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Thüringer OLG, Beschluss vom 22. 5. 2014 – Lw U 426/13 – AG Meiningen (18. 10. 2012 – Lw 3/12)

Gründe

   I.

 1            Mit der im Betreff bezeichneten notariellen Urkunde veräußerte die Beteiligte zu?2 (Verkäuferin, Antragstellerin zu 2. und Beschwerdegegnerin) an den Beteiligten zu?3 (Käufer, Antragsteller zu 1. und Beschwerdegegner) diverse in der Gemarkung?O. gelegene und an den dort bereits vorhandenen Waldbesitz des Beteiligten zu?3 (800?ha) unmittelbar angrenzende Flurstücke mit einem Flächenumfang von 16,5084?ha. Als Kaufpreis wurde ein Betrag in Höhe von 66.033,90?€ vereinbart. Die Flurstücke wurden von der Schäferei U. zur Schafhutung genutzt.

 2            Nachdem die Thüringer Landgesellschaft mbH (Siedlungsunternehmen) durch Erklärung vom 20. 12. 2011 das siedlungsrechtliche Vorkaufsrecht nach Maßgabe des § 4 RSG ausgeübt hatte, hat die Genehmigungsbehörde dies dem Notar und den Vertragspartnern mit Schreiben vom 3.?1.?2012 mitgeteilt und weiter ausgeführt, der Erwerb der verfahrensgegenständlichen Flurstücke an den Beteiligten zu 3 als Nichtlandwirt führe zu einer ungesunden Bodenverteilung i. S. d. § 9 Abs. 1 Ziffer 1 GrdstVG.

 3            Hiergegen haben die Beteiligten zu 2 und zu 3 form- und fristgemäß Anträge auf gerichtliche Entscheidung gestellt. …

 4            In der mündlichen Verhandlung am 18. 10. 2012 vor dem Amtsgericht hat der Generalbevollmächtigte des Beteiligten zu 3 ausgeführt, der Beteiligte zu 3 bewirtschafte 2.600?ha Wald, davon 800 ha in O. Darüber hinaus bewirtschafte er in K. 200 ha landwirtschaftliche Fläche. Es sei geplant, die verfahrensgegenständlichen Flurstücke, die an den Forst in O. angrenzen, als reine Wiesenflächen zur Produktion von Futtermittel, z.B. Heu zu nutzen. Der Beteiligte zu 3 lasse auch zu, dass die Grünflächen, die im Wald liegen oder an diesen angrenzen, weiter zur Schafhutung genutzt würden.

 5            Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 18. 10. 2012 den Anträgen entsprochen und den verfahrensgegenständlichen Kaufvertrag grundstücksverkehrsrechtlich genehmigt. Es hat die Auflage erteilt, dass der Beteiligte zu 3 die Hutung der nicht mähbaren Flächen einem ortsansässigen Landwirtschaftsbetrieb zu ortsüblichen Bedingungen anzubieten hat. Zur Begründung hat das Amtsgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass eine ungesunde Verteilung von Grund und Boden nicht vorliege. Der Beteiligte zu 3 sei Haupterwerbslandwirt und wolle die Flächen weiterhin einer landwirtschaftlichen Nutzung zuführen. Der Umstand, das der Hauptbetriebssitz des Beteiligten zu 3 ca. 170 km entfernt liege, stünde einer sinnvollen landwirtschaftlichen Nutzung nicht entgegen.

 6            Gegen diesen, am 30. 10. 2012 zugestellten Beschluss wendet sich die Beteiligte zu 1 (Thüringer Ministerium für Landwirtschaft …, übergeordnete Genehmigungsbehörde und Beschwerdeführer) mit ihrer am 6. 11. 2012 beim Amtsgericht Meiningen eingegangenen Beschwerde. Sie ist der Meinung, das siedlungsrechtliche Vorkaufsrecht sei wirksam ausgeübt worden. Eine ungesunde Verteilung des Grund und Bodens i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrdstVG liege vor, da der Beteiligte zu 3 als Nichtlandwirt landwirtschaftliche Grundstücke erwerben wolle, obwohl Landwirte die Flächen dringend zur Aufstockung ihres Betriebes benötigen und zum Erwerb zu den Bedingungen des zur Genehmigung vorgelegten Vertrages bereit und in der Lage seien. Der Beteiligte zu 3 führe einen Forstwirtschaftsbetrieb. Er habe keinen Nachweis erbracht, dass er einen leistungsfähigen Landwirtschaftsbetrieb im Haupt- oder Nebenerwerb führe. Selbst wenn der Beteiligte zu 3 einen landwirtschaftlichen Betrieb führen sollte, läge dieser 170 km von den verfahrensgegenständlichen Flächen entfernt. Der Versagungsgrund der ungesunden Bodenverteilung sei auch dann gegeben, wenn der Erwerb durch den hauptberuflichen Landwirt keine Verbesserung der Agrarstruktur zur Folge hätte. Nachteilige Auswirkungen auf die Agrarstruktur seien dann gegeben, wenn die Hofstelle von dem Grundstück so weit entfernt liege, dass dadurch die zur Bewirtschaftung notwendigen Arbeiten erschwert und unrationell würden. Hiervon könne ab einer Entfernung von 10 bis 15 km ausgegangen werden. Eine ungesunde Verteilung von Grund und Boden liege vor, wenn ein Landwirt mit Grundstücken in eine fremde Gemarkung eindringe und die Entfernung zwischen Hauptbetriebsstelle und dem erworbenen Grundstück unwirtschaftlich sei. Die erteilte Auflage sei nicht nachvollziehbar. Es sei nicht erkennbar, ob es sich um eine Veräußerungs- oder Verpachtungsauflage handele und welche verfahrensgegenständlichen Flächen hiervor erfasst seien. Darüber hinaus sei die Kostenentscheidung in Bezug auf die Gerichtskosten fehlerhaft.

 7            Das Landwirtschaftsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 16. 5. 2013 nicht abgeholfen und sie dem Oberlandesgericht vorgelegt.?

8 Die Beteiligte zu 2 verteidigt die angefochtene Entscheidung in der Hauptsache. Die Ausübung des siedlungsrechtlichen Vorkaufsrechtes leide an formellen Fehlern. Weder die Erklärung der Landgesellschaft vom 20. 12. 2011 noch der Bescheid der Genehmigungsbehörde vom 3. 1. 2012 seien ausreichend begründet worden. Der Versagungsgrund der ungesunden Bodenverteilung sei nicht gegeben. Der Beteilige zu 3 sei Landwirt. Die Entfernung zwischen den verfahrensgegenständlichen Grundstücken und dem Hauptbetrieb des Beteiligten zu 3 lasse eine wirtschaftliche Nutzung der Flächen zu. Es sei nicht dargetan, dass die Schäferei einen dringenden Aufstockungsbedarf habe und in der Lage sei, die Grundstücke zu erwerben. Die Kosten­entscheidung des Amtsgerichtes sei allerdings mit den gesetzlichen Vorschriften nicht zu vereinbaren.

 9            Auch der Beteiligte zu 3 beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Der Versagungsgrund der ungesunden Bodenhaltung liege bereits deshalb nicht vor, weil die verfahrensgegenständlichen Grundstücke an die in seinem Eigentum angrenzenden Forstflächen grenzten und zur Bewirtschaftung die bereits vorhandene Technik genutzt werden könne.

10           Das Siedlungsunternehmen sowie die Berufs­vertretung schließen sich dem Beschwerdevorbringen an.

   II.

11           Die Beschwerde ist nach §§ 9 LwVG, 58 ff. FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Beschwerdeberechtigung der Beteiligten zu 1 als übergeordnete Behörde der Genehmigungsbehörde ergibt sich aus §?32 Abs. 2 Satz 2 LwVG. in der Sache hat die Beschwerde nur in Bezug auf die Kostenentscheidung in dem angefochtenen Beschluss Erfolg.

12           Das Amtsgericht Meiningen hat dem Grundstückskaufvertrag vom 5. 10. 2011 zu Recht die Genehmigung nach § 9 Abs. 1 GrdstVG erteilt, weil der Versagungsgrund der ungesunden Bodenverteilung nach §?9 Abs. 1 Ziffer 1 GrdstVG nicht vorliegt.

13           Nach ständiger Rechtsprechung liegt eine ungesunde Verteilung des Grund und Bodens im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrdstVG vor, wenn ein Nichtlandwirt ein landwirtschaftliches Grundstück erwirbt, obwohl Landwirte diese Fläche dringend zur Aufstockung ihres Betriebes benötigen und zum Erwerb zu den Bedingungen des zur Genehmigung vorgelegten Vertrages bereit und in der Lage sind (vgl. BGH NL-BzAR 2006, 329, Beschl. des Senats v. 9. 12. 2009 – Lw U 626/09). Bei der Anwendung von § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrdstVG sind nach herrschender Meinung, der der Senat in ständiger Rechtsprechung folgt, Haupt- und Nebenerwerbslandwirte hinsichtlich ihres Erwerbsinteresses gleichrangig zu berücksichtigen (Beschl. des Senat a. a. O.).

14           Vorliegend kann dahinstehen, ob der Beteiligte zu 3, der mit seiner Familie 2.600 ha Wald und demgegenüber nur 200?ha landwirtschaftliche Fläche bewirtschaftet, Haupterwerbslandwirt ist. Denn der Beteiligte zu 3 ist zumindest als leistungsfähiger Neben­erwerbs­landwirt anzusehen .

15           Bereits die Größe der landwirtschaftlich bewirtschafteten Fläche von 200 ha spricht dafür, dass deren Bewirtschaftung eine erhebliche Arbeitszeit in Anspruch nehmen muss und dem Beteiligten zu 3 und seiner Familie eine nicht unerhebliche Einnahmequelle verschafft. Darüber hinaus wird der landwirtschaftliche Betrieb des Beteiligten zu 3, wie dessen Generalbevollmächtigter in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht Meiningen ausgeführt hat, professionell als eigenes Profitcenter mit einem eigenen Betriebsleiter geführt und verfügt über ausreichend technische Geräte, was ebenfalls dafür spricht, dass der landwirtschaftliche Betrieb des Beteiligten zu 3 profitabel betrieben wird. Auch nach den Erfahrungen der sachkundigen ehrenamtlichen Richter geht ein Betrieb dieser Größenordnung und dieses Zuschnittes weit über das Betreiben von Landwirtschaft als Hobby hinaus (vgl. auch Beschl. des Senats v. 21. 3. 2014 – Lw U 806/13).

16           Der Erwerb durch einen leistungsfähigen Nebenerwerbslandwirt ist in der Regel entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 1 agrarstrukturell auch dann nicht zu beanstanden, wenn andere Landwirte das Grundstück ebenso dringlich oder noch dringlicher benötigen. Es kommt daher grundsätzlich nicht darauf an, ob vorliegend tatsächlich ein aufstockungsbedürftiger Landwirt vorhanden ist, der die verfahrensgegenständlichen Flurstücke benötigt. Ebenfalls ist es unerheblich, ob der Beteiligte zu 3 als nicht ortsansässiger Landwirt in eine fremde Gemarkung eindringt. Auch die Entfernung von 170 km zwischen den Flurstücken und dem Sitz des landwirtschaftlichen Betriebes des Beteiligten zu 3 im Landkreis K. führt vorliegend nicht zu einer ungesunden Boden­verteilung.

17           Allerdings nimmt der Senat bei derartigen Konstellationen nach entsprechender Einzelfallprüfung trotz Grundstückerwerbs durch einen leistungsfähigen Nebenerwerbslandwirt ausnahmsweise unter bestimmten Voraussetzungen den Versagungsgrund der ungesunden Bodenverteilung nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrdstVG an (Beschl. des Senats v. 24. 6. 2013 – Lw U 350/13; Beschl. des Senats v. 12. 5. 2011 – Lw U 184/11; Netz, GrdstVG, 5. Aufl., Ziffer 4.1 0.3.5.2 m. W. N.; a. A. wohl OLG Dresden, Beschl. v. 27. 4. 2006 – W XV 1485/05 sowie OLG Rostock, Beschl. v. 17. 12. 2010 – 14 U 6/10).

18           Voraussetzung hierfür ist, dass der Landwirt gar nicht beabsichtigt, das Grundstück eigenverantwortlich landwirtschaftlich zu nutzen, sei es durch Einbeziehung in seinem Stammbetrieb, Gründung eines Zweigbetriebs im Umkreis des betroffenen Grundstücks oder auch im Wege der Lohnbewirtschaftung oder eine solche Nutzung aufgrund der objektiven Gegebenheiten im Einzelfall unrealistisch erscheint.

19           Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Der Beteiligte zu 3 beabsichtigt, wie sein Generalbevollmächtigter in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, die verfahrensgegenständlichen Flächen, die direkt an seinen Forst in?O. angrenzen und bisher als Wiesenflächen zur Schafhutung genutzt wurden, weiterhin landwirtschaftlich zu betreiben und auf diesen Futtermittel, z.?B. Heu zu produzieren. Die beabsichtigte Nutzung der Flächen ist auch nicht unrealistisch. Anders als Ackerlandbewirtschaftung setzt die Heugewinnung eine umfangreiche Logistik und einen aufwändigen Maschinenbestand nicht voraus. Der Beteiligte zu 3 verfügt aber unproblematisch auch über die technische Ausstattung selbst die mit einem Traktor nicht mähfähigen Teilflächen entsprechend zu bewirtschaften. Denn der Generalbevollmächtigte des Beteiligten zu 3 hat ausgeführt, dass der Betrieb des Beteiligten zu 3 über bereits vorhandene Geräte, nämlich kleine Schlepper und Mähbalkenmäher verfügt, die statt eines Traktors eingesetzt werden können. In Bezug auf die nicht mähbaren Flächen soll es bei der bisherigen Nutzung als Weide­fläche verbleiben. Anhaltspunkte dafür, dass die Angaben des Generalbevollmächtigten nicht der Wahrheit entsprechen, liegen nach Aktenlage nicht vor und werden von der Beteiligten zu 1 auch nicht geltend gemacht.

20           Demzufolge liegt der Versagungsgrund des § 9 Abs. 1 Ziffer 1 GrdstVG nicht vor. Es bedarf daher keiner Erläuterungen mehr, ob die Erklärung der Thüringer Landgesellschaft mbH vom 20. 12. 2011 und die Mitteilung der Genehmigungsbehörde vom 3. 1. 2012 mangels ausreichender Begründung aufzuheben wären.

21           Soweit die Beteiligte zu 1 ausführt, die im angefochtenen Beschluss getroffene Auflage sei nicht nachvollziehbar, ist dies zutreffend. Zwar dürfte es sich um eine Verpachtungsauflage nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 GrdstVG handeln. Da in der Auflage aller­dings die anzubietenden nicht mähbaren Flächen nicht bezeichnet werden, ist die Auflage schon nicht vollstreckbar. Vor allem aber sind Auflagen oder Bedingungen i. S. der §§

10, 11 GrdstVG nur zulässig, wenn sie zur Ausräumung eines Versagungsgrundes i. S. d. § 9 Abs. 1 GrdstVG führen. Liegt ein Versagungsgrund i. S. des § 9 Abs. 1 GrdstVG wie hier aber gar nicht vor, entspricht es einhelliger, vom Senat geteilter Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, dass die Genehmigung nicht mit einer Auflage oder Bedingung verbunden werden darf, sondern vorbehaltslos zu erteilen ist (vgl. Beschl. des Senats, AgrarR 2001, 31 ff. m. w. N). Das Verbot der reformatio in peius (Verschlechterung, Verböserung, d. Red.) gilt im Genehmigungsverfahren nach dem Grundstücksverkehrsgesetz nicht (vgl. BGH, in RdL 1998, 274 f.). Der Senat hat daher die Auflage ersatzlos aufgehoben.

22           Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 hat insoweit Erfolg, als sie sich gegen die im angefochtenen Beschluss getroffene Kosten­entscheidung hinsichtlich der Gerichtskosten wendet. Die Genehmigungsbehörde ist gem. §§ 42 Abs. 2, 41 LwVG a. F. von der Zahlung der Gerichtskosten befreit. Die Auffassung des Amtsgerichts, den Freistaat Thüringen als Antragsgegner zu betrachten und diesem teilweise die Gerichtskosten aufzuerlegen, findet im Gesetz keine Stütze.

23           Der Senat hat nach § 42 Abs. 1 LwVG a. F. von der Erhebung von Gerichtskosten für beide Instanzen abgesehen, weil es unbillig ist, die Beteiligten zu 1 und zu 2, die mit ihren Anträgen vollen Erfolg haben, mit den Kosten zu belasten. Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf §§ 44, 45 LwVG a. F. Die Beteiligte zu 1 hat die Beschwerde erhoben und gilt damit als Beteiligte i.S.d. § 32 Abs. 2 Satz 3 LwVG, der die außergerichtlichen Kosten anderer Beteiligter auferlegt werden können.

24           Die Festsetzung des Wertes des Beschwerde­gegen­standes folgt aus § 36 Abs. 1 LwVG a. F.

25           Gründe, gem. § 70 Abs. 2 FamFG die Rechtsbeschwerde zuzulassen sind nicht ersichtlich. Der Beschluss ist daher gem. § 70 Abs. 1 FamFG unanfechtbar.