auf der Internationalen Grünen Woche 2017 in Berlin
Thema: Bodenkauf trotz Agrarpreiskrise!?
Termin: 24. 1. 2017, 11.00 – 14.00 Uhr
Ort: Messe Berlin, Großer Stern, Raum Hong Kong
Veranstalter: Redaktion agrarmanager und Briefe zum Agrarrecht, dlv Deutscher Landwirtschaftsverlag, www.agrarmanager.com
Ende 2016 ist das neue Sonderheft Bodenmarkt 8 mit aktuellen Analysen und Statistiken zum deutschen Bodenmarkt erschienen.
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Auf dieser CD-ROM finden Sie alle 22 Jahrgänge von Briefe zum Agrarrecht (1993 bis 2014).
Die CD bietet umfangreiche Informationen der Briefe in Beiträgen, Dokumenten und Rechtsprechung zum Agrar- und Unternehmensreh. sowie zum Bodenmarkt.
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Joachim Netz, Regierungspräsidium Kassel;
Martin Deimel, Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz Schwerin
Das aus dem Jahre 1961 stammende Grundstückverkehrsgesetz (GrdstVG) sieht Genehmigungsversagungen durch Landwirtschaftsbehörden vor, wenn durch Grundstücksveräußerungen Beeinträchtigungen der Agrarstruktur stattfinden sollen. Im Zentrum der Betrachtung des GrdstVG steht vor allem der zur Verschlechterung der Agrarstruktur führende Verkauf von landwirtschaftlichen Grundstücken an nicht leistungsfähige Nebenerwerbs- oder Nichtlandwirte. Dabei hat die Preisspirale auf den Bodenmärkten der neuen Bundesländer zu einer Renaissance des GrdstVG geführt. So erwog z. B. das Land Brandenburg eine Verschärfung der bestehenden Gesetzeslage, um bereits bei einem groben Missverhältnis des Kaufpreises zum Wert des Grundstücks (§ 9 Abs. 1 Nr. 3 GrdstVG) unterhalb der Schwelle der diesbezüglichen Rechtsprechung die Versagung der Grundstücksverkehrsgenehmigung aussprechen zu können. Ein grobes Missverhältnis liegt aufgrund der Rechtsprechung nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrdstVG vor, wenn die Gegenleistung den Wert des Grundstücks um mehr als die Hälfte übersteigt, besondere Umstände eine andere Beurteilung nicht rechtfertigen1 und durch die Veräußerung ungünstige Auswirkungen auf die Agrarstruktur zu erwarten sind2. Von dieser 50-Prozent-Regelung macht das Bundesland Baden-Württemberg in seinem Agrarstrukturverbesserungsgesetz eine Ausnahme, indem bei Veräußerungen in besonders bezeichneten Gemarkungen der vereinbarte Kaufpreis den aus der Kaufwertstatistik für die Gemeinde, auf deren Gebiet das Grundstück liegt, ermittelten durchschnittlichen landwirtschaftlichen Verkehrswert vergleichbarer Grundstücke nicht um mehr als 20 Prozent übersteigen darf. Andernfalls liegt der Versagungsgrund des überhöhten Kaufpreises vor.
Einen anderen Weg zur stringenteren Anwendung des GrdstVG hat Mecklenburg-Vorpommern gewählt, indem es in den letzten Jahren auf eine konsequentere Anwendung der geltenden Bestimmungen setzt. Im landwirtschaftlichen Berufsstand werden die Bemühungen nicht nur mit Wohlwollen aufgenommen. Dies liegt insbesondere daran, dass in einigen Fällen die Versagungsentscheidungen zu Ergebnissen geführt haben, welche der Agrarstruktur zumindest scheinbar widersprachen.
Im Folgenden werden ausgehend von der ursprünglichen Gesetzesintention, die heutigen Möglichkeiten der staatlichen Einflussnahme auf den Grundstücksverkehr angesprochen und die Vor- und Nachteile der Anwendung des GrdstVG dargestellt und miteinander abgewogen.
Der Gesetzgeber verweist in seinen Motiven zum GrdstVG darauf, dass die rechtsgeschäftliche Veräußerung land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke schon seit 1918 von einer behördlichen Genehmigung abhängig war.3 Damit sollten Spekulationen mit land- und forstwirtschaftlichem Grund- und Boden unterbunden und die Volksernährung gesichert werden.
Nach dem 2. Weltkrieg ging es bezüglich der Reorganisation des Agrarrechts und der Agrarwirtschaft bei der Fortentwicklung des Grundstückverkehrsrechts darum,
Der Gesetzgeber hielt diese „schwierige und vielschichtige Aufgabe ohne eine ordnende Hand nicht für lösbar“. Schon zum damaligen Zeitpunkt war das Gesetz kein Instrument, um mit bodenpolitischen Maßnahmen konkrete agrarstrukturelle Ziele, wie z. B. die Förderung der Tierproduktion, voranzutreiben. Der Staat ist daher weder damals noch heute berechtigt gewesen, über die Versagung von Grundstücksverkehrsgenehmigungen, agrarstrukturellen Fehlentwicklungen zu begegnen.
Mit zunehmender Veränderung der gesellschaftlichen Zielsetzung der Agrarförderung hat auch die Sicherung der Volksernährung als zweckbestimmendes Merkmal des GrdstVG an Bedeutung verloren. An deren Stelle trat zunehmend der Schutz einer wettbewerbsorientierten und vielfältig strukturierten Landwirtschaft. Je umfangreicher die einzelbetrieblichen und gesellschaftlichen Anstrengungen zum Aufbau einer solchen Landwirtschaft waren, desto wichtiger ist natürlich auch deren Schutz.
Gerade in den neuen Ländern waren diese Anstrengungen in den vergangenen zwanzig Jahren besonders groß, weil nach der deutschen Teilung die Anpassung der DDR-Landwirtschaft an die Verhältnisse des Europäischen Agrarmarktes bewältigt werden mussten. Dies ging mit gewaltigen Investitionen der Betriebe und des Staates – in gemeinsamer finanzieller Anstrengung von EU, Bund und Ländern – einher. Allein in Mecklenburg-Vorpommern wurden auf diese Weise seit der Wiedervereinigung schätzungsweise 15 Milliarden € in der Land- und Ernährungswirtschaft investiert, ohne dass dabei bereits die gezahlten EU-Flächenprämien berücksichtigt sind.
Die mit der einzelbetrieblichen Förderung verbundenen Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur (§ 9 Abs. 2 GrdstVG) verdienen es, vor Gefährdungen geschützt zu werden. Dort, wo aufstockungswillig und bedürftige Landwirte dringend auf Fläche angewiesen sind, kann bei Vorliegen der weiteren gesetzlichen Voraussetzungen durch die Versagung von Grundstückverkehrsgenehmigungen verhindert werden, dass die ohnehin mit einer relativ geringen Eigenkapitalquote von 52 % ausgestatteten Landwirtschaftsbetriebe in den neuen Ländern (in den alten Bundesländern 80 %) nicht durch den Entzug von Flächen an der Verwirklichung ihrer Betriebskonzepte gehindert werden.
Der Hauptgrund für die gewachsene Bedeutung des GrdstVG in den neuen Ländern, liegt darin, dass z. B. allein im Land Mecklenburg-Vorpommern pro Jahr mehr als 25.000 bis 30.000 ha (davon nur durch die Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH [BVVG] 20.000 bis 25.000 ha) veräußert werden; das entspricht etwa der Hälfte der gesamten Flächenveräußerung aller westdeutschen Bundesländer (rd. 50.000 ha). Dies liegt zum einen an den agrarstrukturellen Unterschieden zwischen der Landwirtschaft der ost- und westdeutschen Bundesländer. Aufgrund des nach wie vor geringeren Eigenlandanteiles (MV: 34 %) ist natürlich bereits der Erwerbsbedarf einheimischer Landwirtschaftsbetriebe in den neuen Ländern höher als in den alten Bundesländern (62 %).
Hinzu kommt jedoch, dass das Preisgefälle zwischen den alten und neuen Bundesländern nicht nur landwirtschaftliche Erwerbsinteressenten anlockt. Die Entwicklung wird weiterhin dadurch verstärkt, dass die außerlandwirtschaftliche Nachfrage insbesondere auf dem Energiesektor in den vergangenen Jahren stark erhöht wurde. Großflächig strukturierte Länder sind für den Anbau nachwachsender Rohstoffe prädestiniert, so dass auch zunehmend Energieerzeuger auf den landwirtschaftlichen Bodenmarkt drängen. Nicht unterschätzt werden dürfen die Auswirkungen der Finanzkrise. Zunehmend werden Makler auf dem Bodenmarkt tätig, um für außerlandwirtschaftliche Investoren Boden als Kapitalanlage zu beschaffen.
All diese Entwicklungen gemeinsam überfordern die Kapitalkraft vieler Landwirtschaftsbetriebe, die nicht in der Lage sind, in der Kürze der Zeit alle von ihnen bewirtschafteten Flächen, die zum Kauf angeboten werden, selbst zu erwerben.
Insbesondere diejenigen Betriebe, deren Bewirtschaftung von einer Vielzahl von Pachtverhältnissen abhängt, haben es häufig schwer, den Flächenabgang durch Verkäufe ihrer Verpächter an solche Immobilienmakler zu verhindern. Je größer der Umfang der Pachtverhältnisse eines Betriebes, umso schwieriger lässt sich für diesen allein durch freundlichen Umgang mit den Pächtern (sogen. „Verpächterpflege“) ein unkontrollierter Abgang verhindern.
Die in den vergangenen Jahren in Mecklenburg-Vorpommern betriebene konsequente Anwendung des GrdstVG traf nicht in allen Fällen auf Verständnis. Die genannten Kritikpunkte sind zwar nicht unberechtigt, vermögen jedoch an der grundsätzlichen Notwendigkeit einer konsequenten Anwendung des GrdstVG nichts zu ändern.
Aus Kostengesichtspunkten heraus wird auch kritisiert, dass die Umsetzung des GrdstVG mit einem relativ hohen Verwaltungsaufwand verbunden ist. In jedem Verfahren finden Anhörungen statt und müssen Ermittlungen nach verkaufs- und erwerbswilligen Landwirten unter Beteiligung der Bauernverbände durchgeführt werden. Auf diese Weise wird Personal gebunden, das nicht mehr für andere wichtige Aufgaben (insbesondere auf dem Gebiet des Förderwesens) zur Verfügung steht. Der personelle Aufwand, der innerhalb der Agrarverwaltung hierfür betrieben werden muss, ist angesichts der Bedeutung des landwirtschaftlichen Bodens für die dauerhafte Bewirtschaftung von Betrieben nicht unverhältnismäßig. Nicht ohne Grund ist die Bodenfrage für den einzelnen Bauern wie für die Politik insgesamt stets eines der sensibelsten Themen der Nachwendezeit gewesen. Alle Förderung ist vergebens, wenn der Landwirt nicht über den Boden verfügt, der ihm die Nutzung der geförderten Gegenstände ermöglicht. Man kann auch durchaus die Frage stellen, ob die Sicherung der landwirtschaftlichen Nutzfläche langfristig nicht stärker zur Stabilisierung eines Betriebes beiträgt, als die Förderung von Gegenständen, die nicht nur der Abnutzung, sondern auch dem Verfall durch technologischen Fortschritt unterliegen. Hinzu kommt: Abgesehen vom Personalaufwand kostet der Schutz der Agrarstruktur über die Anwendung des GrdstVG relativ wenig. Jedenfalls braucht dieser Aufgabenbereich den finanziellen Vergleich mit den Kostenaufwendungen aus dem EU-, Bundes- und Landeshaushalt für finanzielle Fördermaßnahmen an landwirtschaftliche Betriebe nicht zu scheuen. Die bloße Betrachtung der Personalkosten ist daher zu eng. Selbst in Ländern, die aufgrund gefestigten Preisgefüges und geringer Verschiebungen am Bodenmarkt nicht in gleicher Weise über Gefährdungen für die Agrarstruktur klagen, ist das GrdstVG wegen seiner o.a. Versagungsgründe nach § 9 GrdstVG für die vorhandenen landwirtschaftlichen Betriebe von erheblicher Bedeutung. Aktuelle Statistiken belegen, dass auch einige dieser Länder in den letzten Jahren steigende Zahlen bei den Vorkaufsrechtsausübungen zu vermelden haben.
Entgegen der obigen Kritik ist es gerade in den neuen Bundesländern nach wie vor notwendig, mit den Mitteln des GrdstVG Auswüchsen auf dem landwirtschaftlichen Bodenmarkt zu begegnen. Es wäre falsch, auf den generalpräventiven Effekt des GrdstVG zu verzichten. Auch wenn das Gesetz nicht in jedem Fall zur Anwendung gelangen kann, bzw. nicht immer zum agrarstrukturell gewünschten Ergebnis führt (Benachteiligung eigenkapitalschwacher Tierproduktionsbetriebe), ist die dämpfende Wirkung auf den Einfluss außerlandwirtschaftlicher Erwerbsinteressenten nicht zu bestreiten. Die neuen Länder sollten sich dieses Instrumentes nicht berauben und für den Schutz der Agrarstruktur Flagge zu zeigen. Je bewegter der Bodenmarkt ist, umso größer ist auch die Bedeutung der Genehmigungsversagung, der Genehmigung mit Auflagen und Bedingungen nach dem GrdstVG und ggf. der Ausübung des siedlungsrechtlichen Vorkaufsrechts. Die Anwendung des GrdstVG ist deshalb keine lästige Pflicht, sondern ein wichtiges Instrument zum Schutz geförderter Betriebe, die auf den Boden als Grundlage der landwirtschaftlichen Produktion unabdingbar angewiesen sind. Kaum ein Beruf ist so an die Fläche gebunden wie der des Landwirts. Je weniger der Staat in der Lage ist, den Landwirt mit finanziellen Mitteln zu unterstützen, umso wichtiger werden seine Beiträge, ihn in der Sicherstellung anderer elementarer betrieblicher Bedürfnisse unter die Arme zu greifen.
Ob das GrdstVG zukünftig Beachtung verdient, ist letztlich auch eine Frage der Interessenabwägung. Auf der einen Seite steht das öffentliche Interesse an einer agrarstrukturellen gedeihlichen Entwicklung, die durch den Ausverkauf landwirtschaftlicher Flächen, durch eine unsinnige Verkleinerung landwirtschaftlicher Grundstücke oder Aufteilung landwirtschaftlicher Betriebe sowie durch überhöhte Kaufpreise gefährdet würde. Nicht zu bestreiten ist, dass derzeit die landwirtschaftlichen Bodenmärkte zunehmend von äußeren Einflüssen geprägt werden. Dazu gehören insbesondere die bereits genannte Finanzkrise und die in ihrer Folge eingetretene Kapitalflucht. Daneben zählt hierzu aber auch das Ost-West-Preisgefälle, welches sich aufgrund der Teilung Deutschlands bis heute erhalten hat und nicht zuletzt wird der landwirtschaftliche Bodenmarkt auch durch den aktuellen Privatisierungsauftrag der BVVG beeinflusst, der dazu führt, dass in relativ kurzer Zeit ein hoher Anteil landwirtschaftlicher Fläche auf den Markt gelangt. All diese Entwicklungen gemeinsam überfordern die Kapitalkraft vieler Landwirtschaftsbetriebe, die nicht in der Lage sind, in der Kürze der Zeit alle von ihnen bewirtschafteten Flächen, die zum Kauf angeboten werden, selbst zu erwerben. Auf der anderen Seite steht das Privatinteresse an der autonomen Gestaltung der Eigentumslage an Grundstücken.
Zur Anwendung des GrdstVG gibt es in den neuen Ländern trotz aller Umgehungsmöglichkeiten keine Alternative. Denn es ist angesichts der drohenden Verwerfungen der Agrarstruktur besser, durch die Anwendung des GrdstVG ein stumpfes Schwert zu schwingen, als sich der stattfindenden Entwicklung auf dem Bodenmarkt kampflos zu ergeben. Man wird sehen, ob und inwieweit die Rechtsprechung dazu beitragen wird, das Schwert ein wenig zu schärfen.
Im Berufsstand sind neben der dargestellten Kritik auch durchaus positive Stimmen zu vernehmen, die die behördlichen Anstrengungen, den außerlandwirtschaftlichen Erwerbsinteressen entgegenzutreten, sehr begrüßen.
Diejenigen Genehmigungsbehörden, die das GrdstVG in Mecklenburg-Vorpommern konsequent umsetzen, stellen zunehmend fest, dass ihre Vorgehensweise auch generalpräventive Wirkung zeigt.
Die Rückfragen der Notare zur Genehmigungsfähigkeit beabsichtigter Bodenkäufe mehren sich. Folglich wächst auch das Bewusstsein bei den Verkäufern landwirtschaftlicher Nutzflächen, dass die Veräußerung landwirtschaftlichen Bodens der Agrarstruktur nicht schaden darf und daher besonderen Voraussetzungen unterliegt.
Mit einem stumpfen Schwert wird man zumindest dem Wildwuchs des Bodenmarktes begegnen können. Nichts anderes kann heute noch das Ziel eines Gesetzes sein, dass seit fünfzig Jahren tiefgreifend in die Privatrechtsordnung eingreift und dessen Abschaffung immer wieder in der rechtspolitischen Diskussion war.
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