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R E C H T S P R E C H U N G

Sächsisches Finanzgericht, Urteil vom 30. 4. 2008 – 5 K 1464

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

1. Das Finanzamt … wurde durch gesetzlichen Beteiligtenwechsel Beklagter im vorliegenden Verfahren, weil es aufgrund der Rechtsgrundlage des § 17 Finanzverwaltungsgesetz für die bisher in den Zuständigkeitsbereich des Finanzamtes … fallende Steuerpflichtige sachlich und örtlich zuständig geworden ist (vgl. Bundesfinanzhof – BFH – Urt. v. 24. 02. 1987, VII R 23/85, VFH/NV 1987, 283 m.w.N.).

2. Die Klägerin ist berechtigt, die von den LPGen B. und K. im 2. Halbjahr 1990 erzielten Verluste geltend zu machen. Sie hat das gemäß § 1 Abs. 5 DMBilG bestehende Wahlrecht durch die Geltendmachung der rechnerisch auf sie entfallenden Verluste der LPGen ausgeübt.
Nach § 1 Abs. 5 Satz 1 DMBilG i.d.F. vom 28. 7. 1994 können zur Rechnungslegung verpflichtete Unternehmen, die bis zum 30. 6. 1991 durch Gründung, Umwandlung, Verschmelzung, Spaltung oder Entflechtung entstehen, für die Zwecke dieses Gesetzes als zum 1. 7. 1990 entstanden angesehen werden; auf Unternehmen, die aus landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften hervorgegangen sind, ist diese Regelung bis zum 31. 12. 1991 anzuwenden.
Die Frist gilt als gewahrt, wenn das neue Unternehmen oder die neue Rechtsform bis zum Ablauf der Frist zur Eintragung in das zuständige Register angemeldet ist.
Die durch die Umstrukturierung erst nach dem 1. 7. 1990 entstandenen Unternehmen können also eine DM-Eröffnungsbilanz auf den Stichtag 1. 7. 1990 erstellen. Es wird hierbei fingiert, dass das Unternehmen in der Form, die es durch die Umstrukturierungsmaßnahmen bis zum 31. Dezember 1991 gefunden hat, bereits am 1. 7. 1990 existierte (vgl. BFH – Urt. v. 5. 4. 2006, I R 23/05, VFH/NV 2007, 15). § 1 Abs. 5 DMBilG dient der Vereinfachung.
Die Vorschrift trägt dem Umstand Rechnung, dass innerhalb der Frist zur Erstellung der Eröffnungsbilanz zahlreiche Unternehmen neu gegründet oder in eine private Rechtsform umgewandelt wurden.
Ohne die Regelung würde die Pflicht des bisherigen Unternehmens fortbestehen, eine eigene DM-Eröffnungsbilanz zu erstellen (BTDrucks 11/7817 S. 69). Um diesen doppelten Aufwand zu vermeiden, können Unternehmen für Zwecke des DMBilG als bereits zum 1. 7. 1990 gegründet angesehen werden. In den Anwendungsbereich der Vorschrift fallen solche Unternehmen, denen die Eröffnungsbilanzen der Vorgängerunternehmen nicht zugerechnet werden können, weil entweder ein Rechtsträgerwechsel stattgefunden hat oder wegen der anderen Rechtsform in der Eröffnungsbilanz andere Werte anzusetzen sind.
Die Klägerin hat keine „eigene" DM-Eröffnungsbilanz vorgelegt, sondern den rechnerisch auf sie entfallenden Verlust anhand der Wertansätze der Aktiva und Passiva in den Schlussbilanzen der LPGen zum 30. 6. 1991 ermittelt. Diese Wertansätze sind von den DM-Eröffnungsbilanzen der LPGen zum 1. 7. 1990 abgeleitet. Anders als in dem dem BFH zur Entscheidung vorliegenden Sachverhalt fand im Streitfall zum 28. 5. 1991 eine übertragende Umwandlung statt. Ausweislich der Ausführungen in dieser Entscheidung gilt § 1 Abs. 5 DMBilG aber gerade für die Fälle der übertragenden Umwandlung, weil die Norm überhaupt nur bei einer Umwandlung durch Rechtsträgerwechsel anwendbar ist (BFH, a.a.O. unter 2.c). Außerdem liegen bereits DM-Eröffnungsbilanzen der LPGen B. und K. vor, sodass die Erstellung einer weiteren DMEröffnungsbilanz auf den 1. 6. 1990 durch die Klägerin einen doppelten Aufwand darstellen würde, der ausdrücklich nicht vom Gesetzgeber gewollt ist.
Durch die Einführung der Deutschen Mark in der DDR zum 1. 7. 1990 und die grundsätzliche Verschiedenheit der Systeme (Planwirtschaft/ Marktwirtschaft) wurde eine Neubewertung sämtlicher Vermögenswerte, die der Erzielung von Einkünften dienen, notwendig.
Die Neubewertung von Betriebsvermögen erfolgt nach Maßgabe des DMBilG durch Erstellung einer DM-Eröffnungsbilanz auf den 1. 7. 1990. Dem der Sinn und Zweck der Erstellung einer DM-Eröffnungsbilanz – die Neubewertung der vorhandenen Aktiva und Passiva auf den Stichtag 1. 7. 1990 – ist im Streitfall durch die von den Vorgänger-LPGen der Klägerin erstellten DM-Eröffnungsbilanzen Genüge getan. Würde man von der Klägerin die Erstellung einer weiteren DM-Eröffnungsbilanz fordern, die im Ergebnis bezüglich der von der Klägerin übernommenen Aktiva und Passiva sodann die nämlichen Werte enthielte wie die von den LPGen ermittelten Wertansätze, widerspräche dies der Kernaussage der Entscheidung des BFH vom 5. 4. 2006 (a.a.O.).

Leitsätze

  1. Die übertragende Umwandlung einer LPG in eine eingetragene Genossenschaft kann mit steuerlicher Wirkung auf den 1. 7. 1990 rückbezogen werden.
  2. Bei Fortführung der Buchwerte der übertragenden LPG ist eine erneute Aufstellung einer D-Markeröffnungsbilanz nicht erforderlich.
  3. Für die Forderung der Finanzverwaltung in der Verfügung der OFD Chemnitz vom 4. 8. 1998, NL-BzAR 1998, 402, dass alle fortführenden Unternehmen das Rückbezugswahlrecht einheitlich durch Aufstellen einer neuen D-Markeröffnungsbilanz ausüben müssen, fehlt die Rechtsgrundlage.

Die Erstellung einer DM-Eröffnungsbilanz war im Streitfall auch nicht deswegen erforderlich, weil die Übertragung der LPGen nicht ausschließlich auf die Klägerin, sondern auch auf andere Unternehmen erfolgte. Denn die Klägerin hat die Buchwerte der von ihr übernommenen Aktiva und Passiva fortgeführt, sodass ihr die von den LPGen in Form der DM-Eröffnungsbilanzen ermittelten Wertansätze ohne weiteres zuzurechnen sind. Die Klägerin kann daher die von den LPGen im 2. Halbjahr 1990 erlittenen Verluste gemäß § 8 Abs. 1 KStG 1991 i.V.m. § 57 Abs. 4 Satz 2, § 10d EStG 1990 geltend machen, soweit diese rechnerisch auf sie entfallen. Anhaltspunkte dafür, dass diese Berechnung unzutreffend sein könnte, ergeben sich weder aus den vorliegenden Akten noch hat der Beklagte die Berechnung der Klägerin bestritten.
Unerheblich ist schließlich auch, ob die Klägerin, die Agrargenossenschaft L. eG und die Agrar GmbH S. das Wahlrecht gemäß § 1 Abs. 5 DMBilG einheitlich ausgeübt haben.
Für diese Forderung des Beklagten findet sich keine Grundlage im Gesetz – er selbst hat auch weder eine Rechtsgrundlage noch Gründe für seine Forderung genannt. Dem Klagebegehren war nach alledem zu entsprechen.