanzen ausschließlich Richtern aus dem Westen und in der Rechtsberatung und bei ihrer Vertretung mussten sie sich zwischen Anwälten mit der unterschiedlichen Ausbildung und Erfahrung in Ost oder West entscheiden. Zahlreiche Anwälte haben sich sehr schnell in die komplizierte Materie eingearbeitet und dann auch einen großen Teil der rechtlichen Auseinandersetzungen begleitet, aber es gab auch immer wieder Anwälte und Richter die nicht bereit und in der Lage waren in die komplizierte, neue und meist fremde Materie einzudringen. Immer wieder war zu beobachten wie Klienten in die Irre geführt wurden und in zahlreichen Fällen mussten die OLG und der BGH Urteile korrigieren. Viele BGH-Beschlüsse endeten mit dem Hinweis auf "etwaige Ersatzansprüche gegen die Verfahrensbevollmächtigten"20.
Als tragfähige Grundlage für die Vermögensauseinandersetzung und die Umwandlung von Unternehmen bzw. deren Neugründung nach dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz haben sich Kompromisse erwiesen. Davon zeugen die zahlreichen außergerichtlichen Vereinbarungen auf der Grundlage von Gesetz und Gerichtsentscheidungen. Selten war es sinnvoll und für die beteiligten Seiten vorteilhaft, wenn vor Gericht, in zahlreichen Prozessen und über mehrere Instanzen gestritten wurde.
Das Resultat von 20 Jahren LwAnpG ist außerordentlich differenziert. Als Fazit kann man feststellen, dass mit Anwendung des Gesetzes ein eigener Weg zu ökonomisch tragfähigen Agrarstrukturen in der Marktwirtschaft gefunden wurde. Diese zeichnen sich, auch im deutschen Vergleich, durch Vielfalt, Flexibilität, Modernität und auch durch Größe aus. Inzwischen befinden sich die ostdeutschen Landwirtschaftsbetriebe in einer Phase der Konsolidierung und Optimierung ihrer Strukturen. Dabei können noch verbliebene Mängel aus den letzten zwanzig Jahren gezielt überwunden werden.
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