auf der Internationalen Grünen Woche 2017 in Berlin
Thema: Bodenkauf trotz Agrarpreiskrise!?
Termin: 24. 1. 2017, 11.00 – 14.00 Uhr
Ort: Messe Berlin, Großer Stern, Raum Hong Kong
Veranstalter: Redaktion agrarmanager und Briefe zum Agrarrecht, dlv Deutscher Landwirtschaftsverlag, www.agrarmanager.com
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RA Alexander Zschau, Leipzig*
Im Folgenden sollen zwei für die Praxis interessante Urteile des LG Berlin und ein rechtlicher Hinweis des Kammergerichts Berlin vorgestellt werden.
In der Vergangenheit wurden bereits mehrere Urteile des Landgericht Berlin veröffentlicht (zuletzt Beitrag von RA Dammholz in Briefe zum Agrarrecht 4/2013, S.?131–133), in welchen das Gericht festgestellt hat, dass getroffene Schiedsvereinbarungen eine Bindungswirkung für die BVVG entfalten. Es handelte sich hierbei um Kaufpreisanpassungsvereinbarungen in EALG-Kaufverträgen, welche eine nachträgliche Kaufpreisfestlegung anhand der Feststellungen eines beauftragten Verkehrswertgutachtens regelten.
In einem am 21. 1. 2013 verkündeten Urteil (Az. 90 O 26/12) setzt sich das Landgericht Berlin mit der Frage auseinander, ob eine bei dem Pächterdirekterwerb getroffene Schiedsvereinbarung nach Ziff. 2.2.3 der Privatisierungsgrundsätze 2010 (PG 2010)dem kaufwilligen Agrarunternehmen einen Anspruch auf Abschluss eines Direktkaufvertrages anhand der Feststellungen des Verkehrswertgutachtens garantiert. In seinem Urteil bejaht das Landgericht einen diesbezüglichen Anspruch und stellt fest, dass die BVVG verpflichtet ist, dem klagenden Agrarunternehmen die vom Pächterdirekterwerb erfassten Flächen zu dem anhand des Verkehrswertgutachtens bestimmten Verkaufspreis zu veräußern.
Dem Urteil liegt hierbei folgender Sachverhalt zugrunde:
Ein in Thüringen ansässiges Agrarunternehmen hat aufgrund der Privatisierungsgrundsätze der BVVG einen unstreitigen Direkterwerbsanspruch hinsichtlich der von ihm seit Jahren von der BVVG gepachteten Flächen. Aufgrund der Tatsache, dass der von der BVVG angebotene Verkaufspreis nach Ansicht des Agrarunternehmens deutlich über dem tatsächlichem Verkehrswert der kaufgegenständlichen Flächen zum Zeitpunkt des Angebotes lag, verständigten sich beide Parteien auf eine Schiedsgutachterbeauftragung nach Ziff. 2.2.3 der Privatisierungsgrundsätze 2010. Die betreffende Regelung in den Privatisierungsgrundsätzen lautet:
„Die BVVG ermittelt den Kaufpreis entsprechend § 5 Abs. 1 FlErwV unter Berücksichtigung von Ausschreibungsergebnissen. Kommt eine Einigung über den Preis nicht zustande, kann ein Gutachten in Auftrag gegeben werden. …“
Hierzu schlossen die Parteien eine schriftliche Schiedsgutachtervereinbarung, welche inhaltlich wie folgt lautet:
„Die BVVG beabsichtigt als von der BvS benannte Privatisierungsstelle land- und forstwirtschaftliche Flächen entsprechend der Regelungen der zwischen Bund und Ländern abgestimmten Privatisierungsgrundsätze 2010 zu veräußern.
Der Käufer hat mit Datum vom … ein Kaufpreisangebot für die landwirtschaftlichen Flächen …. erhalten.
Der Käufer und die BVVG haben sich darauf verständigt, dass der Marktwert für diese Flächen entsprechend dem dieser Vereinbarung anliegenden Auftragsschreiben durch einen öffentlich bestellten und vereidigten landwirtschaftlichen Sachverständigen … ermittelt werden soll.
Diese Vereinbarung ist nicht einseitig widerrufbar.“
Daraufhin kam es zu der vereinbarten Beauftragung des Gutachters, welcher in seinem Verkehrswertgutachten feststellte, dass der tatsächliche Verkehrswert der kaufgegenständlichen Flächen ca. 40.000,00 € unter dem Kaufpreisangebot der BVVG liegt. Nach Vorlage des Gutachtens versucht das Agrarunternehmen mehrfach erfolglos die BVVG aufzufordern, nach den Feststellungen des Gutachters den Kaufvertrag abzuschließen. Der Abschluss wird von der BVVG ohne weitere Begründung verweigert. Daraufhin erhob das Agrarunternehmen bei dem Landgericht Berlin eine Feststellungsklage, in welcher seitens des Gerichts festgestellt werden sollte, dass die BVVG zu dem vom Gutachter festgelegten Verkaufspreis die vom Pächterdirekterwerbsanspruch umfassten Flächen zu veräußern hat.
Die Bejahung eines Erwerbsanspruchs auf Grundlage des vom Gutachter bestimmten Kaufpreises ist nach Ansicht des Autors von Relevanz für die Praxis. Dies vor dem Hintergrund der Tatsache, dass dem Autor eine große Anzahl von gleichgelagerten Sachverhaltskonstellationen bekannt ist. In zahlreichen Fällen hat die BVVG zunächst aufgrund einer Uneinigkeit über ihr Kaufpreisangebot auf Grundlage der PG 2010 ein gemeinsames Verkehrswertgutachten mit dem Agrarunternehmen in Auftrag gegeben. Stellt der Gutachter in diesem Fall fest, dass der von der BVVG bestimmte Verkaufspreis zu hoch bemessen ist und nicht den tatsächlichen Verkehrswert zum Angebotszeitpunkt wiedergibt, hat die BVVG bisher immer den Abschluss eines Kaufvertrages mit dem Argument verweigert, dass die Feststellungen des Gutachters falsch und für sie nicht verbindlich seien.
In diesen Fällen beruft sich die BVVG darauf, dass das Verkehrswertgutachten auf Auskünften des ortsansässigen Gutachterausschusses beruhe, dessen Kaufpreissammlung keine marktgerechte Wertermittlung zulässt. Hierbei argumentiert die BVVG immer wieder damit, dass nur ihre eigenen öffentlichen Ausschreibungsfälle geeignet seien, „europarechtskonform“ den Verkehrswert zu bestimmen.
Auch im vorliegenden Urteil setzt sich das Landgericht Berlin mit der vorgestellten Argumentation auseinander und kommt zu dem Ergebnis, dass das vorliegende Verkehrswertgutachten rechtlich als Schiedsgutachten zu werten ist, welches nur dann keine Bindungswirkung zwischen den Parteien entfaltet, wenn es offenbar unrichtig ist (vgl. BGH, Urteil vom 21.9.1983 – VIIIZR233/82, NJW 1984, 43). Offenbar unrichtig ist ein Schiedsgutachten wiederum dann, wenn es Fehler beinhaltet, die sich einem sachkundigen und unbefangenen Beobachter aufdrängen. Das Landgericht kommt hierbei zu dem Ergebnis, dass das Verkehrswertgutachten keine offenkundigen Fehler beinhaltet, weshalb es für die BVVG bindend ist. Bei seiner Begründung verweist das Landgericht unter anderem auf die bereits zurückliegende Rechtsprechung des Kammergerichts in seinem Urteil vom 26. 8. 2010 – 22 U 179/09, NL-BzAR 2011, 23. In diesem Urteil bejaht das Kammergericht eine Geeignetheit der Kaufpreissammlung des Gutachterausschusses als Basis für eine Verkehrswertbildung und legt dar, dass die öffentlichen Ausschreibungsfälle der BVVG nur einen Teil des Grundstücksmarktes wiedergeben, jedoch nicht den Markt als Ganzes.
Anzumerken ist, dass die BVVG gegen das Urteil des LG Berlin vom 21.1.2013 Berufung bei dem Kammergericht eingelegt hat. Der Autor geht jedoch davon aus, dass das Kammergericht der Ansicht des Landgerichts folgen wird. Dies vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die BVVG mit ihrer Vorgehensweise der Nichtakzeptanz der Kaufpreisfestlegung des Gutachters nach der getroffenen Schiedsvereinbarung einen eindeutigen Vertragsbruch begeht, welcher nicht durch die Argumentation der BVVG gerechtfertigt werden kann.
In einem am 25.9.2012 verkündeten Urteil (Az: 22O417/11) stellt das Landgericht Berlin fest, dass die regionalen Wertansätze im Einzelfall geeignet sind, den Verkehrswert bei einem EALG-Kaufvertrag festzulegen.
Dem Urteil liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Ein in Sachsen ansässiges Agrarunternehmen schloss im Jahr 2009 einen begünstigten Kaufvertrag nach dem Ausgleichleistungsgesetz. In dem Kaufvertrag wurde eine gerichtliche Kaufpreisanpassungsklausel aufgenommen, welche lautet:
„Die Parteien sind sich … darüber einig, dass sie den Vertrag entsprechend einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung anpassen werden. Einigkeit besteht jedoch auch darüber, dass der Vertrag mit dem vereinbarten Kaufpreis Bestand haben soll, sofern der Käufer den sich vorbehaltenen Kaufpreisanpassungsanspruch nicht weiter verfolgt oder gegebenenfalls durch ein Gericht rechtskräftig festgestellt wird, dass ihm ein solcher nicht zusteht.“
Aufgrund der getroffenen Vereinbarung klagt das Agrarunternehmen nach Kaufvertragsabschluss auf die Rückerstattung des Differenzbetrages zwischen dem im Kaufvertrag von der BVVG festgelegten Kaufpreis und den auf Grundlage der regionalen Wertansätze 2007 gebildeten Kaufpreis. Dieser Differenzbetrag bemisst sich auf ca. 51.000,00 €.
Das Agrarunternehmen begründet seine Klage damit, dass sich der Verkehrswert der begünstigt erworbenen Flächen nach den regionalen Wertansätzen 2007 zu bestimmen hat, da die BVVG bisher keine tatsächlichen Anhaltspunkte für die Ungeeignetheit der regionalen Wertansätze im Sinne von § 5 Abs. 1 FlErwV a.?F. vorgetragen hat. Dieser Auffassung schließt sich das Landgericht vollumfänglich an und stellt fest, dass mangels einer von der BVVG nachgewiesenen Ungeeignetheit der regionalen Wertansätze diese zur Verkehrswertbildung bzw. Kaufpreisfestlegung heranzuziehen sind. Infolge dessen verurteilt das Landgericht Berlin die BVVG, den vorbenannten Differenzbetrag in Höhe von ca. 51.000,00 € an das klagende Agrarunternehmen auszuzahlen. Das Landgericht stellt in seiner Entscheidung klar, dass sich der Sachverhalt, welcher seiner Entscheidung zugrunde liegt, von dem Sachverhalt des Urteils des Kammergericht vom 18. 11. 2010 (22 U 14/10, NL-BzAR 2011, 161) unterscheidet, da in diesem Verfahren vor dem Kammergericht beide Parteien von einer Ungeeignetheit ausgingen. Im vorliegenden Verfahren hält die Klägerin die regionalen Wertansätze jedoch ausdrücklich für geeignet, die Ermittlungsgrundlage zur Bestimmung des Verkehrswertes darzustellen. In diesem Fall obliegt es nach Ansicht des Landgerichts Berlin der BVVG, die Ungeeignetheit der regionalen Wertansätze darzulegen.
Interessant an dieser Entscheidung ist, dass das Landgericht der BVVG konkret die Beweiserbringungspflicht für die Ungeeignetheit der regionalen Wertansätze auferlegt. Auch diese Entscheidung des LG Berlin ist noch nicht rechtskräftig, da die BVVG Berufung eingelegt hat.
Der Autor äußerte bereits in der Vergangenheit (Beitrag in den Briefen zum Agrarrecht 6/11, S. 227–203) Kritik an der gutachterlichen Bewertung großer Flächenlose bei EALG-Kaufverträgen. Hierbei vertritt er die Meinung, dass bei EALG-Kaufverträgen ein Losgrößenzuschlag des gerichtlich beauftragten Sachverständigen ungerechtfertigt ist. Begründet wird diese Kritik mit dem Argument, dass der Losgrößenzuschlag vom Gutachter pauschal ohne konkrete gesetzliche oder gerichtliche Vorgaben hinsichtlich seiner Berechnung bestimmt wird. Als weiterer Kritikpunkt wird angeführt, dass die EALG-Kaufverträge auch in kleinere Lose aufgeteilt werden können, wobei diese kleineren Kaufverträge keinen vom Gutachter getroffenen Losgrößenzuschlag nach sich ziehen.
Dieser kritischen Betrachtungsweise scheint sich nunmehr das Kammergericht Berlin anzuschließen. Im Einzelnen erlässt das Kammergericht in einem EALG-Kaufpreisanpassungsverfahren (Az: 14 U 55/11) einen auf den 22.?2.?2013 datierten Hinweisbeschluss, in welchem es darauf hinweist, dass es möglicherweise die Auffassung vertritt, dass das auf Kaufpreisanpassung klagende Agrarunternehmen nach dem AusglLeistG möglicherweise einen Anspruch auf Erwerb von Einzelflächen, nicht aber auf Erwerb der Gesamtfläche hat. Diese Erwägung könnte nach Ansicht des Kammergerichts im Ergebnis dazu führen, dass ein Losgrößenzuschlag abzulehnen ist.
In dem vom Kammergericht zu entscheidenden Berufungsverfahren wendet sich das klagende Agrarunternehmen konkret gegen einen vom gerichtlich in erster Instanz bestellen Gutachter vorgenommen Losgrößenzuschlag in Höhe von 30?%.
In der mündlichen Verhandlung, welche dem vorbenannten Hinweisbeschluss vorausging, legte das Kammergericht dar, dass es dem EALG-erwerbsberechtigten Agrarunternehmen rechtlich möglich ist, auf Grundlage des AusglLeistG die von ihm in der Vergangenheit gepachteten Flächen einzeln zu erwerben. Demnach kann ein Agrarunternehmen, welches sich dazu entscheidet, seine vom EALG-Erwerbsanspruch umfassten Flächen auf einmal in einem Kaufvertrag zu erwerben, nicht schlechter gestellt werden als ein Unternehmen, welches sich dazu entscheidet, seinen Erwerbsanspruch auf mehrere Kaufverträge zu splitten.
Es bleibt abzuwarten, ob das Kammergericht bei seiner derzeitigen Rechtsansicht bleibt. Festzustellen ist jedoch, dass die Argumentation des Kammergerichts schlüssig und überzeugend ist. Eine abschließende Entscheidung des Kammergerichts in Form eines Urteils steht jedoch noch aus.