auf der Internationalen Grünen Woche 2017 in Berlin
Thema: Bodenkauf trotz Agrarpreiskrise!?
Termin: 24. 1. 2017, 11.00 – 14.00 Uhr
Ort: Messe Berlin, Großer Stern, Raum Hong Kong
Veranstalter: Redaktion agrarmanager und Briefe zum Agrarrecht, dlv Deutscher Landwirtschaftsverlag, www.agrarmanager.com
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Prof. Dr. Manfred Köhne, Göttingen
Anmerkungen zu zwei Beiträgen in dieser Zeitschrift
Zu der o.a. Thematik sind in dieser Zeitschrift im Heft 10 zwei Beiträge erschienen, und zwar von H. Karg, H.-W. Uherek und J. Spinda (S. 386) sowie dem Sachverständigenausschuss des HLBS (S. 403). Da sich diese in erster Linie auf meine diesbezügliche Stellungnahme für die BImA (Bundesanstalt für Immobilienaufgaben) vom 6. 5. 2010 (s. NL-BzAR, Heft 7/2010, S. 278) beziehen, wie auch aus fachlichen Erwägungen, sehe ich mich zu den folgenden Anmerkungen veranlasst.
Soweit die Flächen nicht per Ausschreibungen veräußert werden – Verkauf an Alteigentümer und Direkterwerb langfristiger Pächter – müssen die Flächen bewertet werden. Dafür sehen § 3 Abs. 7 AusglLeistG sowie § 5 Abs. 1 FlErwV die Ermittlung des Verkehrswertes vor. Neben diesen Rechtsgrundlagen muss aber auch die Grundstücksmitteilung der EU (97/C209/03) beachtet werden. Danach ist der Marktwert (den Begriff des Verkehrswertes gibt es im EU-Recht nicht) unter der Annahme zur ermitteln, dass das Grundstück offen am Markt angeboten wurde. Durch die Zugänglichkeit für einen größeren Interessentenkreis soll ein marktgerechter Preis gefunden werden und soll dadurch vermieden werden, dass ein davon abweichender niedrigerer Preis gegen das EU-Beihilfeverbot verstößt. Es ist also ein beihilfefreier Kaufpreis zu ermitteln. Das EU-Recht geht dem deutschen Wertermittlungsrecht vor, ist also vorrangig zu berücksichtigen.
Danach dürfen bei der Bewertung der Flächen im Rahmen des Vergleichswertverfahrens nur solche Vergleichspreise herangezogen werden, die aus offenen Angebotsverfahren resultieren. Solche Verfahren sind Ausschreibungen mit Gebotseinholung, Anzeigen zur Kontaktaufnahme im Internet wie auch in Zeitungen und die Vermittlung durch breit tätige Makler. Dagegen entsprechen die Preise aus folgenden Vorgängen nicht dem offenen Angebotsverfahren: Verkauf an den Pächter ohne Einholung von Alternativangeboten, Verkauf durch direkte Ansprache von Interessenten, Vermittlung durch landwirtschaftliche Berater, Reaktion auf Suchanzeigen von Interessenten, Reaktion auf Direktansprache von Interessenten und ähnliche Vorgänge.
Karg und Kollegen konzentrieren sich auf das deutsche Wertermittlungsrecht. Folglich gelangen sie zu dem Ergebnis, dass alle verfügbaren Vergleichspreise für die Wertermittlung herangezogen werden können. Es soll also bei der hier anstehenden Bewertung genauso vorgegangen werden wie sonst für Verkehrswertermittlungen bei verschiedenen Anlässen. Damit vernachlässigen sie das
höherrangige EU-Recht.
Bemerkenswert sind in diesem Zusammenhang Ausführungen des Kammergerichts Berlin in einem Urteil vom 26. 8. 2010. Das Gericht ist der Meinung, dass Voraussetzung eines offenen Anbietens am Markt ein marktangemessenes Aushandeln sei. Da von einem entsprechenden Aushandeln generell ausgegangen werden könne, sind für das Gericht auch alle verfügbaren Vergleichspreise verwendbar. Ob diese Position Bestand haben wird, muss die weitere Rechtsentwicklung zeigen. Sachlich gesehen sind jedoch offenes Anbieten und marktangemessenes Aushandeln nicht identisch. Außerdem kann bei den vielen Kleinverkäufen nicht allgemein ein marktangemessenes Aushandeln unterstellt werden.
Ich bin in meiner o.a. Stellungnahme davon ausgegangen, dass das EU-Recht diesbezüglich hinreichend klar ist, und dass damit das offene Marktangebot gefordert wird. Davon gehe ich auch in diesen Anmerkungen aus.
Karg und Kollegen führen u.a. Folgendes aus: Wenn die Parteien oder eine Seite den Sachverständigen beauftragt, gestützt auf die FlErwV den Verkehrswert zu ermitteln, dann müsse er dieses nach deutschem Wertermittlungsrecht, also in der sonst auch üblichen Form tun. Das ist verständlich, aber die Parteien können das übergeordnete EU-Recht nicht aushebeln. Eine der Parteien, d.h. die BVVG, weist im Auftragsschreiben auf die Grundstücksmitteilung der EU hin. Dies geschieht allerdings in zu wenig konkreter Form (mehr dazu unten).
Offene Angebotsverfahren beinhalten nicht nur Ausschreibungen gegen Höchstgebot. Andere Verfahren wurden zuvor genannt. Ich betone das deshalb, weil einige Diskutanten offene Angebotsverfahren mit Ausschreibungen gleichsetzen. Damit besteht die Gefahr, dass damit unzutreffenderweise nur die Ausschreibungen der BVVG assoziiert werden.
Bei der Bewertung von Flächen anlässlich des Verkaufs durch die BVVG sind alle Vergleichspreise verwendbar, soweit sie aus offenen Angebotsverfahren resultieren. Das gilt nicht nur für die Ausschreibungsergebnisse der BVVG, sondern selbstverständlich auch für die Preise aus Drittverkäufen, also den Verkäufen unter anderen Marktteilnehmern. Allerdings müssen letztere kritisch gewürdigt werden. Insbesondere bei den vielen Verkäufen kleiner Flächen ist die EU-Vorgabe oft nicht erfüllt. Auf Datenprobleme wird unten noch eingegangen.
Karg und Kollegen ziehen für ihre Argumentation auch den angelsächsischen best price heran. Es ist der im Markt erzielbare höchste Preis. Den wollen sie für die hier anstehende Bewertung nicht heranziehen. Das ist auch richtig und wird auch nicht von der EU gefordert. Die EU fordert lediglich offene Angebotsverfahren. Eine daraus resultierende Preissammlung ist in der auch sonst üblichen Form auszuwerten. Der beihilfefreie Kaufpreis ist fachgerecht irgendwo in der Mitte einer solchen Preissammlung anzusiedeln. Der Verweis auf den abzulehnenden angelsächsischen best price entspricht also nicht dem Thema.
Die Autoren verweisen ferner auf einen Fall, in dem ein Landwirt, der per Ausschreibung Flächen von der BVVG gekauft hat, anschließend von einem Flächenentzug betroffen wird, und dass dann unterschiedliche Bewertungen problematisch sein können. Hierzu ist anzumerken, dass es sich um einen exotischen Fall handelt, und dass dieser sicherlich einvernehmlich lösbar ist. Dieser Verweis stützt nicht die Forderung, bei der Wertermittlung für die BVVG-Flächen in gleicher Weise vorzugehen wie auch sonst bei der Ermittlung von Verkehrswerten.
Die Autoren weisen darauf hin, dass insbesondere beim Erwerb großer Kauflose durch den bisherigen Bewirtschafter u.U. ungewöhnliche Verhältnisse vorliegen können, weil der Käufer unter erheblichem wirtschaftlichen Druck steht. Solche Fälle gibt es vermutlich. Den Autoren ist zuzustimmen, dass der Bewertende solchen Verhältnissen im Regelfall nicht im Einzelnen nachgehen kann. Das gilt generell in der Taxation. Deshalb stützt man sich vorrangig auf entsprechende statistische Analysen. Preise aus Ausschreibungsergebnissen sind zu verwerfen, wenn nach der statistischen Analyse Ausreißer zu vermuten sind. Die BVVG sondert u.?U. solche Preise aus, die mehr als 20 Prozent über den folgenden Geboten liegen.
Die BVVG bezieht bereits bisher die Preisgebote in ihre Wertermittlung ein, die wegen alternativer Verpachtung nicht zum Zuge gekommen sind. Ich habe in meiner Stellungnahme vorgeschlagen, dass auch das Zweit- und Drittgebot wie Vergleichspreise behandelt werden. Dagegen sprechen sich die Autoren beider Beiträge aus. Für die Berücksichtigung der Zweit- und Drittgebote sprechen folgende Gründe: Sie signalisieren die latente Nachfrage und sind deshalb besonders geeignet, die Frage zu beantworten, welchen Preis die BVVG bei einem ähnlichen Angebot voraussichtlich erzielen würde. Außerdem erweitern sie die Datenbasis. Da die von der BVVG auszuschreibende Fläche abnimmt, verringert sich auch die Zahl der aus Ausschreibungen resultierenden Vergleichspreise. Die Vergleichspreise sollten aus einem möglichst regional nicht zu weit gezogenen Gebiet resultieren, was durch die Heranziehung der Gebote erleichtert wird. Die BVVG hat die Gebote und kann sie in ihre Preisvorstellungen einbauen. Da die BVVG auch den Sachverständigen regelmäßig Vergleichspreise übermittelt, können die Gebote auch von den Sachverständigen genutzt werden.
Die Autoren der beiden Beiträge sprechen sich gegen die Berücksichtigung von Preisforderungen und Preisgeboten aus. Preisforderungen habe ich nicht einmal erwähnt. Insoweit geht die Kritik ins Leere. Bezüglich der Gebote argumentieren die Autoren, dass dies nicht durch die ImmoWertV gedeckt sei. § 15 Abs. 1 ImmoWertV sieht vor, dass Vergleichspreise herangezogen werden. Ein Verbot der Berücksichtigung von Geboten findet sich in der ImmoWertV nicht. Die Gebote, die die BVVG bei Ausschreibungen erhält, sind nicht vergleichbar mit Geboten bei privaten Anbietern. Die Bieter der BVVG haben ein seriöses Interesse, die jeweiligen Flächen zu bekommen. Die Gebote sind also keine Versuchsballons.
Das sieht auch Kleiber so (in Verkehrswertermittlung von Grundstücken, 6. Aufl., 2010, S. 1252). Er schreibt: „Es muss allgemein zulässig sein, im Rahmen des Vergleichswertverfahrens neben den in § 15 ImmoWertV genannten Vergleichspreisen auch die Bestgebote eines Bieterverfahrens heranzuziehen.“ Und weiter: „Solche Bestgebote, die gemäß § 195 BauGB nach Verkauf ohnehin Eingang in die Kaufpreissammlung finden sollen, stellen im Vorgriff auf ihre Aufnahme in die Kaufpreissammlung sogar besonders aktuelle ‚Vergleichspreise‘ dar.“
Wenn nur solche Vergleichspreise in die Wertermittlung einbezogen werden sollen, die aus offenen Angebotsverfahren resultieren, dann entfällt ein erheblicher Teil der Preise, die aus Verkäufen unter Dritten stammen. Das gilt vor allem für die vielen Verkäufe kleiner Flächen. Ein besonderes Problem besteht darin, dass der Nutzer der von den Gutachterausschüssen übermittelten Vergleichspreise nicht erkennt, auf welche Weise das Grundstücksgeschäft angebahnt wurde. Deshalb habe ich dazu in meiner Stellungnahme einen Vorschlag unterbreitet, in welcher Form die Gutachterausschüsse dies künftig bei den Marktteilnehmern abfragen könnten. Das dürfte datenschutzrechtlich kein größeres Problem sein, als die Abfrage manch anderer Daten. Ferner haben die aktiven Sachverständigen häufig ihr Ohr am Grundstücksmarkt, um Preise zu erfahren. Diese Aktivität könnte auf die Anbahnungsverfahren ausgedehnt werden. Zumindest müssten, um dem EU-Recht Genüge zu tun, die Preise aus Kleinverkäufen sehr kritisch behandelt werden. Die Gutachten sollten, wie es häufig geschieht, nicht schwerpunktmäßig auf solche Preise gestützt werden. Die Preise aus kleinen Flächenverkäufen passen auch ohnehin sachlich oft nicht, da die für die BVVG zu bewertenden Flächen in der Regel größer sind. Dieses Problem durch einen Größenaufschlag zu überbrücken, ist empirisch schwer zu fundieren, daher unsicher und grenzt an eine freie Schätzung, die so oder so ausfallen kann.
In dem Beitrag von Karg und Kollegen wird es auch als fraglich bezeichnet, ob Kaufpreise aus Direktvergaben der BVVG in die Betrachtung einzubeziehen sind. Die BVVG hat sie bereits einbezogen und teilt entsprechende erzielte Preise auch als Datengrundlage dem beauftragten Sachverständigen mit. Für die Einbeziehung der Direktverkaufspreise sprechen folgende Argumente: Die Preise werden aus den Ausschreibungsergebnissen der BVVG sowie aus Drittverkaufspreisen abgeleitet, soweit bei letzteren ein marktoffenes Angebotsverfahren unterstellt werden kann. Damit erfüllen die Direktverkaufspreise die Vorgaben des EU-Rechts. Ferner spricht der Grundsatz der Gleichbehandlung für den Einbezug. Ein Direktkäufer sollte so gestellt werden, wie ein Kollege, der zuvor einen Direktkauf von der BVVG getätigt hat (natürlich unter Berücksichtigung eventueller Preisveränderungen).
Das Auftragsschreiben, mit dem die Sachverständigen seitens der BVVG mit der Gutachtenerstellung beauftragt wurden und noch werden, ist nicht hinreichend sachgerecht. Es ist unklar, lässt den Sachverständigen mit der Interpretation der Grundstücksmitteilung der EU allein und ist teils auch verwirrend. Daher ist der Unmut der Sachverständigen und deren Forderung nach Klarheit verständlich.
Der Wertermittlungsbeirat der BImA, dem der Verfasser dieses Beitrags angehört, erarbeitet zurzeit ein neues Auftragsschreiben. Darin muss der Spagat bewältigt werden, dass die FlErwV den Verkehrswert fordert und die Grundstücksmitteilung der EU die ausschließliche Berücksichtigung von Vergleichspreisen aus offenen Angebotsverfahren. Die Lösung kann darin bestehen, dass der Verkehrswert/Marktwert unter den EU-Vorgaben in Form des beihilfefreien Kaufpreises zu ermitteln ist. Es ist also nicht der Verkehrswert nach § 194 BauGB, sondern der beihilfefreie Kaufpreis einzuschätzen. In dem Auftragsschreiben ist dies etwas ausführlicher zu erläutern.