auf der Internationalen Grünen Woche 2017 in Berlin
Thema: Bodenkauf trotz Agrarpreiskrise!?
Termin: 24. 1. 2017, 11.00 – 14.00 Uhr
Ort: Messe Berlin, Großer Stern, Raum Hong Kong
Veranstalter: Redaktion agrarmanager und Briefe zum Agrarrecht, dlv Deutscher Landwirtschaftsverlag, www.agrarmanager.com
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KG Berlin, Urteil vom 26. 8. 2010 – 22 U 179/09 – LG Berlin (22. 9. 2009 – 38?O?300(08)
Gründe:
II.
1 Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt werden, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
2 Das Landgericht hat zu Recht entschieden, dass dem Kläger gegen die Beklagte ein Anspruch auf Rückzahlung überzahlter 19.495,44 € aus § 2 Nr. 5 des zwischen den Parteien geschlossenen notariellen Kauf- und Übereignungsvertrages vom 19. 3. 2008 (§§ 133, 157 BGB) zusteht.
3 1. In § 2 Nr. 5 des Kaufvertrages haben die Parteien einen Anspruch des Klägers als Käufer auf Überprüfung der Kaufpreisbildung und -höhe sowie Anpassung des vereinbarten Kaufpreises vereinbart. Bedenken gegen die Wirksamkeit dieser Anpassungsklausel, die in der Sache den Regelungen in §§ 313 Abs. 1, 2, 315 Abs. 3 BGB entspricht, bestehen nicht. Nach zutreffender Ansicht des Landgerichts ist der Vertragsanpassungsanspruch dahingehend auszulegen, dass er sogleich auf die nach dem geänderten Vertragsinhalt geschuldete Leistung geht. Für die Anpassungsrechte nach §§ 313 Abs. 1, 315 Abs. 3 BGB ist es allgemein anerkannt, dass diese sich sofort auf eine sich aus der Anpassung ergebende Leistung richten.
4 2. Der vom Kläger gezahlte Kaufpreis für das nach § 3 Abs. 5, 7 S. 1 des „Gesetzes über staatliche Ausgleichsleistungen für Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können“ (im Folgenden: AusglLeistG) begünstigt erworbene Ackerland mit einer Fläche von 18,84 ha ist in dem vom Landgericht ausgeurteilten Umfang überhöht.
5 Nach § 3 Abs. 7 S. 1 AusglLeistG ist der Wertansatz für landwirtschaftliche Flächen der Verkehrswert, von dem ein Abschlag in Höhe von 35 % vorgenommen wird. Dem zwischen den Parteien vereinbarten Kaufpreis lag ein von der Beklagten ermittelter Verkehrswert von 11.919 €/ha zugrunde. Das Landgericht gelangte nach dem Ergebnis einer Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu der Überzeugung, dass der tatsächliche Verkehrswert für das streitgegenständliche Ackerland 10.190 €/ha betrug. Das lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Im Einzelnen:
6 a) Das Landgericht hat den Verkehrswert zu Recht durch einen öffentlich bestellten und beeidigten Sachverständigen ermitteln lassen. Es war bei der Verkehrswertbestimmung insbesondere nicht nach § 5 Abs. 1 S. 5 der „Verordnung über den Erwerb land- und forstwirtschaftlicher Flächen und Verfahren nach Ausgleichsleistungsgesetz“ a.?F. (im Folgenden: FIErwV a.?F.) darauf beschränkt, ein Gutachten des dort allein vorgesehenen Gutachterausschusses einzuholen. Die Vorschrift betrifft nur die (außergerichtliche) Verkehrswertermittlung der Kaufvertragsparteien und nicht das gerichtliche Verfahren. Hierfür bleibt § 404, Abs. 1 ZPO maßgebend.
7 Damit kann dahin stehen, dass die in der seit dem 11. 7. 2009 geltenden Neufassung des § 5 FIErwV in Satz 5 alternativ vorgesehene Einholung eines Verkehrswertgutachtens eines öffentlich bestellten und beeidigten Sachverständigen auf den vorliegenden (Alt?)Fall nach § 7 Abs. 2 AusglLeistG anwendbar ist. § 7 Abs. 2 AusglLeistG ordnet eine Rückwirkung auf Altfälle an, wenn Änderungen Erleichterungen für den Erwerber mit sich bringen. Die Erweiterung der Möglichkeiten für eine Verkehrswertermittlung führt zu einer solchen Erleichterung.
8 b) Entgegen der Ansicht der Beklagten sind sowohl das Landgericht als auch der Sachverständige von einem richtigen Verständnis des Verkehrswert-Begriffs in § 3 Abs. 7 S. 1 AusglLeistG ausgegangen. Der Sachverständige hat diesen auch zutreffend im Vergleichswertverfahren nach der WertV a.?F. ermittelt.
9 aa) Einen eigenständigen Verkehrswert-Begriff nach dem AusglLeistG gibt es nicht. Das AusglLeistG enthält weder eine ausdrückliche Definition des Verkehrswerts noch ergibt sich eine solche im Wege der Auslegung. Maßgebend ist vielmehr § 194 BauGB (so z.B. auch Zimmermann in: Rechtshandbuch Vermögen und Investitionen in der ehemaligen DDR, Band II, 56, EL März 2010, § 3 AusglLeistG, Rn. 112; zur Entwicklungsgeschichte der Regelung vgl. etwa Ludden in: Offene Vermögensfragen, Band III, Juni 2009, § 3 AusglLeistG, Rn. 128 ff.). Danach wird der Verkehrswert (Marktwert) durch den Preis bestimmt, der in dem Zeitpunkt, auf den sich die Ermittlung bezieht, im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach den rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften, der sonstigen Beschaffenheit und der Lage des Grundstücks oder des sonstigen Gegenstands der Wertermittlung ohne Rücksicht auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse zu erzielen wäre. Landwirtschaftlicher Verkehrswert ist mit den Worten des BGH (Beschl. v. 27. 4. 2001 – BLw 14/00, NJW-RR 2001, 1022 mwN.) der Wert, der bei einem Verkauf von einem Landwirt an einen anderen Landwirt durchschnittlich erzielt wird. Maßstab ist damit nicht etwa der beste zu erzielende Preis.
10 bb) Auf der Grundlage dieses Verkehrswertbegriffs haben sowohl der Sachverständige O. als auch das Gericht den Verkehrswert des streitgegenständlichen Grundstücks richtig ermittelt. Der Sachverständige hat die Definition des § 194 BauGB nicht nur auf Seite 11 seines Gutachtens wiedergegeben, sondern auch richtig angewendet. Er hat den Verkehrswert darüber hinaus zutreffend nach den Vorgaben im Beweisbeschluss des Landgerichts vom 23. 7. 2008 nach dem Vergleichswertverfahren ermittelt. Die dagegen vorgebrachten Einwendungen der Beklagten haben keinen Erfolg. Im Einzelnen:
11 (1) Unbegründet ist der Einwand der Beklagten, der Sachverständige habe seiner Begutachtung die Kaufpreissammlung des Gutachterausschusses Nordwestmecklenburg zugrunde gelegt, ohne zu überprüfen, ob bei diesen Kauffällen die Grundstücke zuvor „offen am Markt angeboten“ worden seien.
12 (a) Dabei teilt der Senat durchaus die Auffassung der Beklagten, dass für den Verkehrswert auf die „offen am Markt“, also gleichsam nicht „unter der Hand“ abgewickelten Grundstückskäufe abzustellen ist. Ohne Weiteres zu folgen ist insoweit der von der Beklagten in diesem Zusammenhang u.?a. herangezogenen Entscheidung des OLG Dresden vom 18. 5. 2010 (14 U 1451/08 – siehe in diesem Heft S. 20 ff., d. Red.), wonach der „wirkliche Verkehrswert“ festzustellen sei. Mit der von § 194 BauGB vorausgesetzten Ermittlung der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zustande gekommenen Preise ist gemeint, dass sie Ausdruck eines marktangemessenen Aushandelns und damit offenen Anbietens am Markt sind. Dass in Fällen des Verkaufs an Berechtigte nach dem AusglLeistG naturgemäß eine Ausschreibung nicht stattfindet, ist auch von der EU-Kommission berücksichtigt worden, die hierfür die Erstellung eines objektiven Wertgutachtens durch einen unabhängigen Sachverständigen akzeptiert („Mitteilung der Kommission betreffend Elemente staatlicher Beihilfe bei Verkäufen von Bauten oder Grundstücken durch die öffentliche Hand“ [sog. EU-Grundstücksmitteilung], ABl. C 209/3 vom 10. 7. 1997, S. 1 ff., II Nr. 2. a).
13 (b) Zwar ergibt sich aus der Akte nicht, dass der Sachverständige O. die von ihm herangezogenen Verkaufsfälle daraufhin überprüft hat, ob sie „offen am Markt“ angeboten worden sind. Der Senat ist dennoch davon überzeugt, dass der vom Sachverständigen ermittelte Verkehrswert iHv. 10.190 €/ha den tatsächlichen Verkehrswert wiedergibt.
14 Dabei geht der Senat zunächst davon aus, dass der Sachverständige O. als für die Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken/landwirtschaftlichen Grundstücken öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger aufgrund seiner Sachkunde nicht „offen am Markt“ angebotene Verkaufsfälle nicht berücksichtigt hat. Da ihm die nicht anonymisierten Datensätze des Gutachterausschusses vorlagen, waren ihm auch sich daraus ergebende Auffälligkeiten erkennbar. Darüber hinaus bietet die herangezogene Kaufpreissammlung des Gutachterausschusses als solche schon eine hinreichende Gewähr, „auffällige“ und damit auch „verdeckte“ Verkaufsfälle aussondern zu können. Denn in der vom Gutachterausschuss nach § 193 Abs. 5 S. 1 BauGB zu führenden Kaufpreissammlung sind nach der hier einschlägigen „Landesverordnung über die Bildung von Gutachterausschüssen für Grundstückswerte (GutAVO)“ des Landes Mecklenburg-Vorpommern (GVOBl. M-V 1992, S. 401) vor allem „ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse“ auszuweisen (§ 12 Abs. 4, 5 GutAVO). Eine nähere Bestimmung, was darunter zu verstehen ist, findet sich in § 6 Abs. 2 WertV a.F. (ab dem 1. 7. 2010: § 7 ImmoWertV).
15 Erfasst werden damit letztlich Umstände, die die Kaufpreisbildung atypisch beeinflussen können.
16 Die Mitglieder des Gutacherausschusses sind auch aufgrund entsprechender Sach- und Fachkunde in der Lage, solche Unregelmäßigkeiten festzustellen: Nach § 192 Abs. 3 BauGB sollen sie die für die Wertermittlung erforderliche Sachkunde und Erfahrung haben; nach § 2 Abs. 1 S. 2 der GutAVO des Landes Mecklenburg-Vorpommern müssen sie sogar über diese Sachkunde und Erfahrungen verfügen.
17 Sollten hier dennoch nicht „offen am Markt“ angebotene Verkaufsfälle in die Ermittlung eingeflossen sein, haben diese sich auf das Ergebnis jedenfalls nicht ausgewirkt. Der Sachverständige O. hat allein sechs sog. Ausreißer identifiziert, die vom Mittelwert der insgesamt 26 herangezogenen Verkaufsfälle deutlich nach oben oder unten abweichen. Handelt es sich dabei um nicht „offen am Markt“ angebotene Verkaufsfälle, kommt ihnen letztlich keine Bedeutung zu. Nicht nur dass die insgesamt 26 Verkaufsfälle schon aufgrund ihrer großen Anzahl trotzdem eine ausreichend belastbare Grundlage bieten, heben sich die sechs Werte nach den Feststellungen des Sachverständigen gegenseitig auf. Sollten sich dagegen nicht „offen am Markt“ angebotene Objekte unter den anderen 20 Verkaufsfällen finden, kommt ihnen schon allein deswegen keine Bedeutung zu, weil sie nicht vom Durchschnittspreis erheblich abweichen. Dass es sich etwa bei den 20 Fällen insgesamt um „verdeckte“ Verkäufe handelt – und die „Ausreißer“ in eine Richtung der Normalfälle sind –, hält der Senat für unwahrscheinlich.
18 (2) Zu Recht hat der Sachverständige von den in der Anlage B 2 ausgewiesenen Verkaufsfällen der Beklagten nur auf den 1. zurückgegriffen. Die übrigen Objekte entsprechen schon nicht seinen Suchkriterien nach Verkaufszeitraum (Jan. 2007 bis März 2008) und Größe (1 bis 30 ha). Das Abstellen auf diese Auswahlmerkmale für die heranzuziehenden Vergleichsobjekte ist sachgerecht und lässt Fehler nicht erkennen.
19 (3) Fehl geht ferner der Einwand der Beklagten, der Sachverständige O. hätte die Werte des Gutachterausschusses nicht ohne Weiteres berücksichtigen dürfen, da er bei seiner persönlichen Anhörung vor dem Landgericht im Termin am 14. 7. 2009 geäußert habe, er sei sehr skeptisch, dass der Gutachterausschuss auch ungewöhnlichen Geschäftsverkehr aus der Kaufpreissammlung gestrichen habe.
20 Die Beklagte gibt die protokollierte Aussage des Sachverständigen falsch wieder: Dieser äußerte danach, dass er bei den vom Gutachterausschuss Nordwestmecklenburg zugrunde gelegten Bodenrichtwerten wegen deren Richtigkeit sehr skeptisch sei. Ungewöhnlicher Geschäftsverkehr sei bei der Verkehrswertermittlung nicht zu berücksichtigen, ob dies bei allen Gutachterausschüssen auch tatsächlich so gehandhabt werde, könne er nicht garantieren. Das bedeutet nur, dass er die Wertermittlung des Gutachterausschusses für zweifelhaft hält, nicht aber die bloße Datensammlung. Der Sachverständige hat aber nicht die vom Gutachterausschuss ermittelten Werte, sondern allein die dort dokumentierten Daten übernommen und eigenständig bewertet. Dass der Gutachterausschuss die Daten falsch sammelt, folgt aus seiner Erklärung nicht.
21 Im Übrigen ist ungewöhnlicher Geschäftsverkehr nicht aus der Kaufpreissammlung zu streichen, sondern besonders auszuweisen (§ 12 Abs. 4, 5 aE GutAVO) und – wie vom Sachverständigen richtig ausgeführt – bei der Verkehrswertermittlung außer Acht zu lassen.
22 (4) Relevanter Markt sind auch nicht allein die nach dem Flächenerwerbsprogramm der Beklagten veräußerten Flächen. § 3 Abs. 7 S. 1 AusglLeistG stellt mit dem Verkehrswert auf einen einheitlichen, objektiven Begriff ab. Maßgebend ist danach der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr (siehe oben aa) und damit gerade nicht von einem bestimmten Anbieterkreis oder in einem speziellen Vermarktungsverfahren zu erzielende Preis. Verkaufsfälle nur eines Anbieters und damit ein subjektiver Wert können dementsprechend nicht zu Grunde gelegt werden. Gestützt wird dieses Verständnis auch durch § 5 Abs. 1 S. 5 FIErwV, nach dessen Wortlaut die Wertentwicklung nach Bieterverfahren „auch“ und nicht ausschließlich heranzuziehen ist. Darüber hinaus wäre der dortige Verweis auf ein Verkehrswertgutachten sinnlos, wenn Maßstab lediglich die von der Beklagten erzielten Preise sein sollten. Dagegen spricht schließlich auch, dass der Änderung der FIErwV die Erwägung zu Grunde lag, dass die Beklagte anhand der ihr vorliegenden Vergleichswerte aus eigenen und fremden Verkäufen in der Lage sei, durch Berücksichtigung der aktuellen Preisentwicklung ein marktgerechtes Angebot zu unterbreiten (vgl.BT-Ds. 16/12709, S. 7, linke Spalte oben).
23 Nach den Feststellungen des Sachverständigen O. belaufen sich die Verkäufe der Beklagten nur auf höchstens 28 bis 30 % der Gesamtverkäufe und bilden damit nur einen Teil des Marktes ab.
24 Allein eine Differenz zwischen den vom Sachverständigen O. ermittelten Preisen und denen der Beklagten begründet daher Zweifel an den Feststellungen des Sachverständigen nicht.
25 Der Sachverständige hat zu Recht einen Abschlag wegen der Pachtbindung der vom Kläger erworbenen Flächen vorgenommen. Zwar lässt sich seiner ergänzenden Stellungnahme vom 24. 6. 2009 nicht entnehmen, ob ein Verpachtungsabschlag in den von ihm ermittelten Kaufpreisen (insgesamt oder zumindest überwiegend) schon enthalten war. Der Kläger hat jedoch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat unwidersprochen vorgetragen, dass der Sachverständige nur unverpachtete Flächen eingestellt hat.
26 d) In der Sache zu Recht rügt die Beklagte, dass der Sachverständige bei seinen Ermittlungen die Gesamtfläche von 19,57 ha und damit fehlerhaft auch den nicht begünstigt erworbenen Teil von 0,73 ha eingestellt habe. Einen Fehler des angefochtenen Urteils in Höhe der von der Beklagten ermittelten Differenz von insgesamt 101,10 € vermochte der Senat dennoch nicht festzustellen. Denn aufgrund der vom Sachverständigen bei seinen Berechnungen vielfältig vorgenommenen Rundungen, wirkt sich der Rechenfehler im Ergebnis nicht aus.
27 e) Letztlich lässt die vom Landgericht aufgrund der Beweisaufnahme gewonnene Überzeugung vom Verkehrswert auch ansonsten Fehler nicht erkennen.
Die Revision wurde nicht zugelassen.